Donnerstag, 3. Januar 2013
Bruce Barnbaum - Die Kunst der Fotografie
Viele Fotografen orientieren sich an Regeln, die sie zu besseren Bildern führen sollen. Dann nehmen sie das Motiv nie in die Bildmitte, sondern ordnen es im Goldenen Schnitt an. Auch der Horizont wird in ihren Bildern nie mittig angeordnet. Und ein Schwarzweißfoto finden sie nur dann perfekt, wenn es den ganzen Tonumfang vom reinen Schwarz bis zum vollkommenen Weiß bietet. Es ist dieses «kleine Einmaleins», das viele Amateure zum Credo erheben. Dabei sind es gerade diese Orientierungshilfen, die dafür sorgen, dass sie mittelmäßige Fotografen bleiben.

Bruce Barnbaum liegt dieser formalistische Ansatz überhaupt nicht. Er fordert nachdrücklich zum Regelbruch auf – und belegt mit formal perfekten Bildern die Sinnlosigkeit so mancher Regel. Sein Ansatz ist ein höchst persönlicher: Ein gutes, aussagekräftiges und künstlerisch wertvolles Foto gelingt nur dann, wenn der Fotograf nicht nur ein Abbild schaffen möchte, sondern wenn er eine Aussage hat.
Dass dies leichter gesagt als getan ist, weiß auch Bruce Barnbaum. Deshalb nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch seine eigene Entwicklung. Immer wieder betont er wie lange er sich bestimmten Motiven widmet, sie immer differenzierter entdecken muss, bis ihm die Bilder gelingen, die er auch in seinen Ausstellungen präsentiert.
Die Begeisterung, immer wieder Neues zu entdecken, seine Arbeit zu hinterfragen und sich beständig weiterzuentwickeln, ist der Schlüssel zum Erfolg. Und diese Begeisterung vermittelt er in seinem Buch «Die Kunst der Fotografie» in jedem Kapitel, in dem er seine Thesen mit zahlreichen meisterhaften Fotos belegt.

Natürlich kann Bruce Barnbaum mit seinem Lehrbuch keinem Fotografen den mühevollen Weg zum eigenen fotografischen Ausdruck abnehmen. Aber seine Ratschläge sind einleuchtend und seine Tipps sollten es ambitionierten Fotografen leicht machen, vielleicht liebgewonnene Regeln über Bord zu werfen und mögliche Motive mit anderen Augen zu sehen.
Ein wesentlicher Bestandteil des Buches sind handfeste Beschreibungen der Grundlagen der Fotografie, die von Kontrasten, Tonwerten und Schärfentiefe bis hin zu Farben, Filtern und der Ausbelichtung sowie der digitalen Bildbearbeitung reicht. Doch auch diese formalen Grundlagen stellt der amerikanische Fotograf und Workshop-Leiter immer in den Zusammenhang der kreativen, künstlerischen Arbeit.

Bruce Barnbaums «Die Kunst der Fotografie» ist ein wichtiges Grundlagenwerk und gleichzeitig ein opulenter Bildband. Es ist eine Schule des Sehens sowie ein Lehrbuch und Nachschlagewerk, das elementare Grundlagen der Bilderstellung vermittelt. Nicht zuletzt animiert es den Leser dazu, seine Haltung zu hinterfragen, sich eigene Aufgaben zu stellen und einen eigenen Stil zu finden.

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Samstag, 29. Dezember 2012
Daniel Woodrell – Im Süden. Die Bayou-Trilogie
Daniel Woodrells erster Roman erschien 1986. Auf «Cajun Blues» folgten relativ rasch «Der Boss» und «John X». Die ersten deutschen Übersetzungen dieser nun zur «Bayou-Trilogie zusammengefassten Werke erschienen zu Beginn der 90er-Jahre – und nicht unbedingt in einem Verlag, den man mit erstklassiger Literatur verbindet. Doch spätestens seit der Verfilmung und Oscar-Nominierung von «Winters Knochen» zählt Daniel Woodrell zu den angesagtesten Krimiautoren, die mit ihrer Geschichte auch einen ungeschönten Einblick in soziale Milieus geben, die Lesern normalerweise verborgen bleiben.

Bereits seine ersten Romane kennzeichnet der unerbittliche Verlauf seiner mitleidlos erzählten Geschichten. Sie spielen im fiktiven St. Bruno am Mississippi-Delta und zeigen nicht nur das große erzählerisches Talent Woodrells, sondern auch sein Gespür für Milieubeschreibungen. Im Erstling, «Cajun Blues», steht die Kriminalgeschichte im Mittelpunkt. Detective Rene Shade hat den Mord an einem Lokalpolitiker aufzuklären und stößt dabei auf einen Korruptionsskandal. Auch der zweiten Roman ist noch auf Rene Shade fokussiert, berichtet aber noch mehr von dessen sozialem Hintergrund. Im dritten – der auch vor gewalthaltigen Szenen nur so strotzt – richtet Woodrell sein Augenmerk auf den großen Abwesenden der ersten beiden Teile: auf Rene Shades Vater John X, ein Kleinganove und Lebemann, der sich mit seinem fulminanten Billard-Spiel sowie mit Wetten, Glücksspiel und kleinen Gaunereien über Wasser hält. Als ihn seine viel jüngere Ehefrau übers Ohr haut und mit dem Geld seines Partners verschwindet, muss John X untertauchen – und das führt ihn zurück in seine Heimat, nach St. Bruno und zu seinen drei ungleichen Söhnen.

Auch wenn seinen ersten, effektvoll erzählten Geschichten die Tiefe fehlt, die Woodrells zuletzt erschienene Romane «Winters Knochen» und «Der Tod von Sweet Mister» einzigartig macht, ist die Bayou-Trilogie weit mehr als spannendes Lesefutter. Denn Daniel Woodrell hat ein ausgeprägtes Talent für witzige Dialoge und originelle Beschreibungen. Er treibt nicht nur die Geschichte weiter, sondern zieht die Leser auch mit seinen Rückblenden und Nebengeschichten in den Bann.

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Freitag, 7. Dezember 2012
Philippe Djian - Die Rastlosen
Am explosiven Ende des Romans gibt es einige ungeklärte Todesfälle, doch trotz der kriminologischen Grundlage der Geschichte – eines morgens wird Marc neben einer toten Studentin wach, die er nach einer Party mit nach Hause geschleppt hat – könnte Philippe Djian nicht weiter weg sein von einem Kriminalroman.
Schon seine musikalische Sprache und sein mitreißender Erzählrhythmus reichen oft, um seine Texte zu Meisterwerken zu machen. Plot und Geschichte könnten bei Philippe Djian völlig nebensächlich sein. Umso schöner, wenn beides zusammenkommt – wie in seinem Roman «Die Rastlosen», in dem er sich in jeder Hinsicht von seiner besten Seite zeigt.

Die Vergangenheit lässt Marc und Marianne nicht los. Die Geschwister leben gemeinsam außerhalb des Städtchens, in dem sie an der Universität arbeiten, in ihrem Elternhaus. Dort wurden sie als Kinder geschlagen und gequält. Sie konnten es – das erfährt man erst nach und nach – wohl nie verarbeiten.
Marc, Universitätsdozent für Kreatives Schreiben, ist hinter seinen Studentinnen her, Marianne, in der Universitätsverwaltung tätig, verkriecht sich Zuhause. Djian zeichnet das sonderbare Paar mit ihren Verrücktheiten und offenbart erst nach und nach, wie sie zu dem wurden was sie sind. Er zeigt ihre Abhängigkeit voneinander, ihre inzestuöse Beziehung und die Fürsorglichkeit Marcs gegenüber seiner Schwester, die gut und falsch zugleich wirkt und letztlich nur der Ausdruck seiner Schwäche ist. Sprachmächtig und bildreich lässt Philippe Djian seinen Protagonisten über die Literatur und den Universitätsbetrieb schwadronieren. Und natürlich berichtet er ausschweifend von Marcs Affären.

Die Handlung des Romans ist überwiegend im banalen Alltag zu verorten. Im Vordergrund stehen die Probleme, die sich Marc mit seinen studentischen Liebschaften einbrockt und dadurch, dass er mit der vermeintlichen Stiefmutter der in seinem Bett verstorbenen Studentin eine stürmische Affäre beginnt. Die Kriminalgeschichte, die Djian hier auch schreibt, interessiert ihn jedoch nicht. Den zwei Todesfällen – bald kommt noch ein Polizist dazu – und ihrer Aufklärung wird kaum Platz eingeräumt. Das geht im Erzählfluss unter und wird von den feurig vorgetragenen Beobachtungen und Weisheiten Marcs und in der wahrhaftig wirkenden Lebensgeschichte der Geschwister überdeckt.

Es gehe ihm nur um Stil und Sprache, hat Philipp Djian einmal gesagt, Botschaften habe er keine. Das gilt auch für «Die Rastlosen». Sein Erzählrhythmus ist gewohnt schnell und wie schon so oft glänzt er mit treffenden Beschreibungen. Nicht zuletzt liefert er mit "Die Rastlosen" eine spannende Geschichte und einen hervorragend konstruierten Roman.

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Montag, 19. November 2012
Privater Biosphärenpark
Ein besonderer Garten unter einem besonderen Blickwinkel
Dieses Buch ist ein einziger Farbenrausch – ungemein satt die Blüte des Löwenzahns, fast schon grell das ins Pink gehende Rot der Pfirsichblüte. Dann sind es wieder das warme Gelb des Herbstlaubs, das frische Grün eines Blattes in Grossaufnahme oder das leuchtende Weiss der Strauchpfingstrose, die Lust darauf machen, all die Pflanzen in der wilden Vielfalt in einem Garten zu versammeln, die der österreichische Biologe Georg Grabher in seinem Refugium pflegt. Grabherr, bis 2011 Abteilungsleiter und Universitätsprofessor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an der Universität Wien, hat am Rand des Unesco-Biosphärenparks Wienerwald seine Pflanzen-Arche-Noah errichtet. Mit ihr unterstützt er im Kleinen die Ziele, die global mit den weltweit 500 bestehenden Biosphärenparks erreicht werden sollen: die Biodiversität der Naturpflanzen wie auch der Kultursorten zu erhalten.



Grabherr hat einen erfrischend pragmatischen Zugang. «Leben und leben lassen» ist seine Maxime. Fühlt sich eine Sorte im trockenen Klima der pannonischen Tiefebene nicht wohl, verzichtet er eben auf sie. Keimen im Gegensatz dazu Pflanzen von selbst, die er eigentlich nicht schätzt, lässt er sie stehen und verhindert bloss, dass sie andere Sorten verdrängen.
Grabherr schreibt, was ihn in seinem Garten zu jeder Jahreszeit erfreut und verpackt darin seine Gartenphilosophie. Diese präsentiert er auch in zahlreichen zusätzlichen Exkursen, die einzelnen Themen wie Unkraut, importierten Pflanzen und einigem mehr kundtut.
Seine Gartenphilosophie vermittelt er fast durchweg leicht verständlich, anschaulich und ansteckend. Und immer wieder öffnet er den Blickwinkel, tritt gewissermassen vor den Garten und schaut in die Welt.



So besonders der Garten von Gerhard Grabherr sein mag. Er entspricht so gar nicht dem, was man landläufig unter einem prächtigen Garten versteht. Grabherrs Gartenreich ist keine prächtige Parkanlage und kein exquisiter Rosengarten. So sehr er den Garten auch gestaltet – so setzt er beispielsweise jährlich 1500 Tulpenzwiebeln – so wild und natürlich wirkt er. Das ist eigentlich nicht die Kulisse für einen Bildband mit Hochglanz-Fotos im XXL-Format. Und trotzdem strotzt der grossformatige Band vor eindrücklichen Fotos – viele davon ein- oder doppelseitig. Der Fotograf Lois Lammerhuber zeigt die Blumen in ihrer ganzen Pracht und – etwa die Blütenstände des Zierlauchs – aus einer oft ungewöhnlichen Perspektive. Selbst bereits totfotografierte Pflanzenmotive wie beispielsweise die eine luftige Kugel bildenden Flugschirmchen des Löwenzahnls präsentiert er mit frischem Blick. Zwar gibt es auch die grossformatigen Ausschnitte herrlicher Tulpenblüten. Aber viele Bilder geben faszinierende Einblicke in den üppigen und unbearbeitet wirkenden Garten.
Lois Lammerhuber vermittelt nicht nur in seinen Gesamtansichten Standpunkt und Einstellung des Gartenbesitzers, sondern auch ein vielen Einzelaufnahmen. Der preisgekrönte Fotograf zeigt die Anmut der Raupe, die sich gerade anschickt, ein Blatt anzuknabbern, ebenso wie die Schönheit des rankenden Zaunwinde.



«Ein Garten für das 21. Jahrhundert» ist ein ungewöhnliches Buch. Der Autor, Gerhard Grabherr, ist sicher nicht der erste, der für den naturnahen Garten plädiert. Sein mit Anekdoten angereicherter, fachkundiger Gang durchs Gartenjahr ist vergnüglich zu lesen. Lois Lammerhubers Bilder wiederum dokumentieren nicht nur die wilde Opulenz des Gartens und sind mehr als Beleg für die ungestüme Farbenpracht, die Grabherr so begeistern: Sie begeistern durch einen ungewöhnlichen Blickwinkel und die eigene, originelle Bildsprache des preisgekrönten Fotografen.

Georg Grabherr/Lois Lammerhuber «Ein Garten für das 21. Jahrhundert» Edition Lammerhuber, 368 Seiten mit 304 Farbfotos, zweisprachig D/E, Baden 2012

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Sonntag, 24. Juni 2012
Michael Lüders – Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt.
Es gibt viele Gründe, die Kritik am Iran rechtfertigen. Und man kann die Kritikpunkte nicht damit entschuldigen, dass sie vorurteilsbehaftet sind. Wahlfälschung, Unterdrückung von Minderheiten, Folter und Todesstrafe., das alles ist nicht gutzuheißen – im Iran ebensowenig wie in Bahrein, das als Formel-1-Gastgeber ebenso wenig Rechtsstaat ist wie die Ukraine und Aserbaidschan, sich aber als Gastgeber von weltweit beachteten Wettkämpfen darstellen darf.

Der Iran ist nach Irak und Afghanistan ein weiteres Beispiel für die These, dass die Moral oft von politischen Interessen bestimmt wird. Michael Lüders schwimmt gegen den Strom der westlichen Politik und Medien und rückt das von ihnen gezeichnete verzerrte Bild gerade. Er erinnert daran, dass etwa die iranische Regierung dem damaligen US-Präsidenten Bush ganz pragmatisch angeboten hat, die Zweistaatenlösung in Palästina zu unterstützen. Und das obwohl schon in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre US-Politiker forderten, das Land anzugreifen. Die Argumente sind die selben Argumenten, mit denen die Weltbevölkerung auf den Krieg gegen Irak eingeschworen wurde, und die – für das ins Chaos gestürzte Land leider zu spät – sich als perfide gelogen herausstellten.
Neben viel mehr vergleichbaren Fakten erklärt er anhand der iranischen Geschichte, warum die politische Führung wie reagiert. Lüders entdämonisiert die Ayatollahs und zeigt, was man erlebt, wenn man das Land bereist: Sie sind weniger fanatisch und wesentlich pragmatischer als dargestellt.

Neben diesen leicht verständlich und nachvollziehbar präsentierten Tatsachen zeigt Lüders, wie irrsinnig ein Krieg gegen den Iran wäre. «Die Folgen könnten dieses Jahrhundert prägen wie der Erste Weltkrieg das vorige. Dessen Blutspur endet bekanntlich erst mit dem Fall der Berliner Mauer 1989.» Selbst wenn er mit diesem Menetekel nicht recht hat: Ein Angriff würde den iranischen Machthabern in die Hände spielen. «Für Ahmadinedschad und die Hardliner wären die Bomben ein Gottesgeschenk. Es würde ihre Herrschaft auf lange Zeit zementieren. (...) Jeder Kritiker sähe sich nunmehr unerbittlich als Landesverräter verfolgt. Nicht Regimewechsel, sondern Regimekonsolidierung wäre die Folge.»
Die Argumente von Michael Lüders sollten nicht nur Präsidenten lesen, die uns in Grundsatzreden zumindest indirekt dazu auffordern, sich doch bitteschön daran zu gewöhnen, dass vermehrt Landsleute von ihrer so genannten Friedensmission tot zurückkehren werden.

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Sonntag, 17. Juni 2012
Iman Türkmen – Wir kommen
Der Beitrag, den Migranten zu unserem Lebensstandard beisteuern, ist schwer zu erfassen, weil er nur bezifferbar ist und nicht deutlich sichtbar wird. Wie vorstellbar ist beispielsweise die Summe der Arbeitsplätze, die türkische Arbeitgeber in Deutschland geschaffen haben? Alleine in Berlin sollen 8000 türkischstämmige Unternehmer rund 30 000 Mitarbeitende beschäftigen. Rechnet man die Zahl der Beschäftigten auf ganz Deutschland hoch, kommt man auf mehr als 700 000. Selbst wenn es nur die Hälfte ist – die Arbeitslosenstatistik sähe um ohne die Unternehmer mit Migrationshintergrund um einiges trauriger aus. Sie tragen mit ihren Steuern zum Bildungswesen bei und kurbeln mit ihren Ausgaben die Wirtschaft an.

Dass das alles nur abstrakt darstellbar ist (oder dargestellt wird), macht es populistischen Vorwürfen umso leichter. Daher ist es umso wichtiger, die Argumente zu sammeln und konzentriert darzustellen. Der österreichische Student Inan Türkmen hat das gemacht – im Stil von Thilo Sarrazin. Er hat die berechtigte Betroffenheit über beständige Diskriminierung nicht überwunden und übergießt in «Wir kommen» den Leser mit pauschalen Vorwürfen. Seine Welt ist in zwei Lager gespalten: die dem Untergang geweihten Europäer und – ganz so als ob es keine anderen Migranten gebe – die Türken als die zukünftigen Herrscher. «Uns gehört die Zukunft», ist der Grundtenor des Buches, das im Sinn des «ihr werdet schon noch sehen» die feindliche Übernahme androht.

Inan Türkmen mag sich mit seinem durchweg schlicht formulierten Text den Frust von der Seele geschrieben haben. Zur Debatte um Migration, Integration und Ausländerfeindlichkeit leistet er damit keinerlei sinnvollen Beitrag. Dass – so meine möglicherweise vorurteilsbehaftete Unterstellung – die hartnäckigen Ausländerfeinde diesen überflüssigen Text nicht lesen werden, ist wohl positiv zu sehen. Offenbar hat auch Ignoranz seine positiven Seiten.

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Donnerstag, 3. Mai 2012
Matthias Willi/Olivier Joliat - The Moment After The Show
Posen ist ihr Geschäft – für die Medien und auf der Bühne sowieso. Wie Rockmusiker wirklich sind, erfährt das Publikum jedoch kaum. Der Basler Fotograf Matthias Willi hat einen Weg gefunden, die Musiker zum Ablegen der Maske zu bewegen: Er hat sie, Bekannte und Unbekannte, unmittelbar nach dem Konzert fotografiert. «Nur so kann man zeigen, wie wir wirklich sind», zeigte sich Juliette Lewis von der Idee begeistert. Erschöpft sieht sie auf dem Bild aus, durchgeschwitzt, ein wenig verloren, aber zufrieden.

Dem erledigten Iggy Pop, bekannt für seine ungestümen Auftritte, ist eine kleine Bildstrecke gewidmet. Viele andere sind mit jeweils einem Bild vertreten, etwa Brian Molko (Placebo), Josh Homme (Queens of the Stone Age), Merrill Nisker alias Peaches und Judith Holofernes (Wir sind Helden). Matthias Willi fotografierte aber nicht nur die großen Namen quer durch (fast) alle Genres der Pop- und Rockmusik, sondern bis hinunter in die Amateur-Liga. Denn angesichts ihrer Leidenschaft sind alle gleich, egal ob sie vor 50 oder vor 5000 Menschen auf der Bühne stehen.

Ganz auf Namedropping verzichtet haben die beiden Herausgeber trotzdem nicht. Kid Rock sei einfach zu den Aufnahmen von Gnarks Barkley mitgekommen, schreiben Willi und Joliat im Begleittext, da habe man ihn eben auch fotografiert. Dass andere Musiker ihre Show-Maske nicht abgelegt haben, ist ihnen jedoch nicht anzulasten. Jesse Hughes von den Eagles of Death Metal beispielsweise sei eben einfach ein «poser by nature».

«The Moment After The Show» lebt von seiner originellen Herangehensweise. Sie ersetzt die herkömmliche Musikfotografie nicht, bietet aber eine ungewöhnliche Facette, die andere Einblicke ermöglicht.

«The Moment After The Show» ist im Eigenverlag erschienen und kann über die Internetseite der Autoren bestellt werden.

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Sonntag, 1. Januar 2012
Für das Häkeldecken und die Designerecke
Häkeldeckchen sind ja zeitlos, auch wenn sie derzeit nur auf Großmütter-Anrichten liegen. Aber werden sie genauso wieder aufgelegt wie Norweger-Pullover und Russenkappen. Meine Mutter zum Beispiel, jetzt 85, hat ihre seit den Siebzigern des letzten Jahrhunderts auf. Einfach nicht mehr abgesetzt. «Es kommt alles wieder», sagt sie im Bewusstein, dass sie schon mehrere optische Undinge kommen, gehen und wieder zurückkehren sehen hat. Während die anderen langsam mit den pelzigen Schüsseln aus den Klamottenläden kommen, um noch so jung schon so alt auszusehen wie sie, behauptet sie einfach die Stellung. Und wenn sie Lust auf Abwechslung hat, kramt sie ihre Pullover mit Karomuster hervor. Die sind jetzt auch wieder in. Wie die Polaroids. Die waren – abgesehen davon, dass die Filmproduktion eingestellt wurde und nur noch längst abgelaufene Päckchen teuer ersteigert werden können – auch nie richtig weg. Und gerade noch rechtzeitig hat sie ein Hersteller wieder aufleben lassen.


Für jeden Tag und jedes Ambiente: der Abreißkalender mit Polaroid-Charme

Dazu passt das «Poladarium», ein Abreißkalender mit dem Abbild eines Polaroids für jeden Tag des Jahres. Gesammelt bei Profis und Amateuren auf Internet-Plattformen, liefert es Bilder von heute, die überwiegend wie von gestern wirken. Das passt zum Häkeldecken mit Nostalgie-Garnierung genauso wie in die kühle Designer-Bude, der selbst der blaustichige Surfer von heute ein wenig Wärme verleiht.
Der Kalender vereinigt ein beliebig anmutendes Sammelsurium: Naturfotos, Porträts, Aktaufnahmen; witzige Fundstücke, originelle Details und Konzeptfotos. Das macht den Reiz derartiger Kalender aus, und dass hier mit den Unzulänglichkeiten der Sofortbildfotografie gespielt wird, ist eine folgerichtige, zielgruppenorientierte Fokussierung. Wer heute bei einem Bild nicht schmunzelt, darf morgen staunen, wer sich nicht für den Amateur-Schnappschuss begeistern kann, wird vielleicht anderntags mit einer gelungenen Komposition in den Tag geschickt.
Auf der Rückseite eines jeden Bildes gibt es neben einer Internet-Referenz auf den Fotografen auch kurze Erläuterungen oder Gedanken zum Bild.

So starte ich also ab heute in den Tag. Und ich bin zuversichtlich, dass die Freude so lange anhält wie beim Adventskalender – nämlich bis zum letzten Tag.

www.poladarium.de

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Freitag, 30. Dezember 2011
Romka #6
Bilder werden gemacht, um Emotionen anzusprechen. Das gelingt offenbar selbst der oberflächliche Bildsprache der Werbung, die oft übertrieben perfektioniert und mitunter auf unecht ästhetisierende Art roh ist. Auch viele andere Arten der Fotografie wie etwa Akt-, Landschafts- oder Architekturfotografie geben sich mit nicht weniger als mit dem perfekten Bild zufrieden. Dem gegenüber stehen viele private Fotos, welche die Betrachter auch dann oft begeistern, wenn sie absolut unperfekt und oder durch hanebüchene Bildausschnitte entstellt sind. Dafür haben sie einen größeren Wert: Sie sind emotional aufgeladen.

Romka sucht solch aufgeladene Fotos und präsentiert dazu in meist wenigen Worten die Geschichten dahinter. Da gibt es stimmungsvolle Porträts, witzige Schnappschüsse, hintergründige Dokumentarfotos und Bilder von emotionalen Begegnungen. Es gibt poetische Landschaftsfotos ebenso wie originelle Stilleben und Aufnahmen von Details, sei es eine Tätowierung oder einer Liste von Personen, die von einem Freizeit-Boot über Bord gegangen sind.

Weil insbesondere im Bereich der künstlerischen Fotografie die Grenze zwischen professioneller und Amateur-Fotografie sehr verschwommen ist, bringt Romka beiden die gleiche Wertschätzung entgegen. Und man sieht: Auch professionelle Fotografen lieben das Unperfekte, wenn es um Erinnerung geht. Stimmung und Aussage richten sich eben nicht nach dem goldenen Schnitt und auch die Schärfe trägt nicht zwangsläufig dazu bei.
Natürlich gibt es auch in Romka das eine oder andere eher mässige Bild. Aber es ist erstaunlich wie viele originelle Bilder Romka-Herausgeber Joscha Bruckert auch in der sechsten Ausgabe seines Magazins versammelt. Angereichert wird das Magazin mit einigen Foto-Features, unter denen besonders Steven Chandlers Collage aus zum Teil schon sehr zerkratzten, auf der Straße gefundenen Fotos hervorsticht. Die rätselhaft wirkenden Bilder laden dazu ein, Geschichten zu erfinden. Das zeichnet auch andere Bilder aus, insbesondere solche, die geheimnisvoll wirken. Die Aussage des spanischen Gestalters Pedro Florentini zu seinem Bild – «Meine Lieblingsbilder sind solche, die uns nicht alles verraten» – scheint einigen der hier präsentierten Fotografen zu entsprechen.

Die aktuelle Ausgabe von Romka bringt Bilder von rund 70 Fotografen aus 33 Ländern. Das mit mehr als hundert Seiten beachtlich umfangreiche Magazin ist auf einfachem Papier gedruckt, was den einfachen und unprätentiösen Bildern entspricht. Opulent und mit Klebebindung versehen, pendelt es zwischen Fanzine und Fotojournal.


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Sonntag, 18. Dezember 2011
Auch ein Kinderbuch: Sebastian Cremers «Auto»
Wir kennen es aus Afrika, wo Not erfinderisch macht: Eine PET-Flasche als Korpus, zwei Stifte durchgesteckt und vier Holzscheiben als Räder dran – fertig ist das Spielzeugauto. Und mit einer Schur zum Hinterherziehen kann man auch richtig Tempo machen.
Solch pfiffige Lösungen, denen wir in armen Ländern immer wieder begegnen, führen uns immer wieder unseren eigenen Mangel vor Augen: Wegen der fehlenden Kreativität müssen wir auf Massenprodukte zurückgreifen. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenners eines großen Publikums hin entwickelt und rigiden Normen ebenso unterworfen wie der effizienten und kostengünstigen Produktion – von Teams, deren Kreativität bereits erschöpft war, nachdem sie den Kreativitätsprozess optimert haben. Kein Wunder, dass die Retortenautos der mit uniformen Spielzeugautos groß gewordenen Entwickler keine Traumautos mehr sind.


Nicht Alu, nicht Plaste: Bast-Auto von Sebastian Cremers.

Der Designer Sebastian Cremers möchte wohl verhindern, dass sein autobegeisterter Dreijähriger dereinst in die Riege des automobilen Durchschnitts untergeht. Er hat für ihn aus Alltagsgegenständen eine Reihe von Küchentisch-Rennern gebaut. Da wird das Streichholzbriefchen zur Renn-Flunder (besser als jeder Lotus Elise), der Sparschäler zum Transportfahrzeug (sparsamer geht es nicht, und was rauskommt wird Biogas), und drei alte Stifte werden zum Raketenfahrzeug. Ob Löffel, Döschen, Wattestäbchen oder Lupe, ob Schlossblende, Küchenwecker oder Knöpfe: Die von Cremers verwendeten Zutaten sind so überraschend wie die Fahrzeuge, die er daraus macht.

«Auto» ist kein Kinderbuch. Es ist für Liebhaber origineller Fahrzeuge und für Erwachsene mit Spieltrieb. Es inspiriert dazu, Dinge neu zu sehen und diese einer neuen Bestimmung zuzuführen. Wenn sie das mit ihrem Nachwuchs machen, ist «Auto» auch ein Buch für Kinder.

Sebastian Cremers: Auto. 65 Seiten, Hermann-Schmidt-Verlag, Mainz 2011, ISBN 978-387439-823-7

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