Sonntag, 24. Juni 2012
Michael Lüders – Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt.
Es gibt viele Gründe, die Kritik am Iran rechtfertigen. Und man kann die Kritikpunkte nicht damit entschuldigen, dass sie vorurteilsbehaftet sind. Wahlfälschung, Unterdrückung von Minderheiten, Folter und Todesstrafe., das alles ist nicht gutzuheißen – im Iran ebensowenig wie in Bahrein, das als Formel-1-Gastgeber ebenso wenig Rechtsstaat ist wie die Ukraine und Aserbaidschan, sich aber als Gastgeber von weltweit beachteten Wettkämpfen darstellen darf.

Der Iran ist nach Irak und Afghanistan ein weiteres Beispiel für die These, dass die Moral oft von politischen Interessen bestimmt wird. Michael Lüders schwimmt gegen den Strom der westlichen Politik und Medien und rückt das von ihnen gezeichnete verzerrte Bild gerade. Er erinnert daran, dass etwa die iranische Regierung dem damaligen US-Präsidenten Bush ganz pragmatisch angeboten hat, die Zweistaatenlösung in Palästina zu unterstützen. Und das obwohl schon in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre US-Politiker forderten, das Land anzugreifen. Die Argumente sind die selben Argumenten, mit denen die Weltbevölkerung auf den Krieg gegen Irak eingeschworen wurde, und die – für das ins Chaos gestürzte Land leider zu spät – sich als perfide gelogen herausstellten.
Neben viel mehr vergleichbaren Fakten erklärt er anhand der iranischen Geschichte, warum die politische Führung wie reagiert. Lüders entdämonisiert die Ayatollahs und zeigt, was man erlebt, wenn man das Land bereist: Sie sind weniger fanatisch und wesentlich pragmatischer als dargestellt.

Neben diesen leicht verständlich und nachvollziehbar präsentierten Tatsachen zeigt Lüders, wie irrsinnig ein Krieg gegen den Iran wäre. «Die Folgen könnten dieses Jahrhundert prägen wie der Erste Weltkrieg das vorige. Dessen Blutspur endet bekanntlich erst mit dem Fall der Berliner Mauer 1989.» Selbst wenn er mit diesem Menetekel nicht recht hat: Ein Angriff würde den iranischen Machthabern in die Hände spielen. «Für Ahmadinedschad und die Hardliner wären die Bomben ein Gottesgeschenk. Es würde ihre Herrschaft auf lange Zeit zementieren. (...) Jeder Kritiker sähe sich nunmehr unerbittlich als Landesverräter verfolgt. Nicht Regimewechsel, sondern Regimekonsolidierung wäre die Folge.»
Die Argumente von Michael Lüders sollten nicht nur Präsidenten lesen, die uns in Grundsatzreden zumindest indirekt dazu auffordern, sich doch bitteschön daran zu gewöhnen, dass vermehrt Landsleute von ihrer so genannten Friedensmission tot zurückkehren werden.

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