Freitag, 7. Dezember 2012
Philippe Djian - Die Rastlosen
Am explosiven Ende des Romans gibt es einige ungeklärte Todesfälle, doch trotz der kriminologischen Grundlage der Geschichte – eines morgens wird Marc neben einer toten Studentin wach, die er nach einer Party mit nach Hause geschleppt hat – könnte Philippe Djian nicht weiter weg sein von einem Kriminalroman.
Schon seine musikalische Sprache und sein mitreißender Erzählrhythmus reichen oft, um seine Texte zu Meisterwerken zu machen. Plot und Geschichte könnten bei Philippe Djian völlig nebensächlich sein. Umso schöner, wenn beides zusammenkommt – wie in seinem Roman «Die Rastlosen», in dem er sich in jeder Hinsicht von seiner besten Seite zeigt.

Die Vergangenheit lässt Marc und Marianne nicht los. Die Geschwister leben gemeinsam außerhalb des Städtchens, in dem sie an der Universität arbeiten, in ihrem Elternhaus. Dort wurden sie als Kinder geschlagen und gequält. Sie konnten es – das erfährt man erst nach und nach – wohl nie verarbeiten.
Marc, Universitätsdozent für Kreatives Schreiben, ist hinter seinen Studentinnen her, Marianne, in der Universitätsverwaltung tätig, verkriecht sich Zuhause. Djian zeichnet das sonderbare Paar mit ihren Verrücktheiten und offenbart erst nach und nach, wie sie zu dem wurden was sie sind. Er zeigt ihre Abhängigkeit voneinander, ihre inzestuöse Beziehung und die Fürsorglichkeit Marcs gegenüber seiner Schwester, die gut und falsch zugleich wirkt und letztlich nur der Ausdruck seiner Schwäche ist. Sprachmächtig und bildreich lässt Philippe Djian seinen Protagonisten über die Literatur und den Universitätsbetrieb schwadronieren. Und natürlich berichtet er ausschweifend von Marcs Affären.

Die Handlung des Romans ist überwiegend im banalen Alltag zu verorten. Im Vordergrund stehen die Probleme, die sich Marc mit seinen studentischen Liebschaften einbrockt und dadurch, dass er mit der vermeintlichen Stiefmutter der in seinem Bett verstorbenen Studentin eine stürmische Affäre beginnt. Die Kriminalgeschichte, die Djian hier auch schreibt, interessiert ihn jedoch nicht. Den zwei Todesfällen – bald kommt noch ein Polizist dazu – und ihrer Aufklärung wird kaum Platz eingeräumt. Das geht im Erzählfluss unter und wird von den feurig vorgetragenen Beobachtungen und Weisheiten Marcs und in der wahrhaftig wirkenden Lebensgeschichte der Geschwister überdeckt.

Es gehe ihm nur um Stil und Sprache, hat Philipp Djian einmal gesagt, Botschaften habe er keine. Das gilt auch für «Die Rastlosen». Sein Erzählrhythmus ist gewohnt schnell und wie schon so oft glänzt er mit treffenden Beschreibungen. Nicht zuletzt liefert er mit "Die Rastlosen" eine spannende Geschichte und einen hervorragend konstruierten Roman.

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