Samstag, 10. Januar 2009
Blick in die Fremde
Fotos, Zeichnungen und Skulpturen von Karl Gaiser in Salzburg
Es sind rührende Bilder, die der Schweizer Bildhauer Karl Gaiser bei seinen Reisen nach Italien oder Frankreich gemacht hat. Er hat „den Alltag“ fotografiert, Menschen auf der Straße, spielende Kinder, aber auch Kämpfer im Ring. Die reportageartigen Fotos des Bildhauers, der auch als Bildreporter arbeitete, sind tadellos, aber keineswegs herausragend. Ihr Reiz liegt in der Exotik. Damals mag es die ferne Welt gewesen sein, heute ist es der Blick in die Vergangenheit. Nur wenige Bilder sind ästhetisch herausragend, die meisten, wenn er als Chronist des Schweizer Alltags fotografiert, kulturhistorisch interessant.


Gaiser in Frankreich: Kinder auf der Straße

Viele der ausgestellten Fotografien zeigen Gaisers Arbeitsmaterial, homoerotische Bilder von Jünglingen und Aktaufnahmen von Frauen, die für eine seiner Skulpturen posierten. Richtig für eine Werkschau, aber letztlich doch nur mässig Interessant – Gebrauchsfotografie, aus der allerdings die atmosphärischen Bilder herausragen, die er von seinen Skulpturen im Atelier anfertigte. Er zeigt sie in besonderen Lichtstimmungen, mit auch heute noch modern wirkenden Bildausschnitten, die auch manche seiner Reportagefotos auszeichnen, und mitunter mit seinen Modellen.


Im Atelier: Inszenierung der Skulptur Mädchengruppe, um 1936

Bemerkenswerter ist für mich der Zusammenhang zwischen einer Fotografie von statisch wirkenden Ringern und Gaisers Skulpturen: Die Körper der beiden Ringer entsprechen Gaisers leicht abstrahierten, aber doch realistischen Statuen mit ihren glatten Körpern mitunter mehr als die Fotos, die er als Vorlage für seine Skulpturen anfertigte.

Karl Geiser. Fotografien, Museum der Moderne, Salzburg, 08.11.08 – 08.02.09

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Mittwoch, 7. Januar 2009
Flaschen, (fast) nichts als Flaschen
Er muss ein komischer Mensch gewesen sein. Zeit seines Lebens wohnte Giorgio Morandi mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern in einem Apartment in Bologna. Während des zweiten Weltkriegs zog sich seine Familie in die Provinz zurück. Dort malte er noch Landschaftsbilder, später ausschließlich Stillleben. Sein Motiv: Flaschen – einzeln mitunter, meist zu mehreren und durchweg in gedeckten Farben.

Es ist eigenartig. Je länger man Morandis Stillleben ansieht, desto faszinierender wirken sie. Je mehr Bilder man sieht, desto mehr möchte man sehen. Bis Mitte Dezember waren 110 Werke im New Yorker Metropolitan Museum zu sehen – die erste umfassende Morandi-Ausstellung in den USA.


Museo Morandi: beindruckende Vielfalt gleicher Motive

Für einen sprunghaften Menschen ist das Werk von Morandi packende und erschreckend. Einerseits befremdet mich die intensive Beschäftigung mit dem immer Gleichen, andererseits wandere ich immer begeisterter von Bild zu Bild und betrachte sie länger als viele Bilder, die detailreicher sind, die mehr „erzählen“.

Ich möchte eine seiner Flaschen zuhause hängen haben, sie jeden Tag sehen, wenn ich von der Arbeit komme. Das geht mir nur bei wenigen Bildern so, etwa bei denen von Chi Chi Hua. Aber das ist etwas anderes. Und was den Morandi betrifft, habe ich doch tatsächlich eine Idee ...

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Sonntag, 28. Dezember 2008
Wer klopft?
Mein Körper, die Welt und meine Empfindungen – eine Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein
Es ist ja immer das Gleiche: ich und die Welt, mein Körper und ich - ein Jammer, aber wo der ist, ist auch die Kunst. Hier wird sie unter dem griffigen Titel Knockin’ On Heaven’s Doorzusammengeführt, zumindest ein paar unterschiedliche Betrachtungsweisen.

Es kommt mir beliebig vor, weitgehend überflüssig.

Aber selbst wenn man über den Flohmarkt von Hunzenschwil streunt (das ist eine andere Ecke, schon Ausland, ich weiß) kann man allerhand entdecken.
Hier ist es nicht anders: Frühe Arbeiten von Matt Mullican, wegen seiner Stick Figure Drawings, so um die 15 Stück, gehe ich noch einmal hin. Seine Werke Untitled (Xeroxes of Death, Heaven, and Hell) und From Birth to Death sind mehr als originelle Strichmännchen und gehen tiefer.

Und Thomas Lehnerer, so tot wie Beuys, nur weniger bekannt. Seine Figuren könnte man länger betrachten. Hätte er es auch ohne die frühere persönliche Verbindung zu einem Museumsangestellten in die Ausstellung gebracht?

Neben Matt Mullican (mit variablen Rhythmen), Thomas Lehnerer (hinreißend), Samuel Beckett (theatralisch), Bruce Nauman (fast regungslos), Kimsooja (in sich ruhend) und Gina Pane (abstossend) klopfen auch einige andere. Aber bei den Meisten haben mich die Klopfzeichen nicht interessiert.


Matt Mullican, Stick Figure
Drawings, 1974



Knockin’ On Heaven’s Door, Kunstmuseum Liechtenstein, 26.9.208 – 18.1.2009

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Mittwoch, 17. Dezember 2008
Der Betrachter als Erzähler
Eine Ausstellung im Züricher Museum für Gestaltung
Jedes Foto erzählt eine Geschichte. Das gilt vielleicht nicht für abstrakte Fotografie. Aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Daher ist schon der Ansatz der Ausstellung Short Stories in der aktuellen Fotografie schon recht beliebig und macht es leicht, unterschiedliche Positionen zusammenzustellen. Egal ob Reportage oder inszenierte Geschichte, egal ob Menschen im Bild sind oder nicht: alles hat Platz. Denn die Geschichte erzählt sich jeder Betrachter selbst. Und wenn der Reportagefotograf keine wahrhaftigen Bilder des Geschehens gemacht hat? Macht nichts, die Geschichte, die man sich selbst zu den Bildern erzählt, muss nur für einen selbst stimmen.

Der Ansatz wirkt beliebig wie eine Anthologie zu einem Allerweltsthema. Alles ist möglich, alles ist erlaubt (außer die Anthologie ist Ferienfutter, dann müssen die Extreme raus). Für jede Position gibt es genügend Protagonisten, die man auswählen kann. Warum es Harry Gruyaert, Bertien van Manen, Aernout Mik, Erwin Olaf, Eric Stitzel, Guy Tillim und Erwin Wurm getroffen hat, erschliesst sich aus der Ausstellung nicht. Dafür kann man wie bei einer Anthologie schlendern und picken und bekommt von jedem Künstler und auch von Bertien van Manen einige Werke zur Auswahl. Der südafrikanische Fotograf Guy Tillim bietet nicht nur hervorragende Reportagefotos, er montiert die Bilder der jüngsten Vergangenheit des Kongo mit den Spuren aus der Kolonialzeit. Vom Magnum-Fotograf Harry Gruyaert wurden die abfotografierten TV-Bilder aus dem Jahr 1972 wieder ausgegraben. Aktuell ist eben ein dehnbarer Begriff. Erwin Wurm, der Schelm ist skurril wie immer und Erwin Olafs kalte Inszenierungen machen durch ihre Kälte und die eigentümliche, leicht altmodisch wirkende Farbigkeit auf sich aufmerksam.

Es ist also für viele etwas dabei. Ein gutes Foto ist sogar ein Film. Ob er zeigen soll, dass man sogar mit bewegten Bildern Geschichten erzählen kann oder einfach aufgenommen wurde, weil man mittlerweile sogar mit Hobbykameras filmen kann, wird leider nicht erklärt. Aber es erzählt sich sowieso jeder seine Geschichte selbst.

Short Stories in der aktuellen Fotografie, Museum für Gestaltung, Zürich, 24.9.2008 - 4.1.2009

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Samstag, 6. Dezember 2008
Zeichnen mit Sprengstoff
Filme und Videos von Roman Signer im Helmhaus Zürich
Er ist der Pyromane unter den bildenden Künstlern. Aber anders als die feuerliebenden Rammstein - deren durchaus beeindruckende Pyrotechnik nicht mehr als feurig-albern ist - sind Roman Signers Arbeiten hintersinnig, verschmitzt und mitunter ungemein poetisch. Etwa wenn er in seiner Installation Sandmusik über eine Geige bloss Sand rieseln lässt und so die Saiten zum Klingen bringt, oder wenn er vor einen Durchgang einen Sandvorhang installiert.

Lautmalerischer sind seine Videos, in denen er Modellhubschrauber einsetzt - mal wie ein einzelnes Insekt in einer Kiste, dann wieder mehr als 50, die er gleichzeitig in einem Raum fliegen lässt. Auch sie schwirren wie gefangene Insekten umher, bringen sich gegenseitig zum Absturz, fliegen - wie hilflose Vögel gegen Glasfenster schmettern - gegen die Wand und kreiseln auf dem Boden im Todeskampf.


Ungleiches Wettrennen am Binnenkanal im Rheintal:
Kajak 2000, Videostill: Aleksandra Signer


Richtig laut wird es, wenn Signer seine Kindheitsträume auslebt, einen Regenschirm mit Sprengstoff raketengleich in die Decke schießt, mit einer Rakete um die Wette läuft, oder einen mit Wasserfässern beladenen Piaggio-Transporter durch eine riesige Halfpipe schickt.

Roman Signer hat, wie er selbst sagt, auch als Erwachsener einfach weitergespielt. Das macht er ziellos und zweckfrei. Die Ausstellung zeigt Filme und Videos von 1975 bis heute. Sie machen Spass, leben von der Lust der Zerstörung oder einfach von «blöden» Ideen. Signer schiesst mit Sprengstoff einen Hocker vom Schornstein einer Papierfabrik in hohem Bogen durch die Luft, lässt sich in einem Kajak den Rheindamm entlangziehen, bis es durchgescheuert und voller Kies ist, er setzt Sprengstoff als Zeichenimpuls ein und verstopft den Durchfluss unter der Brücke eines Bächleins mit einem Gummiball - bis dieser vom Wasserdruck hindurchgepresst auf der anderen Seite hinaus schießt.

Roman Signer. Projektionen, Helmhaus, Zürich, 24.10.2008 - 18.1.2009

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Dienstag, 18. November 2008
Kunst Zürich 08


Angenehm unkompliziert kauft man an der Kunst Zürich. Weil Kunst hier wenig kostet - das teuerste Werk war schon für weniger als eine Million Franken zu haben - lehnt man sein Zeug nur an die Wand und pinnt, wenn man den Preis nicht gleich mit Bleistift an die Wand kritzelt, ein Zettelchen dazu. Eine angenehm überschaubare Veranstaltung mit netten Einblicken in die Kojen und der Erkenntnis, dem Dekorativen zu huldigen.

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Dienstag, 24. Juni 2008
Malen mit Licht
Sie stellen sich nachts hin, bauen die Kamera auf und schwingen ein paar Lampen. Na gut, ganz so leicht machen es sich Cenci Goepel und Jens Warnecke nicht. Ihre Lichtpoesie ist gut vorbereitet und genau geplant. Wer denkt, in der Fotografie sei alles ausgereizt und Neues nur noch in der digitalen Dunkelkammer zu bewerkstelligen, sollte bei Lightmark vom Gegenteil überzeugt werden.

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Montag, 18. Februar 2008
Das Universum ist vermessen
Roman Ondak hat das Universum vermessen, jetzt wird das Ergebnis überstrichen. Auch die Aluminiumfigürchen werden eingepackt.



Wochenlang haben sich die Besuchenden der Ausstellung an die Wand gestellt, die Museumsaufsicht ihre Größe messen und ihren Namen neben den Strich schreiben lassen. Menschen von fast überall her. Die leeren Wände wurden fleckig, scheckig und schließlich gestreift. Beinahe unberechenbar, unregelmäßig – durchweg luftig am Anfang und zum Ende hin nur noch an den Rändern –, umkreist das Werk eine andere, ebenso verschmitzte Arbeit: Roman Ondak hat einigen Hundert japanischen Stahlarbeitern eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt und sie gebeten, aus der Folie eine Skulptur zu formen. Die meisten wussten wohl um die Ästhetik des Ikebana und verfügten über falttechnisches Talent. Hübsch sind aber auch die „missglückten“ Werke.

Und für alles, die Idee und das Ergebnis gilt wieder einmal: Großartig ist meistens das Einfache.


Die Ausstellung mit Measuring the Universe, Passage und anderen Arbeiten von Roman Ondak ist vorbei.

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Samstag, 9. Februar 2008
Wieso nur virtuell?
Das sollte doch ins Museum, in kleine kuschelige Bubble-Zellen und in mindestens 500-Quadradtmeter-Räume. Und dann die Leute filmen, womit sie wie die Bläschen ploppen lassen.





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Freitag, 8. Februar 2008
Das Beste lässt sich nicht ausstellen
Trotzdem eindrücklich: China – Facing Reality im Mumok
Jetzt also die dritte Ausstellung mit chinesischer Kunst: Nach Fotografie und einem Überblick der bildenden Kunst der vergangenen Jahrzehnte, ist die Wiener Ausstellung ganz dem zeitgenössischen Kunstschaffen gewidmet. Auch wenn man mitunter auf die üblichen Verdächtigen trifft – an den grinsenden Selbstporträts von Yue Minjun kommt wohl kein Kurator vorbei –, bietet sie eine Menge neuer Eindrücke. (Das liegt hoffentlich nicht nur an meinem schlechten Gedächtnis und meinem Chinakunst-Novizentum.)


Oberflächlich, aber immerhin bunt und wuchtig: Liu
Jianhuas Füllhorn aus dem Billiglohnland.


Manche machen es sich einfach, Liu Jianhua leert aus einem Container billige Massenprodukte in den Raum. Es könnte – aus der Ferne betrachtet – auch der Schlund eines Müllfahrzeugs sein, das den Abfall erbricht. Dann würde der Haufen nur nicht so hübsch glänzen, den Raum mit seinem wenig angenehmen Duft erfüllen, und man würde vielleicht eine Ratte nagen hören und keine tickende Uhr.

Interessanter ist schon die Variation des uns Bekannten zu sehen: Bei den Figuren von Xiang Jing denkt man sofort an Duane Hanson. Doch ihre lebensgroßen Figuren sind nicht nur durch ihre asiatische Anmutung anders. Die aus Polyutheran hergestellten und farbig bemalten Figuren sind nicht so detailgetreu und hyperrealistisch wie die der amerikanischen Popart. Xiang Jing bezeichnet die zwar nicht martialischen, aber alles andere als beschönigend wirkenden Figuren als subjektiv gegenständlich.


Xiang Jing: schlicht drastisch.

Dass sich die chinesischen Kunstschaffenden an vergleichbaren Themen abarbeiten wie ihre westlichen Kollegen, ist auffällig, aber zu erwarten. Dass die Gegenstände und Attribute des Wohlstands nicht in der eigenen Biografie verwurzelt sind, sondern deren Wertigkeit durch die Medienwelten vermittelt werden, wie es zu den Werken von Zeng Hao heißt, haben andere Kulturen nur früher erfahren.
Diese Wiederholung – so wichtig sie für die nationalen Küstler sein mag – macht der Reiz des exotischen erträglich. Und die Vielfalt der Werke lässt über unnötige Arbeiten wie Xu Zhens Shouting (jemand brüllt in öffentlichen Räumen wie der U-Bahn und filmt die Leute, wie sie sich mehr oder – meistens – weniger erschrocken umdrehen) oder Li Huis Skulpturen hinwegblicken.

Eine der schönsten Arbeiten kann ohnehin nur beschrieben werden. Bei eisiger Kälte hat sich Song Dong 1996 am Tian’anmen-Platz 40 Minuten auf den Boden gepresst und durch seinen Atem eine dünne Eisschicht erzeugt. Dafür bin ich zu spät nach China gekommen. Aber vielleicht hätte die Realität der Vorstellung dieses poetischen Kommentars zum immer noch nachwirkenden Vorfall ohnehin nicht standgehalten.

China – Facing Reality, Mumok, 26.10.2007 – 10.2.2008

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