Sonntag, 18. Dezember 2011
Auch ein Kinderbuch: Sebastian Cremers «Auto»
Wir kennen es aus Afrika, wo Not erfinderisch macht: Eine PET-Flasche als Korpus, zwei Stifte durchgesteckt und vier Holzscheiben als Räder dran – fertig ist das Spielzeugauto. Und mit einer Schur zum Hinterherziehen kann man auch richtig Tempo machen.
Solch pfiffige Lösungen, denen wir in armen Ländern immer wieder begegnen, führen uns immer wieder unseren eigenen Mangel vor Augen: Wegen der fehlenden Kreativität müssen wir auf Massenprodukte zurückgreifen. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenners eines großen Publikums hin entwickelt und rigiden Normen ebenso unterworfen wie der effizienten und kostengünstigen Produktion – von Teams, deren Kreativität bereits erschöpft war, nachdem sie den Kreativitätsprozess optimert haben. Kein Wunder, dass die Retortenautos der mit uniformen Spielzeugautos groß gewordenen Entwickler keine Traumautos mehr sind.


Nicht Alu, nicht Plaste: Bast-Auto von Sebastian Cremers.

Der Designer Sebastian Cremers möchte wohl verhindern, dass sein autobegeisterter Dreijähriger dereinst in die Riege des automobilen Durchschnitts untergeht. Er hat für ihn aus Alltagsgegenständen eine Reihe von Küchentisch-Rennern gebaut. Da wird das Streichholzbriefchen zur Renn-Flunder (besser als jeder Lotus Elise), der Sparschäler zum Transportfahrzeug (sparsamer geht es nicht, und was rauskommt wird Biogas), und drei alte Stifte werden zum Raketenfahrzeug. Ob Löffel, Döschen, Wattestäbchen oder Lupe, ob Schlossblende, Küchenwecker oder Knöpfe: Die von Cremers verwendeten Zutaten sind so überraschend wie die Fahrzeuge, die er daraus macht.

«Auto» ist kein Kinderbuch. Es ist für Liebhaber origineller Fahrzeuge und für Erwachsene mit Spieltrieb. Es inspiriert dazu, Dinge neu zu sehen und diese einer neuen Bestimmung zuzuführen. Wenn sie das mit ihrem Nachwuchs machen, ist «Auto» auch ein Buch für Kinder.

Sebastian Cremers: Auto. 65 Seiten, Hermann-Schmidt-Verlag, Mainz 2011, ISBN 978-387439-823-7

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