Freitag, 2. Dezember 2011
Quirliges Klischee der Ostblock-Party
Shantel im Sal in Schaan (FL)
Die mitteleuropäische Faszination für ost- und südosteuropäische Musik reicht lange zurück. Zuletzt aufgelebt ist sie im Sog der Weltmusik, durch die Musiker und Gruppen wie Goran Bregovic, Taraf De Haidouks, Boban Markovic oder Fanfare Ciocarlia bei uns bekannt geworden sind. Sie haben den Weg für Shantel bereitet, der mit seinen Remixen und DJ-Sets vermutlich mehr Hörer erreicht als die durchweg sehr erfolgreichen Originale. Bald schrieb der Musiker aus Frankfurt am Main, dessen Vorfahren aus der Czernowitz in der Bukowina (heute Ukraine) stammen, eigene Stücke in diesem Stil.


Ständig auf Rückmeldung aus dem Publikum erpicht: Stefan Hantel

Auf der Bühne wird Shantels quirlige Musik zum wilden Fest. Sein Balkan-Verschnitt ist dafür gut gemacht und er stellt nicht die Songs in den Vordergrund, sondern das Erlebnis. Wer selbst grölt und stampft, bemängelt nicht, wenn die Bläser den vergleichsweise zarten Klang des Akkordeons verschwinden lassen. Sein Publikum animiert Shantel – von seinen Mitmusikern auch dabei tatkräftig unterstützt – viel öfter als jede Teenie-Band dazu, die Hände hochzureissen, zu hüpfen und mitzusingen. Er tut gut daran. Denn obwohl er sich um differenzierte Musik bemüht, bleibt diese immer wieder auf der Strecke. Insbesondere wenn stimmungsvoller Gesang im Vordergrund steht, fällt die Leistung deutlich ab.


Lieber deutliche Gesten: Mimisch hält sich Shantel normalerweise zurück.

Doch Shantel möchte offenbar gar keine musikalischen Lorbeeren, sondern seine unterhaltenden Lieder druckvoll in den Saal schmettern. Schlichte, treibende Stücke wie "Disko Partizani" – vom Publikum immer wieder skandiert – ist Erkennungsmelodie und Programm. Shantel gibt die Rampensau, geht – wie auch sein Solo-Trompeter – mehrfach ins Publikum und zelebriert das Klischee der ausgelassenen Ostblock-Party, bei der Alkohol in Strömen fliesst: Gegen Ende des Konzerts besprüht er die Besucher aus einer Sektflasche. Ein Verständnis von Spass, welches das Liechtensteiner Publikum mit ihm teilt: Sein zweiter Versuch, die Zuhörer in Sekt zu baden, scheitert an den Bierfontänen, mit denen ihn einige feuchtfröhliche Besucher schon von der ersten Reihe aus gleich wieder auf die Bühne zurücktreiben.


Fete ohne Frauen? Das kann sich Shantel sicher nicht vorstellen.

Doch auch dieser unvorhergesehene Widerstand lässt die Party noch längst nicht eskalieren. Obwohl Shantel und seine Gruppe überaus ausgelassen wirken, haben sie ihr Publikum durchweg im Griff. Und dass es nicht um eine ausufernde Feier geht, sondern um eine bezahlte Pause vom Alltag, wird wenig später klar. Nach dem üblichen Zugabenset ist definitiv Schluss – die Andeutungen des Exzessiven entpuppen sich als simple Party-Simulation. Das ist nicht überraschend, und mehr wird vom Publikum, das eine überraschend grosse Altersspanne aufweist, auch nicht gefordert.

... link (0 Kommentare)   ... comment