Mittwoch, 23. Januar 2008
Jahrmarkt im Museum
Es klackert, brummt und kleckst in der Schirn
Die Frage, was Kunst ist und welche Merkmale ein Werk haben muss, um berechtigt als Kunstwerk bezeichnet zu werden, treibt die Kulturdenker schon lange um. Es ist eine Frage der Zeit. Und natürlich eine der Kreativität. Oder eine der (kollektiven) Vergesslichkeit. Dass man in der durchaus vergnüglichen und anregenden Ausstellung Kunstmaschinen Maschinenkunst eine Antwort darauf bekommt, wie ich es mitunter in Ausstellungsbesprechungen las, stimmt nicht und muss auch nicht sein.
Kunst muss ohnehin keine Fragen stellen und keine Antworten geben. Kunst muss gar nichts, eine Ausstellung fast nichts. Sie sollte anregen, vielleicht auch nur unterhalten. Kunstmaschinen Maschinenkunst macht beides.


So einfach wie anregend: Adam - Pawel Althamers
Plastik, ganz aus Plastik.


So habe ich mich ausreichend an einem Maschinchen vergnügt, mit dem sich Damien Hirst selbst entzaubert. Nicht auf den ersten Blick, aber auf den zweiten: Denn seine Zeichenmaschine ist nichts anderes als eine Jahrmarktstradition längst vergangener Tage. Neben den aktuellen schrillen Rummelplatzmaschinen könnte man mit ihr keinen Staat machen. Allenfalls zum Oktoberfest würde sie noch passen, zwischen dem handbetriebenem Ringelspiel und dem Flohzirkus. Aber erst der Standort Museum macht die mit dieser Maschine gefertigten bunten Blätter zu Kunstwerken.


Der Name ist nicht zwangsläufig Programm: Making
Beautiful Drawings
von Damien Hirst.


Die auf den ersten Blick nur putzig anzusehende Plastikflasche aus Pawel Althamers Extrusion Machine ist da schon viel weniger oberflächlich als es scheint. Die Falsche in Figurenform heißt Adam und zeigt einen nackten, durchschnittlich aussehenden älteren Menschen mit einer blauen Kappe als Verschluss. Das ist mehr als putzig. Denn die Kunststoffspritzstoffmaschine wurde von Pawel Althamers Vater erfunden. Der Sohn hat sie zweckentfremdet. Er stellt damit nicht profane Flaschen her, sondern Plastiken, die seinen nackten Vater, Adam Althamer, zeigen – und schon ist ein weiterer Bezug da, einer zu Menschheitsgeschichte und Autorschaft.

Das Nebeneinander von Mechanik (in den Maschinen von Jean Tinguely, Tim Lewis und Rebecca Horn etwa) und internetbasierten Werken wie Miltos Manetas’ Jackson-Pollock-Klecksprogramm, von Oberflächlichem und Hintersinnigem ist unterhaltsam und anregend. Und das äußerst reduzierte Werk aus zerrinnenden Klecksen, das ich mit Hirsts Jahrmarktsmaschine gemacht habe, erfreut mich – billige Idee hin oder her – immer wieder. Jetzt brauche ich nur noch ein Exemplar des unverkäuflichen Adam. Aber vielleicht würden den meine Dogon-Heiligen gar nicht in ihre Gemeinschaft integrieren wollen?


Kunstmaschinen Maschinenkunst, Schirn, 10.10.2007 - 27.1.2008

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