Sonntag, 14. Oktober 2012
Wechselbad der Stimmungen
Aldona im Kammgarn in Hardt (A)
Großartige Gedichtvertonungen, eine charakteristische Stimme und originelle Arrangements machen Aldonas Musik einzigartig. Auf einige der Klangfarben ihres neuen Albums, das sich nach seinem Erscheinen mehrere Monate in den Top 10 der Weltmusik-Charts hielt, muss sie auf der Bühne verzichten. Doch ihr Quartett ist nicht nur originell besetzt, sondern auch so variabel, dass man die Klänge von Cello und Akkordeon, Geige, Darbuka und Gimbri keineswegs vermisst.
Ein groovender Bass reicht als Rhythmussektion. Eine virile Mandoline, zwischendurch mit Bottleneck oder Bogen gespielt, sorgt im gelegentlichen Wechsel mit einem Banjo für helle Fröhlichkeit. Dazu der weiche Klang der Bassklarinette, eine überwiegend quicklebendige Gitarre und Aldonas unvergleichliche Stimme – mädchenhaft hell und zart, mitunter bloß gehaucht, aber gleichzeitig fest und bestimmt. Sie mischt Juchzer in ihren Gesang und lässt die Möwen davonfliegen. Mit wenigen einfachen Mitteln, einer Rassel und einem Kinderxylophon etwa, setzt Aldona zusätzliche Akzente. Und in einem Stück sorgen die Luftballons für einen Knall, den kein Paukenschlag übertreffen könnte.
Aldona Nowowiejska beschränkt sich im Konzert nicht auf die Lieder, die sie auf ihrem dritten Album „Sonnet“ präsentiert, sondern interpretiert beispielsweise Mari Boine Persens «Gula Gula» – noch eindringlicher und dichter als Mari Boine selbst.




Das Quartett taucht sein Publikum in ein Wechselbad der Gefühle. Da bricht eine ausgelassene Passage, die in einem Film den Höhepunkt einer Roma-Hochzeit trefflich charakterisieren würde, unvermittelt ab, und die wenigen verbleibenden leisen Töne wirken wie das sanfte Klirren der sprichwörtlichen fallenden Nadel. Die poetische Strahlkraft ihrer Lieder – neben eigenen vertont sie Gedichte von polnischen Autoren wie Teresa Ferenc und Konstanty Gałczyński ebenso wie ein ins polnische übertragene Sonnet von William Shakespeare oder – ins Französische übersetzt – Emily Dickinsons «A Murmur In The Trees» – vermittelt sie in kurzen Textauszügen, die sie in gebrochenem Deutsch vom Blatt liest. Das geht nicht immer gut, bleibt oft genug völlig unverständlich. Vielleicht wollen die poetischen Texte die unter den Worten liegenden Geheimnisse nicht ohne Aldonas Gesang preisgeben. Dafür erlebt man so umso mehr die Persönlichkeit der Musikerin, die hierzulande trotz ihres jüngsten Erfolgs noch als Geheimtipp gilt.

Aldonas Tourplan

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Freitag, 12. Oktober 2012
Rockunterhaltung, wie erwartet
Zwei Stunden mit Hubert von Goisern
Hubert von Goisern steht zwar nicht so oft auf dem Siegerpodest wie der Spitzensurfer Kelly Slater, aber auf der Alpenrock-Welle hält sich der österreichische Musiker wie kein Zweiter. Jetzt befindet er sich wieder einmal auf dem perfekten Ritt: Mit «Brenna tuat's guat» hat er einen Nummer-eins-Hit – und toppt damit seinen bislang größten Erfolg, den er vor fast zwanzig Jahren mit seiner Debütsingle «Koa Hiatamadl» erreichte.



Seinen Auftritt kann er gelassen angehen. Es war sicher nicht das erste so gut wie ausverkaufte Konzert dieser Tour, das Hubert von Goisern routiniert und spielfreudig abspult. Das Alpenrock-Konzept, das er für sich erfolgreich adaptiert hat, funktioniert noch immer klaglos. Das Akkordeon sorgt für eine wohldosierte Prise Exotik im Rockquartett, und die schmissigen Melodien werden von der rockigen
Gitarre wiederholt. Innovativ ist das längst nicht mehr, aber Erneuerung ist ja in den seltensten Fällen der Auslöser für Erfolg.
Hubert von Goisern weiß, was sein Publikum will und bietet zwei gute Stunden lang ausgezeichnete Rock-Unterhaltung. Er wechselt die Instrumente – von der Maultrommel zu Akkordeon, Lap Steel, Gitarre, Klarinette und Keyboard – und damit die Klangfarben und Stimmungen seiner Lieder.

Hubert von Goisern ist nicht gekommen, um seine Zuhörer zu überraschen. Er appelliert durchweg an das Vertraute - sowohl bei den Referenzen an die Volksmusik als auch bei den rockigen Einlagen. Und selbst bei der längst im Mainstream angekommenen Vermischung der beiden Genres bleibt er auf der sicheren Seite.
So bleibt Hubert von Goisern auf den ausgetretenen Pfaden und gibt gerade damit seinem Publikum, was es erwartet - und überaus dankbar entgegennimmt. Seine junge Band spielt gediegen, Gitarrist Severin Trogbacher darf sich mit seinen Soli regelmäßig ins Rampenlicht spielen. Nach dem lyrischen Einstieg glänzt das Quartett mit druckvoll gespieltem Rock und Bluesrock, mal funkig, dann wieder mit wuchtigen Slides. Dass ihm der besinnlich-lyrische Teil zu lang gerät, wird ihm verziehen. Dass er für einen Moment wie Ostbahn-Kurti bei einem Springsteen-Cover wirkt, deutet schon die Steherqualitäten des oberösterreichischen Weltenbummlers an: Nach zwei Stunden - einige Zugaben hat er da bereits absolviert – steht er alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne. Sein Publikum ist immer noch gebannt.

Hubert von Goiserns Tourplan.

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Samstag, 29. September 2012
Magische Momente gibt es nicht im Abonnement
Carla Bozulich & Evangelista im Spielboden, Dornbirn (A)
Sie bittet, sie bettelt, sie erklärt, welche Vorzüge es hat, ganz vorne an der Bühne zu stehen. Sie fordert ihren gerechten Anteil, den sie offenbar nicht in der Gage sieht, sondern in der Energie, die ihr das Publikum zurückgibt. Diese Energie komme nicht ins Fließen, sagt Carla Bozulich ein wenig verzweifelt, wenn sie das Publikum nicht sehen könne. Auch ihr Ausflug ins Auditorium – mit einem Liebeslied, das man ergreifender nicht bringen könnte – fruchtet nichts. Die Besucher bleiben hart, der Energiefluss einseitig.


Carla Bozulich mit Kinderspielzeug: Die Amerikanerin ist auch mit konven-
tionellem Avantgarde-Materialien originell.


Bozulich gibt viel mehr als sie bekommt und sorgt mit ihren Evangelistas trotzdem für einige gute Momente. Während der Stücke selbst meist hochkonzentriert, wirkt sie dazwischen fahrig und justiert lange an ihren Effektgeräten, während es ihre Mitmusiker im Hintergrund grummeln lassen. Carla Bozulich und ihre Prediger wirken wie eine Mischung aus Sonic Youth und Patti Smith. Die zwar weniger charismatische Bozulich hat eine vergleichsweise herbe Stimme und mag experimentelle Klänge. Das ist längst nicht mehr neu, aber in der von ihr gebotenen Mischung immer wieder fesselnd.

Fast alle Stücke sind nah am Stillstand, die Musik von Geräuschen dominiert. Melodien bringen nicht Geige und Synthiesizer, sondern allein die Singstimme. Manchmal wird sie vom durchweg monoton gespielten Bass unterstützt. Das Quartett sorgt für einen eigenwilligen Klangraum. Dieser lädt so sehr zum andächtigen Miterleben ein, dass auch die seltenen eruptiven Ausbrüche niemanden dazu bewegen, die Energie in Bewegung umzusetzen.

Carla Bozulich & Evangelista haben das Potenzial, mit vergleichsweise geringen Mitteln und einem verhältnismäßig simplen Konzept magische Momente zu kreieren. Aber auch für sie gibt es das nicht im Abonnement.

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Dienstag, 7. August 2012
Einfache Melodien mit großem Erinnerungswert
Kofelgschroa im Theatron in München
Samstagabend, es ist heiss und ein wenig schwül. Der Trubel um die Freilichtbühne neben der Schwimmhalle im Münchner Olympiapark lässt die Musik zur Nebensache werden. Das ist wohl nur für das Geselligkeit suchende Publikum ein netter Rahmen, aber nicht die beste Voraussetzung für ein Nischenprogramm wie es Kofelgschroa bietet. Andererseits: Spielte das Oberammergauer Quartett zuhause im Wirtshaus auf, würde sich die Lautstärke des Publikums wahrscheinlich auch derjenigen der Band angleichen. Der scheint das ohnehin egal zu sein. Kofelgrschoa wenden sich zwar zwischen den Songs immer wieder ans Publikum, wirken dabei aber eher hilflos.



Dass sie nicht die eloquenten Unterhalter sind, ist leicht zu verschmerzen. Denn ihre Mischung aus Folk- und Volksmusik und ihrer Art, von der Welt zu erzählen, ist eigenständig und originell. In ihren Miniaturen des Alltags erzählen sie von der Sehnsucht nach Urlaub und Zusammensein, vom Kokon eines verliebten Paares oder vom Jungen ohne Spielgefährten. Das machen sie mit einfachen Melodien mit großem Erinnerungswert.
Kofelgschroa haben nicht den reinen Klang erfunden und trumpfen nicht mit Virtuosität auf. Sie stehen auf der Bühne und punkten - fernab von jeder Tümelei und bei aller Originalität - mit angenehmer Bodenständigkeit.

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Samstag, 26. Mai 2012
Spielfreude in Matschepampe
AfroCubism vereinen Erfolg und Niederlage – Konzert im SAL in Schaan (FL)
Besser geht es eigentlich nicht mehr: Auf der Bühne stehen vier der weltbesten Musiker ihres Genres. Der Gitarrist und Sänger Eliades Ochoa, schon seit den 70er-Jahren beim Cuarteto Patria, wurde durch den Buena Vista Social Club weltweit bekannt, Toumani Diabaté wiederum gilt vielen als der weltbeste Kora-Spieler. Bassekou Kouyaté hat nicht nur die Ngoni technisch weiterentwickelt, sondern der malischen Musik eine neue Spielart geschenkt, indem er in seiner Gruppe Ngoni Ba vier in unterschiedlichen Lagen gestimmte Ngonis einsetzt. Der Gitarrist Djelimady Tounkara schliesslich ist ein Haudegen, der schon als junger Gitarrist in das Orchestre National de la République du Mali aufgenommen und dessen Album "Sigui" von Radio BBC 2001 als bestes Weltmusikalbum ausgezeichnet wurde. Unterstützt werden die vier von Mitgliedern aus den Bands von Eliades Ochoa und Bassekou Kouyaté, deren Bühnenpräsenz und Spielfreude durchweg beeindrucken.


Lässig und nonchalant: Eliades Ochoa dirigiert die Truppe wie nebenbei.

Die Gruppe macht schlichtweg mitreissende Musik, bei welcher der kubanische Anteil zwar dominiert, aber sich - zumindest in der Studioeinspielung - äusserst harmonisch mit dem westafrikanischen verbindet. Im Konzert geht es nicht so differenziert zu: Das liegt einerseits am Tontechniker, der vor allem Klangbrei liefert, in dem Toumani Diabatés raffiniert gespielte Kora praktisch völlig untergeht und Eliades Ochoas Gitarre weitgehend schrecklich klingt. Es liegt aber auch an den Musikern: Da klöppelt etwa der Balafon-Spieler Lassana Diabaté das ohnehin kurze Gitarrensolo von Eliades Ochoa munter weg, Djelimady Tounkara spielt sich gelegentlich an den falschen Stellen in den Vordergrund, und Sänger Kasse Mady Diabaté hat immer wieder seine liebe Mühe, von der geballten Ladung seiner energiegeladenen Kollegen nicht weggeblasen zu werden.


An die Wand gespielt: Toumani Diabaté monierte vergeblich die Klangqualität.

Glücklich ist, wer sich von Spielfreude und Lebenslust anstecken lässt, welche die 13-köpfige Gruppe verkörpert und für die sie zu Recht frenetisch bejubelt wird. Wer jedoch ein berauschendes Gesamtkunstwerk erwartet, muss sich mit den immer wieder aufblitzenden Einzelleistungen trösten, mit denen - immerhin - nicht gegeizt wird. Allen voran sind das die Soli von Bassekou Kouyaté und Djelimady Tounkara, dessen klarer und doch warmer Klang den Afropop der Zeit der Unabhängigkeit aufleben lässt. Wer unmittelbar vor Toumani Diabaté steht, kann sich auch an dessem Spiel delektieren. Wer es nicht tut, kann die Aufmerksamkeit auf die immer wieder prickelnden Einwürfe der Band legen oder sich an der ungezwungenen Lässigkeit erfreuen, mit der sich Eliades Ochoa als Patron der Gruppe präsentiert.

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Samstag, 28. April 2012
Vorwärts, Party
Mama Rosin verbreiten gute Laune mit einfacher Musik
Vor anderthalb Jahren hätten sie diesen Auftritt vereinbart, erzählte Robin Girod. Und ihre Freunde in Genf würden sie darum beneiden. Wahrscheinlich war bis zum Moment, als sie entdeckten, dass Liechtenstein doch noch in Europa liegt und man hier sogar eine Abart des Deutschen spricht, der Auftrittsort für das Trio ebenso exotisch wie Macao, dem chinesischen Las Vegas, wo Mama Rosin vor ihrem Ausflug nach Liechtenstein zuletzt aufgetreten sind. Der kurze, niedlich klingende «chinesische Zydeco», den sie von dort mitgebracht haben, war nicht der Rede wert. Umso griffiger war ihre ureigene Mischung aus Two Step, Zydeco und Blues.


Spielfreudig: Robin Girod und Cyril Yeterian (v.l.)

Die Musik von Mama Rosin ist simpel und direkt und hat ein Ziel: gute Laune. Diese verbreiten sie weniger durch Raffinesse als durch die Begeisterung, mit der sie auf der Bühne stehen – und durch die charmante Interaktion mit dem Publikum, die der überaus sympathischen Band das ganze Konzert durchweg außerordentlich wichtig ist. Die Genfer haben sicher schon größere Bühnen gesehen als das Reservepodest im Theater-Foyer, und dürfen doch froh sein, dass sich die kaum 50 Besucher nicht in die Theaterbestuhlung quetschen müssen. Diese sind es sicher auch. Denn auch wenn sie – was völlig überflüssig ist – den Respektsabstand zur Bühne einhalten: die Spielfreude des Trios überträgt sich unmittelbar und kommt auch bei den wenigen langsameren Stücken nicht zum Erliegen, die Mama Rosin nicht so sehr zu liegen scheinen.

Cajun- und Zydeco-Musik ist simpel, mit einfachen Mitteln gemachte, rustikale Gute-Laune-Feierabendmusik. Auch Mama Rosin heben sich nicht durch Raffinesse ab, sondern dadurch, dass es kaum jemanden gibt, der diese Musik hier pflegt. Ihr Ziel, ihrem Publikum einen fluffigen Abend zu bieten, haben sie mit diesem Konzert locker erreicht.

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Freitag, 27. April 2012
Bayrisch, türkisch, jazzig
Die Unterbiberger Hofmusik bringt alles in einen Bläsersatz
Viel eher als die Unterbiberger Hofmusik – die sich in Dirndl und Lederhosen wesentlich konventioneller gibt als sie tatsächlich ist – zeigt ihr ständiger Partner Matthias Schriefl auf den ersten Blick, was von der Gruppe zu erwarten ist: Die Lederhose des Trompeters darf als Bekenntnis zur Tradition gelesen werden. Aber schon das kleingemusterte Hemd mit seinem modisch großen Kragen, seine geckige Brille und der modebewusste Haarschnitt zeigen, dass er in ihr nicht feststeckt. Das untere Drittel mit seinen auffälligen, orangefarbenen Kniestrümpfen, die in mit Alpenblumen bestickten rot-grünen Mokassins eines mittelalterlichen Gauklers stecken, repräsentiert den Freigeist, den burlesken Hofnarr mit seinen entlarvenden Späßen.


Drei von vier Mitgliedern der Familie Himpsl: Xaver Maria, Franz Josef und
Irene Johanna Magdalena (v.l.).


Tradition, Freigeist und Moderne sind die Ingredienzien der Familie Himpsl vulgo Unterbiberger Hofmusik aus dem gleichnamigen Ort bei München, die gemeinsam mit dem furiosen Trompter Matthias Schriefl, dem geschmeidigen Posaunisten Mathias Götz und dem Tubisten Konrad Sepp auf der Bühne sitzt.

Seit Jahren schon sprengt die Gruppe das Genre der Volksmusik, vornehmlich indem sie diese mit einem gehörigen Schuss Jazz versetzt, aber auch mit zum Beispiel lateinamerikanischen Rhythmen. Schon auf ihrem letzten Album «Made In Germany» hat sich ein neuer Weg abgezeichnet, die Adaption und Integration türkischer Musik, die beim aktuellen Programm im Zentrum steht. Da fügt sich der Klang der Rahmentrommel ganz selbstverständlich in den Ton der Bläser, und unversehens wird aus einer schmelzenden orientalischen Melodie ein urbayerisch wirkendes Lied. Auch Polka, Walzer, der auch mal in Richtung Barjazz abschweifen kann, und Tango fügen sich gut in diese Mischung ein.


Himpsl Nummer fünf bereitet sich schon vor: Franz Josef Ferdinand beim
Intermezzo mit Vater und Matthias Schriefl (l.).


Trotz der Hinwendung zur türkischen Musik, kommt die jazzige Note alles andere als zu kurz. Es sind auch die als Solisten oft im Rampenlicht stehenden Matthias Schriefl, der überwiegend exaltiert, furios und effektbetont spielt, und der zurückhaltender agierende Mathias Götz, die immer wieder begeistern. Schriefl ist es auch, der für den Höhepunkt des Abends sorgt – mit einer ungewöhnlichen Interpretation von Duke Ellingtons «Caravan», das er, den Rhythmus mit um die Fußgelenke gebundenen Schellen selbst dazu stampfend, treibend-nervös und mit dreckigem Ton in den Saal schmettert.

Obwohl oft nach einem ähnlichen Muster arrangiert – zwei Trompeten liefern das Intro, zu dem sich nach und nach die weiteren Instrumente gesellen – kommt keine Langeweile auf. Kleinere Schwächen – dass zu Beginn der Tournee mal ein Intro nicht sitzt oder dass in den lyrischen Passagen der türkischen Lieder der Schmelz in der Stimme fehlt, akzeptiert man gerne. Denn auch wenn die raue Stimme von Franz Himpsl nicht so recht zur schwelgerischen oder gar romantischen Melodieführung passen mag, beim Wechsel in den traditionell-bayerischen Stil wirkt sie durchaus wieder passend.

Konzerte: 11.5.2012, Lindberg (Nationalpark Bayerischer Wald), 12.5. Landsberg, 24.5. München, 7.6. Neugablonz, 17.6. Sonnenhausen, 7.7. München, 28.7. Puchheim

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Mittwoch, 7. März 2012
Jodel, Spinnrad, Oud
Opas Diandl bringen neue Südtiroler Volksmusik nach Feldkirch (A)
Das Beste gegen Krankheiten, sagte der offenbar leicht angeschlagene Sänger Markus Prieth vor der letzten Zugabe, das Beste gegen Krankheiten, und eigentlich auch gegen alles sonstige Übel, sei zu musizieren. Nach der anschließenden Aufforderung, auf das noch folgende, nun aber wirklich allerletzte Stück, doch bitte nach Hause zu gehen und dort weiterzusingen, setzten drei der fünf Musiker zu einem stimmungsvollen Jodler an. Singend mischten sie sich ins Publikum, aus dem sich ohne weitere Aufforderung rasch mehr und mehr Stimmen dazugesellten.

Volksmusik ist nicht mehr reine Unterhaltungsmusik. Ursprünglich bei Festen oder zum privaten Vergnügen in der Stube dargeboten, ist sie längst in die Konzertsäle eingezogen. Dort ist auch der Platz für Opas Diandl. Denn so schmissig viele ihrer Lieder sind – das Quintett baut mit Tempowechseln und abrupter Lautstärkeänderung verschmitzte Brüche ein. Das taugt nicht für den Tanzboden. Denn dann folgen etwa auf die Passage im Stil eines mittelalterlichen Bänkelliedes eine brüchig-sanft gezupfte Raffele (ein Vorläufer der Zither) oder ein kontemplativer Dreiklang. Auch beim umgekehrten Weg – dem schlagartigen Wechsel von absolut zurückgenommen Passagen zu schon beinahe lärmig-intensiven – verfehlen Opas Diandl die wohlkalkulierte Wirkung nicht.

Ob Markus Prieth meist etwas fahrige Ansagen kalkuliert sind oder eher unfreiwillig dadaistischen Charakter haben, ist nicht auszumachen. Doch augenscheinlich hat er seine Ansagen nicht vorbereitet, mit seinen erzählerischen Volten überrascht er gelegentlich sogar seine Mitspieler. Prieths fast schon kabarettistisch wirkenden Einlagen sind genauso amüsant wie die Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen für die Musik. So setzen Opas Diandl zur Löffelperkussion eine Kuchenform ein, und schaffen bei einem anderen Stück mit einem Spinnrad die perkussive Grundlage. Dagegen nimmt sich die Kombination von Viola da Gamba und dem noch recht jungen Hang (ein vor gut zehn Jahren in der Schweiz entwickeltes Perkussionsinstrument) schon beinahe konventionell aus. Derlei Kombinationen bringen Opas Diandl nicht nur als Gag, sondern mit dem Willen zum originellen Ausdruck, mit dem sie auch Oud und Rahmentrommel – beide keineswegs so virtuos gespielt wie im Orient – integrieren. Trotz subtiler Töne und ergreifend-sanfter Melodien überzeugen die Südtiroler nicht mit feinsinnigem Spiel, sondern vielmehr mit ihrem beherzten Einsatz.

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Sonntag, 22. Januar 2012
Für Kopf, Bauch und Beine
Mohammad Reza Mortazavi in München
Bei der ersten von vielen Zugaben erlaubt sich der Meister-Perkussionist einen netten Gag. Auf einer Miniatur-Tombak spielt er die Melodie von Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Das ist reizend und verfehlt seine Wirkung nicht. Der Auftakt zu mehreren frenetisch eingeforderten Zugaben ist auch nur ein kurzes, spaßiges und eigentlich auch überflüssiges Intermezzo. Denn nach einer Stunde Trommeln muss Mortazavi nicht mehr beweisen, dass seine Trommeln gleichermaßen Rhythmus- und Melodieinstrument sind. Der in Berlin lebende Iraner ist eine One-Man-Band. Doch während diese sonst mit einer Batterie von Instrumenten behängt sind und dazu mit den Füßen Trommeln und Schellen bedienen, braucht Mortazavi nicht mehr als einen mit Fell bespannten Holzrahmen.


Gefühlvoll und virtuos: Mohammad Reza Mortazavi

Mohammad Reza Mortazavi ist konzentriert, aber durchweg überraschend unangestrengt. Seine Bewegungen sind verblüffend sparsam und nie exaltiert. Alles liegt in den Fingern, nur an wenigen außerordentlich exzessiven Stellen spielt er etwas raumgreifender. Das erklärt noch nicht, warum das Spiel des derzeit wahrscheinlich virtuosesten Rahmentrommelspielers so anziehend ist. Zwar ist es überraschend, zu sehen, wie er gleichzeitig den stupend-virilen Grundrhythmus und melodiöse Passagen spielt. Doch viel wichtiger ist Mortazavis Fähigkeit, die ganze Bandbreite an Gefühlen und Stimmungen auszudrücken. Immer wieder spielt er so verschmitzt, dass aus dem Publikum erfreute Lacher zu hören sind. Als er das erste Mal zur Tombak greift, stelle ich mir vor, dass er einen Tierfilm untermalt, in dem gezeigt wird, wie sich kleine Löwenbabys balgen, und später – längst hat er das Tempo angezogen – das quirlige Treiben auf einer Ameisenstraße. Dann wiederum schabt er mit den Fingernägeln über das Fell. Der kratzige und warm-metallische Klang evoziert industrielle Umgebung, das Zusammenspiel verschiedener Maschinen in einer Fabrikhalle, bis auch hier wieder das Tempo anzieht und die Lokomotive im flotten Lauf davonstampft.

Die Frage, woher Mortazavi seine Melodien und Rhythmen hat, stellt sich nicht. Seine Melodien sind eigen und doch vertraut. Seinen Trommeln entlockt er die bekannten, zur traditionellen Musik passenden Klänge, aber auch harte, knochentrockene Schläge, wie wir sie von manchen Spielarten der elektronischen Tanzmusik kennen. Mohammad Reza Mortazavi kommuniziert nur über seine Musik mit dem Publikum. Auch ohne Ansagen, ohne Geschichten zu erzählen gelingt es ihm – trotz einiger Wiederholungen in seinen Kompositionen – das Publikum durchweg ein seinen Bann zu ziehen. Dass er sich nicht – oder zumindest nicht ausschließlich – als konzertanter Unterhalter sieht, sondern seine Musik auch Ausdruck der Lebensfreude und menschlicher Stimmungen ist, zeigt er mit einer einzigen kurzen Bemerkung. «Ich freue mich, wenn ihr tanzt», fordert er, als einige Besucher ungeachtet der dafür unvorteilhaften Bestuhlung ihrem Bewegungsdrang ausgelassen nachgeben, die Sitzengebliebenen auf. Beide sind auf ihre Rechnung gekommen – denn Mohammad Reza Mortazavi macht mit einfachsten Mitteln Musik, die für Kopf, Bauch und Beine gleichermaßen geeignet ist.

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Freitag, 2. Dezember 2011
Quirliges Klischee der Ostblock-Party
Shantel im Sal in Schaan (FL)
Die mitteleuropäische Faszination für ost- und südosteuropäische Musik reicht lange zurück. Zuletzt aufgelebt ist sie im Sog der Weltmusik, durch die Musiker und Gruppen wie Goran Bregovic, Taraf De Haidouks, Boban Markovic oder Fanfare Ciocarlia bei uns bekannt geworden sind. Sie haben den Weg für Shantel bereitet, der mit seinen Remixen und DJ-Sets vermutlich mehr Hörer erreicht als die durchweg sehr erfolgreichen Originale. Bald schrieb der Musiker aus Frankfurt am Main, dessen Vorfahren aus der Czernowitz in der Bukowina (heute Ukraine) stammen, eigene Stücke in diesem Stil.


Ständig auf Rückmeldung aus dem Publikum erpicht: Stefan Hantel

Auf der Bühne wird Shantels quirlige Musik zum wilden Fest. Sein Balkan-Verschnitt ist dafür gut gemacht und er stellt nicht die Songs in den Vordergrund, sondern das Erlebnis. Wer selbst grölt und stampft, bemängelt nicht, wenn die Bläser den vergleichsweise zarten Klang des Akkordeons verschwinden lassen. Sein Publikum animiert Shantel – von seinen Mitmusikern auch dabei tatkräftig unterstützt – viel öfter als jede Teenie-Band dazu, die Hände hochzureissen, zu hüpfen und mitzusingen. Er tut gut daran. Denn obwohl er sich um differenzierte Musik bemüht, bleibt diese immer wieder auf der Strecke. Insbesondere wenn stimmungsvoller Gesang im Vordergrund steht, fällt die Leistung deutlich ab.


Lieber deutliche Gesten: Mimisch hält sich Shantel normalerweise zurück.

Doch Shantel möchte offenbar gar keine musikalischen Lorbeeren, sondern seine unterhaltenden Lieder druckvoll in den Saal schmettern. Schlichte, treibende Stücke wie "Disko Partizani" – vom Publikum immer wieder skandiert – ist Erkennungsmelodie und Programm. Shantel gibt die Rampensau, geht – wie auch sein Solo-Trompeter – mehrfach ins Publikum und zelebriert das Klischee der ausgelassenen Ostblock-Party, bei der Alkohol in Strömen fliesst: Gegen Ende des Konzerts besprüht er die Besucher aus einer Sektflasche. Ein Verständnis von Spass, welches das Liechtensteiner Publikum mit ihm teilt: Sein zweiter Versuch, die Zuhörer in Sekt zu baden, scheitert an den Bierfontänen, mit denen ihn einige feuchtfröhliche Besucher schon von der ersten Reihe aus gleich wieder auf die Bühne zurücktreiben.


Fete ohne Frauen? Das kann sich Shantel sicher nicht vorstellen.

Doch auch dieser unvorhergesehene Widerstand lässt die Party noch längst nicht eskalieren. Obwohl Shantel und seine Gruppe überaus ausgelassen wirken, haben sie ihr Publikum durchweg im Griff. Und dass es nicht um eine ausufernde Feier geht, sondern um eine bezahlte Pause vom Alltag, wird wenig später klar. Nach dem üblichen Zugabenset ist definitiv Schluss – die Andeutungen des Exzessiven entpuppen sich als simple Party-Simulation. Das ist nicht überraschend, und mehr wird vom Publikum, das eine überraschend grosse Altersspanne aufweist, auch nicht gefordert.

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