Sonntag, 22. Januar 2012
Für Kopf, Bauch und Beine
Mohammad Reza Mortazavi in München
Bei der ersten von vielen Zugaben erlaubt sich der Meister-Perkussionist einen netten Gag. Auf einer Miniatur-Tombak spielt er die Melodie von Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Das ist reizend und verfehlt seine Wirkung nicht. Der Auftakt zu mehreren frenetisch eingeforderten Zugaben ist auch nur ein kurzes, spaßiges und eigentlich auch überflüssiges Intermezzo. Denn nach einer Stunde Trommeln muss Mortazavi nicht mehr beweisen, dass seine Trommeln gleichermaßen Rhythmus- und Melodieinstrument sind. Der in Berlin lebende Iraner ist eine One-Man-Band. Doch während diese sonst mit einer Batterie von Instrumenten behängt sind und dazu mit den Füßen Trommeln und Schellen bedienen, braucht Mortazavi nicht mehr als einen mit Fell bespannten Holzrahmen.


Gefühlvoll und virtuos: Mohammad Reza Mortazavi

Mohammad Reza Mortazavi ist konzentriert, aber durchweg überraschend unangestrengt. Seine Bewegungen sind verblüffend sparsam und nie exaltiert. Alles liegt in den Fingern, nur an wenigen außerordentlich exzessiven Stellen spielt er etwas raumgreifender. Das erklärt noch nicht, warum das Spiel des derzeit wahrscheinlich virtuosesten Rahmentrommelspielers so anziehend ist. Zwar ist es überraschend, zu sehen, wie er gleichzeitig den stupend-virilen Grundrhythmus und melodiöse Passagen spielt. Doch viel wichtiger ist Mortazavis Fähigkeit, die ganze Bandbreite an Gefühlen und Stimmungen auszudrücken. Immer wieder spielt er so verschmitzt, dass aus dem Publikum erfreute Lacher zu hören sind. Als er das erste Mal zur Tombak greift, stelle ich mir vor, dass er einen Tierfilm untermalt, in dem gezeigt wird, wie sich kleine Löwenbabys balgen, und später – längst hat er das Tempo angezogen – das quirlige Treiben auf einer Ameisenstraße. Dann wiederum schabt er mit den Fingernägeln über das Fell. Der kratzige und warm-metallische Klang evoziert industrielle Umgebung, das Zusammenspiel verschiedener Maschinen in einer Fabrikhalle, bis auch hier wieder das Tempo anzieht und die Lokomotive im flotten Lauf davonstampft.

Die Frage, woher Mortazavi seine Melodien und Rhythmen hat, stellt sich nicht. Seine Melodien sind eigen und doch vertraut. Seinen Trommeln entlockt er die bekannten, zur traditionellen Musik passenden Klänge, aber auch harte, knochentrockene Schläge, wie wir sie von manchen Spielarten der elektronischen Tanzmusik kennen. Mohammad Reza Mortazavi kommuniziert nur über seine Musik mit dem Publikum. Auch ohne Ansagen, ohne Geschichten zu erzählen gelingt es ihm – trotz einiger Wiederholungen in seinen Kompositionen – das Publikum durchweg ein seinen Bann zu ziehen. Dass er sich nicht – oder zumindest nicht ausschließlich – als konzertanter Unterhalter sieht, sondern seine Musik auch Ausdruck der Lebensfreude und menschlicher Stimmungen ist, zeigt er mit einer einzigen kurzen Bemerkung. «Ich freue mich, wenn ihr tanzt», fordert er, als einige Besucher ungeachtet der dafür unvorteilhaften Bestuhlung ihrem Bewegungsdrang ausgelassen nachgeben, die Sitzengebliebenen auf. Beide sind auf ihre Rechnung gekommen – denn Mohammad Reza Mortazavi macht mit einfachsten Mitteln Musik, die für Kopf, Bauch und Beine gleichermaßen geeignet ist.

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