Sonntag, 4. November 2007
Keine Provokationen
Mahjong - zeitgenössische chinesische Kunst
Provokation zieht immer - und in totalitären Staaten fällt sie besonders leicht. Da muss man bloß Mao Zedong das Nike-Logo auf die Brust malen oder ihn - mit historischem Bezug, immerhin wurde er als "Mutter der Nation" bezeichnet - mit Brüsten ausstatten. Erst vor kurzem wurden entsprechende Gemälde und Skultpuren aus einer Ausstellung entfernt.


Martialischer Arbeitsplatz: Folterstuhl, Quälstifte und
ein Bildschirm als Guillotine.


In Salzburg gab es diese Gefahr nicht. Denn was die chinesischen Kulturbehörden schocken mag, juckt hier niemanden. Mit einem Folterschreibtisch verbinden wir eher den quälenden Büroalltag als die tatsächliche Gefahr, der sich zum Beispiel chinesische Blogger ausgesetzt sehen. Ob die Urne aus der Han-Zeit, die Ai Weiwei mit dem Coca-Cola-Logo beschriftet hat, in China als Provokation wahrgenommen wurde? Eine einfache Idee, mit der er den Wandel in China kommentiert und reflektiert. Dass sich die chinesischen Kunstschaffenden an den westlichen Marken, in Peking nicht nur in der Paradeeinkaufsstrasse Wangfujing präsent, genauso abarbeiten wie am Großen Vorsitzenden, der in dieser Ausstellung als flotter Jüngling mit Blume im Mund zu sehen ist.


Immer gut für Provokationen: Mao Zedong in einem
Bild des Sozialistischen Realismus (Ausschnitt)


Gleichzeitig sieht man, wie sehr sich China gewandelt hat. Die schlichte Uniform ist in den großen Städten kaum mehr zusehen. Jetzt lassen sich junge Schauspielerinnen von Qi Zhilong in Mao-Kluft abbilden. Damit schließt der Maler ästhetisch an den Sozialistischen Realismus an, der mit einigen - für mich überraschend exquisiten - Werken auch vertreten ist. Die Ausstellung beschränkt sich nicht nur auf die aktuellen Positionen, sondern geht zurück bis in die 1970er Jahre.


Trendig nur in der Kunst: Die Kluft der Werktätigen.

Wer uns verstehen will, muss Literatur lesen und keine Forschungspapiere, sagt die Autorin Gina B. Nahal, eine in den USA lebende Jüdin aus dem Iran. Sie mag recht haben. Ähnliches gilt für die bildende Kunst: Ihre Ausprägung und der Umgang mit ihr verlangt zwar mehr Interpretationsvermögen, lässt aber auch deutliche Rückschlüsse auf die Gesellschaft zu. Ganz einfach feststellen lässt sich das am Stellenwert der Kunst: Je höher der Stellenwert der Kunst ist, desto prosperierender, "entwickelter" ist die Gesellschaft. Belegt wird dies durch den Vergleich von chinesischer und afrikanischer Kunst. (Bildende) Kunst - nach dem westlichen Kunstbegriff - wird erst dann produziert, wenn alle anderen Bedürfnisse ausreichend gedeckt sind. In China hat eine ausreichend große Schicht diese Anforderung überschritten. In Westafrika praktisch niemand. Und die südafrikanische Kunst leidet dementsprechend noch unter der Rassentrennung - es gibt im Verhältnis wohl weit mehr weiße als schwarze Künstler.

Mahjong, Museum der Moderne, Salzburg, 21.7. - 11.11.2007

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