Samstag, 17. März 2007
Sirenengesänge
Die Zimmermänner - Fortpflanzungssupermarkt
Sie waren ein Phänomen der 1980er Jahre: Zu altklugen Texten und Nonsensversen machten die Zimmermänner Musik, die weniger hölzern war als die vergleichbarer NDW-Bands, etwa Palais Schaumburg (an die hier "Ich bin ein Wurm" erinnert). Die Zimmermänner tauchten kurz auf, um dann lange weg zu sein; eine der vielen, und sicher eine der prächtigeren NDW-Sternschnuppen. Bis jetzt waren die Zimmermänner Nostalgie, die man als Zitat und Attitüde bei Peter Licht gut finden kann.

Jetzt sind sie wieder da und knüpfen an, wo sie vor 23 Jahren aufgehört haben. Doch keine Spur von Nostalgie. Natürlich leisten sie sich ihre Ausrutscher, sind Sätze wie "Warum schmust du nie mit meinem Gehirn" blöd. Aber poppige Refrains wie Du bist März und ich September und dein Mai ist mein November versöhnen unverzüglich, laden zum Mitsingen ein. Zudem verbinden die Zimmermänner Pop und Intellekt, zeichnen sie doch mit März/September das sinnige Bild der ungewöhnlichen Beziehung eines alten Mannes zu einer jungen Ausländerin. Die Zimmermänner reimen nur die Eckpunkte, die Geschichte der beiden darf man sich selbst dazu erfinden - und die Moral, wer sie braucht, auch. Mama, Baby, Joe mit den Zeilen Mama feiert arbeitslos in meiner Wohnung/und ich darf die Getränke bezahlen, quasi als Belohnung ist eine kuriose Variante des Generationenkonflikts. Levitenlesen in A-Dur ironisiert Ideale, die noch immer (oder immer wieder) als Schlagworte herumgeistern. Ihren Standpunkt geben die Zimmermänner aber auch hier nicht preis.

Die Zimmermänner wirken jetzt nicht mehr altklug, sondern intellektuell verspielt. Das macht Spaß. Umso mehr, als sie die Texte in Musik verpacken, in der Schlager, Easy Listening, Disco und Elektrobeat anklingen. Der klugen wie leichtfüßigen Umsetzung gelingt es fast über die Qualität der Texte hinwegzutäuschen. Lauft ruhig in den von den Zimmermännern gebauten Hafen ein - aber vergesst nicht, dass hier Sirenen singen.

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