Montag, 11. März 2013
Energie im Multipack
Acoustic Africa: Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso, Manou Gallo im SAL in Schaan (FL)
Nimm drei, bezahle eine – die Reihe "Acoustic Africa" ist eine gute Marketingidee, die drei westafrikanische Popmusikerinnen auf die Bühne bringt.

Es geht schon hinter der Bühne los: Bereits im Off beginnend, spazieren Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso und Manou Gallo – wie drei Frauen auf dem Weg zur Feldarbeit – singend auf die Bühne. Es ist die erste Demonstration von zwei großartigen Stimmen. Die Sängerinnen Dobet Gnahoré und Kareyce Fotso stehen zu Recht im Rampenlicht, während die Bassistin und Gelegenheitsvokalistin Manou Gallo überwiegend im Hintergrund bleibt.


Unterschiedliche Charaktere (v.r.): Dschinn, Diva und resolute Business-Frau

Es sind drei völlig unterschiedliche Charaktere, die sich auf der Bühne treffen. Kareyce Fotso gibt die Diva mit künstlichem Lächeln und Hochsteckfrisur, die exaltierte Dobet Gnahoré wirbelt wie ein wild gewordener Dschinn über die Bühne, und die energische Manou Gallo wirkt wie die moderne energische Geschäftsfrau im europäischen Stil. Die Vielfalt, die diese unterschiedlichen Charaktere versprechen, wird nicht durchweg geboten. Aber man kann sich an ihnen auch während der wenigen eher gleichförmig-treibenden Passagen erfreuen.

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Bass und Human Beatbox: Maou Gallo

Angetrieben wird die Musik der drei Frauen von einem exzellenten Balafon-Spieler, einem gediegenen Schlagzeuger und einem gediegenen Rhythmusgitarristen, der sich seiner Aufgabe als Solist nur mäßig gewachsen zeigt.
Besonders eindrücklich gerät "Mayole", eines der beiden ruhigsten Stücke des Abends, zu denen sich Kareyce Fotso mit einer simpel gezupften Gitarre begleitet. Nach einigen Strophen steigen ihre Mitmusiker ein und treiben das melancholische Lied über Naturzerstörung bis zur kontrollierten Ekstase – und aus der lächelnden Diva wird eine entrückte Schamanin, die völlig in der mitreißenden Musik aufgeht.


Wirbelig: Dobet Gnahoré

Obwohl Manou Gallo als Bassistin meist im Hintergrund bleibt, trägt sie maßgeblich zur Abwechslung bei: Dass sie aus live eingespielten Tönen Loops macht und diese übereinanderschichtet, ist nicht neu. Doch sie bastelt sich ihre eigenen Ein-Ton-Flöten. Dafür leert sie Mini-Schnapsflaschen so lange Schluck um Schluck, bis die Tonhöhe stimmt. Ihre Human Beatbox macht das verblüffende Klangwerk komplett. Sie verweist damit auch darauf, dass zeitgenössische afrikanische Musik längst mehr ist als die Grammy-verdächtige Mischung aus traditioneller Musik mit Pop, sondern dass von Abidjan bis Yaoundé alle Spielarten der Musik gepflegt werden, die nicht beinahe zwangsläufig Assoziationen rückständiger Agrarwirtschaft wecken. Nur dass diese Musik fast ausschließlich für heimisches Publikum gespielt und produziert wird. Dafür ist das Afropop-Angebot schon längst so groß, dass man daraus auch Multipacks schnüren kann.

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Sonntag, 10. März 2013
Friska Viljor - Remember Our Name
Die beiden Gründer von Friska Viljor, Daniel Johansson und Joakim Sveningsson, schauen nicht gerne zurück. Die Trunkenbold-Liebesleid-Phase, in der sie ihr erstes Album einspielten, haben sie längst überwunden. Doch das Image klebt nach wie vor an ihnen. Dabei pflegt das Duo mittlerweile einen gesetzteren Lebenswandel und ist zum Sextett angewachsen. Beides hat auch ihre Musik verändert: Joakim Sveningsson singt mit seiner brüchigen Stimme nicht mehr verschroben-folkigen Lieder, sondern überwiegend konventionelle Popsongs. Seine eigenartige helle Stimme kommt in der üppigen Besetzung kaum noch zur Geltung.

Dabei geben sich Friska Viljor immer wieder Mühe und bringen eine – bei einem Folk-Männerduo eigentlich naheliegende – und durchaus gelungene Reminiszenz an Simon and Garfunkel („I’m Not Done“) und bringen mit „Boom Boom“ sogar eine Elektropop-Nummer. Dass konventionell nicht langweilig sein muss, zeigen sie vor allem mit den letzten beiden Stücken, in „Flageoletten“ und, zumindest in Ansätzen, „Remember My Name“. Diese Bitte soll gerne erhört werden – wenn auch weniger wegen dem aktuellen Album, sondern wegen ihrer früheren Musik. Vielleicht ist ja „Remember Our Name“ nur ein Übergangsalbum, nur ein Abstecherzu einem Aussichtspunkt, von dem der Ausblick dann doch nicht so prächtig war wie erwartet.

Friska Viljor wären nicht die ersten Musiker, die vom Weg abkommen und an Originalität verlieren. Insofern wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn sie auch selbst wieder einmal zurückschauen würden. Sie müssen ja nicht zwangsläufig die Leber strapazieren, sondern können es beim künstlerischen Blick belassen.

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Montag, 4. März 2013
Basketballer auf der Stör
«The Iran Job» – ein Dokumentarfilm über einen außergewöhnlichen Arbeitseinsatz
Der Basketballspieler Kevin Shepperd hat es nicht in die Profi-Liga geschafft und verdingt sich überwiegend im Ausland. Sein letztes Engagement führt ihn zu einem der Erzfeinde der USA: in den Iran. Gemeinsam mit dem zweiten, teuer eingekauften ausländischen Spieler des Teams, soll er den A.S. Shiraz in die Play-offs bringen. Der Club ist eben erst in die zweite Liga aufgestiegen. Shepperd stellt nach dem ersten Spiel ernüchtert fest, dass sein Team auf Amateur-Niveau spielt. Dass ausgerechnet diese Mannschaft als erster Aufsteiger gleich die Play-offs erreichen soll, erscheint alles andere als wahrscheinlich.





Der deutsch-amerikanische Filmemacher Till Schauder verwebt in «The Iran Job» die spannende sportliche Entwicklung des A.S. Shiraz mit dem aufeinanderprallen der unterschiedlichen Kulturen, der persönlichen Entwicklung seines Protagonisten und dem Einblick in den iranischen Alltag. Schauder hatte Glück, weil sich der A.S. Shiraz nach einer äusserst wechselhaften Saison buchstäblich in den letzten Spielsekunden für die Play-offs qualifiziert. Und er hatte noch viel mehr Glück, weil sich Kevin Shepperd mit den drei Physiotherapeutinnen der Mannschaft anfreundet und er so Einblicke in den iranischen Alltag erhält, die anders kaum möglich wären.
Während der iranische Präsident vermeintlichen und tatsächlichen Feinden über die Staatsmedien martialische Botschaften übermittelt und die iranische Führung den zersetzenden Einfluss der westlichen Kultur fürchtet, werden die Iraner im Film so weltoffen und interessiert dargestellt, wie man sie auch bei Reisen durch das Land erlebt.

«The Iran Job» ist in jeder Hinsicht gelungen. Er ist ein spannender Sportfilm, ein gelungenes Porträt des Basketballers Kevin Shepperd und eine Dokumentation über da Leben in Iran – mit seinen lustigen und seinen schlechten Seiten.

Website zum Film

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Sonntag, 3. März 2013
Mehr als Unterhaltung
FisFüz verlieren gegen die Ignoranz
Die Musiker werden dieses Konzert in schlechter Erinnerung behalten: In die Ecke einer gesichtslosen Hotelbar gedrängt, spielen FisFüz gegen eine Masse an, für die sie nichts als Aufputz sind. Die Mehrheit der Gäste möchte den Auftakt der Türkischen Filmfestspiele feiern, sich amüsieren und miteinander unterhalten.
So gut der "Oriental Jazz" des Trios in diese Szene passt - FisFüz sitzen zwischen den Stühlen. Die eigenen Stücke, meist Kompositionen der Klarinettistin Annette Maye, sind für die Festatmosphäre zu ruhig. Die türkischen Volkslieder wiederum, mit denen sie doch einen erklecklichen Teil der Zuhörer zum Mitsingen animieren konnten, bringen sie nicht mitreißend genug.


Gute Töne im unerquicklichen Ambiente: Annette Maye und der Rahmen-
trommler Murat Coscun.


Schon die Besetzung mit Klarinette/Bassklarinette, Oud/Gitarre und Rahmentrommel/Cajon ist ungewöhnlich. Anette Maye und Oudspieler bzw. Gitarrist Gürkan Balkan werfen sich den Melodieball zu, bringen immer wieder zweistimmige Läufe und treten wechselseitig zurück, um sich rhythmisch zu unterstützen. Vor allem Anette Maye besticht immer wieder mit melodiösen Solos, aus denen man gelegentlich auch Klezmer-Anklänge heraushören kann. FisFüz und der interessierte Teil des Publikums hätten einen erquicklicheren Rahmen verdient.

Noch bis 10. März: die Türkischen Filmtage 2013

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Dienstag, 26. Februar 2013
Markus Bundi - Emilies Schweigen
Der Autor als Gerichtsreporter: «Emilies Schweigen» spielt überwiegend im Gerichtssaal. Dort findet ein Indizienprozess statt, der das ganze Land bewegt. 47 Menschen soll die Altenpflegerin Emilie T. umgebracht haben, Dunkelziffer ungewiss. Beweise gibt es keine – kein Gift, keine Spuren, keine Zeugen. Und Emilie schweigt. Auch mit ihrem Pflichtverteidiger spricht sie nicht.
Für den 32-jährigen David Moor, der als Pflichtverteidiger brilliert, wird der Fall zum Karriere-Booster. Er weckt den Sportsgeist des Schachspielers, dem das Schweigen der Angeklagten erlaubt, der Strategie der Anklage ganz nach seinem eigenen Gutdünken Paroli zu bieten. Obwohl die Meinung schon gemacht ist – die Medien verurteilten Emilie T. vorab als Todesengel – gelingt es David Moor, Zug um Zug die Schlussfolgerungen des Staatsanwaltes und des untersuchenden Hauptkommissars zu zerpflücken und die Medien auf seine Linie zu bringen.

Vordergründig schildert Markus Bundi einen besonderen Gerichtsfall. Das macht er spannend, aber das reicht ihm nicht. Denn er erzählt diese Geschichte nicht als allwissender Erzähler und auch nicht aus dem Blickwinkel des unmittelbar am Prozess beteiligten Anwalts David Moor. Erzähler ist vielmehr dessen Freund aus Studienzeiten, der gleich im Prolog zugibt, viele der Informationen nicht aus erster Hand zu haben, sondern aus den Medien. Er sei nicht ein einziges Mal im Gerichtssaal gewesen und würde beispielsweise ausser Acht lassen, dass am Prozess gleich mehrere Richter beteiligt seien. Er wolle den Mechanismus aufzeigen, legt Markus Bundi seinem Erzähler in den Mund, der zum für viele überraschenden Ausgang des Prozesses geführt hätten. Die Medien schlachten jede Wendung im Prozess aus und bestimmen mit ihrer ausufernden Berichterstattung die Sicht auf die Angeklagte und ihre Tat zumindest für die Öffentlichkeit mehr als die Personen, die mit der Aufklärung der Tat beschäftigt sind.
So stellt Markus Bundi in seiner leichtfüssig erzählten Geschichte ganz zwanglos die Frage nach der Rolle der Medien in unserer Gesellschaft und regt zum Nachdenken darüber an, wie sie unsere Wahrnehmung beeinflussen. Auch sie, so die naheliegende Schlussfolgerung, wählen aus den vorhandenen Informationen aus und erzählen uns so eine Geschichte. Und das machen sie, schliesslich möchten sie Aufmerksamkeit erwecken, möglichst spannend. Manche der medial präsentierten Geschichten mögen so rätselhaft sein wie die der bis zum Freispruch schweigenden Emilie T. – so gut erzählt wie «Emilies Schweigen» sind sie meistens nicht.

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