Montag, 18. Februar 2008
Das Universum ist vermessen
Roman Ondak hat das Universum vermessen, jetzt wird das Ergebnis überstrichen. Auch die Aluminiumfigürchen werden eingepackt.



Wochenlang haben sich die Besuchenden der Ausstellung an die Wand gestellt, die Museumsaufsicht ihre Größe messen und ihren Namen neben den Strich schreiben lassen. Menschen von fast überall her. Die leeren Wände wurden fleckig, scheckig und schließlich gestreift. Beinahe unberechenbar, unregelmäßig – durchweg luftig am Anfang und zum Ende hin nur noch an den Rändern –, umkreist das Werk eine andere, ebenso verschmitzte Arbeit: Roman Ondak hat einigen Hundert japanischen Stahlarbeitern eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt und sie gebeten, aus der Folie eine Skulptur zu formen. Die meisten wussten wohl um die Ästhetik des Ikebana und verfügten über falttechnisches Talent. Hübsch sind aber auch die „missglückten“ Werke.

Und für alles, die Idee und das Ergebnis gilt wieder einmal: Großartig ist meistens das Einfache.


Die Ausstellung mit Measuring the Universe, Passage und anderen Arbeiten von Roman Ondak ist vorbei.

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Freitag, 15. Februar 2008
Adrian Weyermann - Wood
Der Mann weiß offensichtlich, dass er auf dem Holzweg ist. Aber wenn die Dinger schon mal im Kasten sind, dann müssen sie auch unter die Leute. Hoffentlich hat er noch einen lukrativen Nebenjob.

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Peter Hein - Geht so. Wegbeschreibungen
Peter Hein ist ein guter Beobachter, der das Gesehene sowie Stimmungen und Befindlichkeiten bildhaft beschreibt und treffsicher formuliert. Das zeigen die Texte seiner Lieder. Seine entbehrlichen Wegbeschreibungen offenbaren diese Fähigkeit jedoch keineswegs.

In seinem ersten Buch versammelt der Fehlfarben-Sänger kurze, tagebuchartige Texte über Städte, die er auf seinen Konzertreisen besucht hat. Die Texte werfen einen persönlichen, meist vom Moment geprägten Blick auf die besuchten Orte. Er trat diese Reisen ohne Vorbereitung an, denn einziges Ziel und Zweck war es, in der betreffenden Stadt ein gutes Konzert zu spielen. Hein nimmt mit, was ihm entgegen fällt: Er stapft durchs Niemandsland in Tuttlingen und durch die Weinreben bei Würzburg, er besucht die Fuggerei in Augsburg, wo er die Spuren Bert Brechts genauso ignoriert wie die moderne Kunst, oder er fährt einfach im Zug den Rhein entlang und beklagt die Zersiedelung und – zum wiederholten Mal – den mangelnden Service der Deutschen Bahn.

Musik und Tourneeleben sind zwar Grundlage und Anlass für dieses Buch, in den Texten aber mitunter nur beiläufige Randerscheinungen. Er erzählt in einem schnoddrig-schlampigen Erzählstil immer aus persönlicher Sicht und gießt seine kurzen Beobachtungen zu allgemeingültigen Aussagen. Doch diese sind weder erhellend, noch bringen sie Erkenntnisgewinn. Peter Hein sagt nichts Neues - auch nicht über die Lächerlichkeit des Kunstbetriebs, den er mit einer Beschreibung eines Documenta-Besuchs aufs Korn zu nehmen versucht. Seine Kritik bleibt durchweg oberflächlich, und seine Sprachschöpfungen wirken nicht lässig, sondern gewollt.

Für den Fan mag es nett sein, von Peter Hein einige Geschichten, Erlebnisse und Ansichten präsentiert zu bekommen. Wer mehr als oberflächlichen Unterhaltungswert erwartet, ist mit den Songtexten besser beraten.

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Dienstag, 12. Februar 2008
Aber die Boggs. Und Boubacar Traoré. Immerhin.
Hat da gerade jemand von Gemeinsamkeiten zwischen Lobi Traoré und den Berliner Philharmonikern gesprochen? Songza hilft dabei herauszufinden, ob etwas dran ist. Die Gemeinsamkeit ist nur, dass beide dort zu finden sind; es gibt also - zugegeben - keine.



Aber wenn jetzt jemand einen Namen in die Runde wirft oder ein Rezensent ein Produkt lobt, kann ich Songza anwerfen und reinhören. Nicht gleich die aktuellen Songs, aber immerhin.

Aber: Von Christina Branco, Nik Bärtsch oder Bassekou Kouyaté gibt es nichts, von Lobi Traoré bloss einen Song und von Amalia Rodriguez nur wenige. Aber die Boggs sind vertreten, sogar mit Songs vom neuen Album. Und Boubacar Traoré. Immerhin.

Besser als Youtube wird Songza nie werden. Das Programm ist nur ein Interface, das Youtube durchsucht und die Songs ohne Bild abspielt. Das ist in der schlechten Auflösung ohnehin meist noch schlimmer als der mp3-Klang aus den Notebooklautsprechern. Songza bietet zudem eine äußerst aufgeräumte Website. Nutzt sie, bis auch sie wegen zu vieler Urheberrechtsverletzungen abgestellt wird.

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Montag, 11. Februar 2008
Heimatklänge
Neubekanntes aus dem Alpenraum
Röcheln und quietschen, gutturaler Kehlkopfgesang und das Pfeifen einer Möwe – so klingt es jetzt im Alpenraum. Die neuen Klänge verdrängen Jodeln und Alphorn nicht, sondern führen den traditionellen Liedern frisches Leben zu. Früher war der Blick über die Grenze ganz normal, wurden Schottische und Mazurken integriert und aufgespielt, doch dann erklärte der Volksmusikverband den Status quo zur Tradition, verhinderte dauerhaft die frischen Triebe und stellte die Volksmusik ins Abseits. Sie wurde diskreditiert, was es auch allen anderen Musikern schwer machte, volksmusikalische Elemente zu integrieren.

Waren es in den 1990er Jahren Jazzmusiker wie Hans Kennel oder der Musik- und Filmproduzent Cyril Schläpfer, so stehen heute Sänger und Sängerinnen wie Erika Stucky und Christian Zehnder im Vordergrund. Stefan Schwietert geht auf ihren und auf den Spuren des aus einer traditionsreichen Volksmusikfamilie stammenden Appenzeller Geigers Arnold Alder der aktuellen, ethnische Strömungen verarbeitenden Schweizer Musik nach. Gleichzeitig liefert er damit drei Beispiele für unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen und Prägungen. Während Arnold Alder, der nach wie vor in seinem heimatlichen Umfeld lebt, sich langsam – vermutlich auch mühsam und gegen Widerstände – abnabeln musste, eröffneten Christian Zehnder ein therapeutischer Zugang und die mongolische Obertonmusik (mit dabei im Film deren Aushängeschild Huun Huur Tu) neue Wege.

Die Musik zum eindrücklichen Film Heimatklänge, er wurde vor kurzem an den Solothurner Filmtagen (I, II) als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet, ist auch ohne die mitunter wunderschönen Bilder ein außerordentliches Klangerlebnis.

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Sonntag, 10. Februar 2008
Egal, vorbei
Der Mann hat eindeutig den falschen Beruf gewählt. Zuckende Bewegungen und wechselnde Lichter sind eben nichts für Epileptiker. Als Autor würde Ian Curtis wahrscheinlich heute noch leben – und vielleicht die Enge des Dorfes und der Konventionen gar nicht spüren. Die haben ihn eingeschnürt, gleichzeitig wollte er nicht ohne sie leben. Der Typ war ein Spießer, unfähig seinen Weg aus der vermeintlichen Idylle zu finden. Hochzeit, Kind, Beamtenjob, aus dem er von seinem Chef gehebelt werden musste, damit er sich auf das konzentriert, was er eigentlich liebt. Vielleicht hätte er einfach noch länger gebraucht, um den Ausgang zu finden, die Tür wirklich hinter sich zuzuschlagen. Doch die Zeit hat er sich nicht mehr gegeben.

Glaubt man dem Film von Anton Corbijn, hat der Joy-Division-Sänger sein Leben und seine Schwierigkeiten ganz offen in seinen Liedern ausgebreitet. Hoffentlich hat der Regisseur da ordentlich geglättet und zurechtgeschraubt. Sonst wäre es nämlich eine Schande – nicht nur für die, die energisch weggeschaut haben müssen, sondern auch für die durchsichtige, unpoetische Transformation von Curtis. Aber die ist kaum vorstellbar.

Egal, vorbei. Der Autor ist tot, aber seine Lieder bleiben. Der Film zelebriert eine schöne Geschichte aus einer eigentümlichen, kalten Welt. Kein Lachen, trist, schwarzweiß. Die Stimmung eher grau. Die Bandmitglieder kommunizieren kaum miteinander, die Beweggründe für einzelne Handlungen werden nicht offensichtlich. Die Geschichte ist da, den Reim darf sich jeder (und jede) selbst darauf machen. Erstklassige Bilder, unprätentiös gespielt, gute Musik sowieso. Das alles hätten wir wahrscheinlich nicht, wenn Ian Curtis den anderen, vielleicht "richtigen" Weg eingeschlagen hätte.

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