Mittwoch, 31. Dezember 2008
Der Schein trügt
Thomas Bernhard im Burgtheater
Des einen Leid: Udo Same muss unters Messer, Martin Schwab und Michael König stellen sich für eine Voraufführung von Der Schein trügtauf die Bühne. Den bepelzten Abonnement-Oldtimern passt das gar nicht. Na den Bernhard kaun ich aba gar net leidn, wird der Kartenkontrolleur im sympathischsten wienerischen Hochdeutsch angepflaumt. Man besucht die Vorstellung trotzdem. Machte man vom Angebot des Kartentauschs gebrauch, könnte man seine liebgewonnenen Vorurteile nicht so einfach bestätigen.
Verständlich: So kurz vor Sylvester und bei der derzeitigen Wirtschaftslage möchte sich der Wiener an sich nicht noch im Spiegel von Thomas Bernhard sehen. Daher wird dem Publikum die Notlösung mit dem Recht der ersten Nacht schmackhaft gemacht – und das Burgtheater muss nicht auf die Einnahmen einer gut besuchten Vorstellung verzichten.

Mich freut’s: den Schwab schon lange nicht mehr gesehen, mit Bernhard schon lange nicht mehr beschäftigt und gute Erinnerungen an die vor vielen Jahren gesehene Inszenierung des Stücks. Und dazu noch die kleine Hoffnung, dass die Wiener böse werden, weil sie zum Bernhard-Stück gezwungen werden. Sie werden nicht böse, nur gelangweilt. Martin Schwab gibt den Karl nicht verbittert, sondern bloß zappelig. Er hampelt sich mit übertriebener Gestik durch eine Inszenierung, die komödiantischen Stellen herausarbeitet und den ganzen bitteren Rest durchlaufen lässt. Mir ist der lange, rund einstündige Monolog von Michael Schwab zu viel. Der Auftritt von Michael König, der seinen Robert ruhig und mit leichter Grimmigkeit anlegt, wird dankbar aufgenommen.

Dass es das Recht der ersten Nacht nicht mehr gibt, ist zu verschmerzen. Dem Bräutigam ist zu wünschen, dass es das Team um Regisseur Nicolas Brieger bis zur Hochzeitsnacht am 3. Januar noch schafft, die Braut gehörig aufzuhübschen.

Bildlegende: Michael König (Robert), © Reinhard Werner, Burgtheater

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