Montag, 1. Dezember 2008
Alpen-Orient-Express mit Panoramafenster
Mercan Dede steht die Freude ins Gesicht geschrieben – und sie steigert sich noch, sobald Christian Zehnder zu seinem wortlosen Gesang anhebt: Dede ist von der Virtuosität und den Klängen begeistert, die der Schweizer in den Saal zaubert. Denn dieser ist eine Klasse für sich. Zehnders ureigene Art des Obertongesangs, die auf europäischen Wurzeln beruht und den er mit alpinen Vokalklängen geschickt kombiniert, macht ihn einzigartig. Und sie bringt auch Dedes Weltmusikvariation noch einen Schritt weiter. Denn das Konzept, mit dem der in Montreal und Istanbul lebende Türke erfolgreich ist, ist simpel: Mercan Dede kombiniert Versatzstücke traditioneller türkischer Musik mit elektronischen Klängen. Das macht er durchaus geschickt und – wenn auch das Grundkonzept für jede ethnische Musik problemlos anwendbar und er darin keineswegs Vorreiter ist – originell.


Live überzeugt Mercan Dede, der sich nicht als reiner Musiker, sondern als Künstler sieht, weniger als seine überaus meisterliche Begleitmannschaft. Er lässt die Elektronik für sich arbeiten, dirigiert die Einsätze und spielt gelegentlich Ney, Tamburin und Schellen. Und er freut sich – mit gutem Grund. Denn auch seine Begleitmusiker sind hervorragend, allen voran der Percussionist Onur Il, dessen gleichermaßen virtuoses wie melodiöses Spiel kaum zu übertreffen ist. Dass der absolut souverän wirkende Kanun-Spieler Hasan Sezer Yilmaz noch am Istanbuler Konservatorium studiert, ist kaum zu glauben. Sein Kanun, eine Form der Zither, stellt die Verbindung zu Balthasar Streiffs Instrumenten des Alpenraums, Alphorn und Büchel, her – ein Brückenschlag, auf den Mercan Dede Secret Tribe und
Stimmhorn
jedoch nicht angewiesen sind.

Mercan Dede Secret Tribe zeigen mit ihrem Set, dass sie ebenso mitreißend wie subtil aufspielen können und die unterschiedlichen Elemente zu einem eigenen Klangwerk amalgamieren. Wirklich einzigartig wird der Abend jedoch durch das Zusammenspiel mit
Stimmhorn
– auch Bläser Balthasar Streiff überzeugt durch originäre Spielweise, am Alphorn genauso wie am Kornett –, durch das Aufeinander-Zugehen und das Sich-aufeinander-Einlassen, durch den Respekt und die offensichtliche Befruchtung. Mitunter legt Mercan Dede nur den elektronischen Bordunton, über dem die anderen Musiker das Thema entwickeln. Oft beginnen sie bedächtig und doch eindringlich, um immer intensiver zu werden und schließlich ein furioses Feuerwerk zu entfachen.

Die Zusammenarbeit von Stimmhorn und Mercan Dede entstand im Zusammenhang mit dem Kulturaustauschprogramm Culturescapes, das seit einigen Jahren Künstler aus unterschiedlichen Ländern in die Schweiz bringt, dieses Jahr aus der Türkei. Mercan Dede, der seinen künstlerischen Ausdruck als in der Tradition des Sufismus gewachsen sieht, nimmt damit auf seine Art auf andere Culturescapes-Veranstaltungen Bezug - die Auseinandersetzungen mit der Sufi-Tradition beim „Kulturtag Sufismus“, der musikalischen Begegnung zwischen Orient und Okzident mit einem Konzert von sufischen Gesängen und Bach-Kantaten und der Zeremonie der drehenden Derwische des Mevlevi-Ordens aus Konya. Mercan Dede greift diese in seinem Programm auf. Gekleidet in ein von den Derwischen inspiriertes Gewand, wirbelt die kanadische Tänzerin Mira Burke in einer eigenen Mischung aus Derwisch- und Ausdruckstanz über die Bühne.
Es ist deutlich zu erkennen, dass die sechs Musiker kein routiniertes Programm abspielen. Doch das Risiko lohnt sich, und wird wiederum vom Publikum mit stehenden Ovationen belohnt.

Weitere Aufführungen: 30.11. Bern, 2.12. Zürich, 3.12. Genf, 4.12. Luzern

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