Dienstag, 3. Februar 2009
Lovebugs - The Highest Heights
Nach Vico Torriani gab es in den 1990er-Jahren wieder Hoffnungen auf einen Schweizer Musikexport: Während Mundartbands wie Züri West oder Patent Ochsner an der Sprachbarriere scheitern, hatte die Lovebugs das grassierende Britpop-Fieber erfasst. Sie trafen den Zeitgeist, den sie schließlich selbst verkörperten, legten einen fulminanten Start hin – und stellten nach einigen Jahren fest, dass für den Welterfolg noch lange nicht reicht, was in der Schweizer Hitparade ganz vorne landet. Der kleine Trost: Der Heimmarkt trägt sie, von den letzten beiden Alben verkauften sie mehr als 40.000 Stück.

Nachdem die Basler für ihre letzten Alben nationale Produzentengrößen verpflichtet hatten, holten sie für "The Highest Heigths" Hilfe aus Irland. Doch auch Richard Rainey, der u.a. für U2 mischt und koproduziert, hat ihnen keinen weltläufigen Sound verpasst. Was vollmundig als Schnittstelle von Pop, Indie, Disco und Rock gepriesen wird, entpuppt sich als überwiegend lärmige Langeweile. Den Bass im Vordergrund der meist treibenden Songs kennt man aus den 1980er-Jahren, aus denen auch die Gitarren-Synthesizer-Kombination und die gelegentlichen Gitarrenklänge à la The Cure oder U2 stammen. Das alles begeistert ebenso wenig wie die zwar mit großer Geste präsentierten, letztlich aber durchschnittlichen Melodien.

Dass das zehnte Album der seit fünfzehn Jahren existierenden Band nicht der große Wurf ist, haben Lovebugs offensichtlich selbst gemerkt und sich für den Eurovision Song Contest beworben. Dass sie den dafür erforderlichen massenkompatibel-frischen Song auf die Bühne bringen, ist nicht zu erwarten. Aber die passend zur Veröffentlichung des Albums lancierte Nachricht, dass sich die Schweizer Jury für sie entschieden habe, und der mit dem Wettbewerb einhergehende Medienrummel werden auch dem Absatz von The Highest Heights gut tun. Für die Band bleibt zu hoffen, dass die künstlerische Niederlage wenigstens zu einem finanziellen Erfolg wird.

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Sonntag, 1. Februar 2009
Various - Obacht! Musik aus Bayern
"Wenn nicht gerade die Biermösl Blosn aufmüpfig-witzige Texte mit Ländlern und Schottischen präsentieren oder Ringsgwandl die Zither auspackt, um die traditionelle Musik zu verballhornen, gilt den meisten Menschen heimische Volksmusik nicht viel.
Volksmusik fristet ein Nischendasein, diskreditiert durch die Blut-und-Boden-Assoziation im Dritten Reich, durch konservative Heimattümelei und wahrscheinlich auch durch die falsche Gleichsetzung von traditioneller Musik mit den in verschiedenen Fernsehsendungen präsentierten volkstümlichen Schlagern.

Wahrscheinlich interessieren sich mehr Menschen für die ethnische Musik anderer Völker (allerdings auch vornehmlich in der für westliche Ohren aufbereiteten Form) als für die traditionelle Musik des Alpenraums. Dass diese trotzdem quicklebendig und vielfältig ist, zeigt die Zusammenstellung "Obacht!": Blasmusik und Jodel, Stubenmusik und Wirtshausdreher geben sich ein fröhliches Stelldichein in Form von Walzer, Zwiefachen, Polkas, Jodel und noch einigen anderen musikalischen Ausdrucksweisen.
Aufgespielt wird nicht konzertant, wie etwa bei den Schweizer Formationen Ils Fränzlis da Tschlin oder Hanneli Musig, sondern kraftvoll, schmissig und mit rauen, aber hörbar geübten Stimmen.

Kurze Texte stellen die Musikerinnen und Musiker vor und sorgen für eine grobe Einordnung in die bayerische Musiklandschaft, weisen auf Besonderheiten etwa der Allgäuer Tradition, der Musik aus der nördlich von München gelegenen Hallertau oder den Egerländer Einflüssen.

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Montag, 12. Januar 2009
Erik Mongrain - Equilibrium
Michael Hedges hat den jungen Kanadier mit seinem innovativen Gitarrenspiel beeindruckt, bei dem die Saiten nicht nur gegriffen und gezupft, sondern mit beiden Händen angeschlagen werden. Erik Mongrain führt auf seine Art das Erbe des früh Verstorbenen fort.

Bei der Tapping-Gitarre werden die Saiten auf dem Griffbrett angeschlagen, die Finger oft beidhändig wie Hämmerchen eingesetzt. Dazu wird gezupft und geschlagen; Mongrain setzt auch gerne Flageolett-Töne ein, trommelt den Rhythmus auf dem Korpus seiner häufig eigenwillig offen gestimmten Gitarre und verwendet dazu auch Effektgeräte. Mitunter ist es kaum zu glauben, dass die variantenreiche Klangfülle von nur einem Gitarristen und ohne Overdubs erzeugt wird. Mongrain ist auch ein hervorragender konventioneller Fingerpicker, doch so eindrucksvoll wie seine Technik sind seine Kompositionen nicht. Erst die Spieltechnik macht die durchaus charmanten Instrumentalstücke attraktiv.

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Montag, 15. Dezember 2008
Coconami - Coconami
Die Verniedlichung der Erwachsenenwelt hat eine neue Spielart: Coconami, eine Japanerin und ein Japaner mit Münchner Wahlheimat, funktionieren nach der Gleichung Coconami = Ukelele · Ramones / (Gstanzl · Kinderlied). Die beiden spielen auf ihren Ukeleles einfache Melodien mit gehauchtem Gesang. Das Duo auf ihren Exoten-Faktor und Lolita-Pop zu reduzieren, wäre trotzdem falsch. Denn Nami Kashiwagi und Mitsuyoshi Miyajima komponieren nicht nur eigene Lieder, sie transponieren auch einige Ramones-Songs in ihre eigene charmant-reduzierte Klangwelt und nehmen brachialen Fetzern wie Blitzkrieg Pop Tempo und Schärfe. Sheena Is A Punkrocker vermittelt das Bild einer ganz und gar heimelig gestimmten Person voller Sehnsucht nach Wärme, während I Wanna Be Your Boyfriend von leisem Begehren bestimmt ist.
Weniger bemerkenswert sind die Eigenkompositionen und die Adaptionen bayerischer Volksmusik. Dass Ferdl Schuster, eigentlich Wirt eines bayerisch-japanischen Lokals in München, zwei Gstanzl sprechsingt, wirkt auf rustikale Art anmutig und sorgt für angenehme Abwechslung.

Nächste Konzerte in München: 17.12.2008 Café Platzhirsch, 20.12.2008 Hausmunik.

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Mittwoch, 10. Dezember 2008
Christian Zehnder - Kraah
Zehnder - KraahNicht die Nachtigall, der Rabe soll der beste Sänger sein - Christian Zehnder hat ihn sich als 'Wappentier' erkoren. Seine Lieder sind auch wortlos. Doch seinen Gesang ist mit dem Krächzen des Raben nicht zu vergleichen. In ihm schwimmt die Urtümlichkeit des untemperierten Naturjodels und die Kunstfertigkeit des Operngesangs gleichermaßen.
Der Schweizer Musiker stellt seine Virtuosität gerne in neue Zusammenhänge. Er entwickelt mit seinem Duo-Partner Balthasar Streiff unter dem Namen Stimmhorn neue alpine Musik, konfrontiert seinen auf europäischer Tradition basierenden Obertongesang mit dem mongolischen der Hun-Huur-Tu und lotete in Kooperation mit Kold (Tomek Kolczynski) die Möglichkeiten der elektronischen Musik aus.

Zehnders Art zu singen funktioniert in allen Zusammenhängen. In einer Art universalem Scatgesang wechselt er vom Jodel zum Obertongesang und singt mal rau, mal opernhaft rein und scheut auch die Nähe zum jazzig angehauchten Pop nicht. Seine Kompositionen sind oft eingängig, aber nie zu glatt. Zehnders Musik weist darüber hinaus mehr Eigenheiten auf als seinen außergewöhnlichen Gesang. Dafür sorgen auch seine phantasievoll-groovigen Begleiter Georg Breinschmid (Bass) und Thomas Weiss (Schlagzeug, Perkussion). Mit dem Geiger Arnold Alder und Anton Bruhin an der (auch elektrischen) Maultrommel sind bei manchen Stücken innovative Volksmusiker dabei, mit Don Li ein Klarinettist mit einer berückend eigenen Klangwelt.

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Donnerstag, 4. Dezember 2008
So weiss - Happiness For A Moment
Hell und luftig wirkt die Musik von So Weiss. Aber anders als High-Key-Fotografen, die für ihre oft flirrenden Bilder nur das helle Spektrum verwenden, verzichtet die in Berlin ansässige Gruppe nicht auf die tiefen Töne. So Weiss reduzieren ihre Arrangements auf das Wesentliche: Stimmen, Bass, Klarinette und Saxofon. Das Trio sing und spielt nicht mehr Töne als unbedingt notwendig. Das ergibt schnörkellosen und trotzdem romantischen Jazz-Pop mit kammermusikalischer Attitüde.

So leise wie das Glück anklopft, sind die meisten ihrer Lieder überwiegend Eigenkompositionen der Klarinettistin, Saxofonistin und Sängerin Susanne Folk, aber auch Vertonungen von Gedichten von W. B. Yeats (1865-1939) oder Sir Tom Wyatt (1503-1542). Kristiina Tuomi changiert gekonnt zwischen einer brüchig-zarten und einer hellen Stimme, die gleichzeitig klar und fest klingt.

So Weiss bringen eigenwillig-eigenständige Lieder zwischen Jazz und Pop. Ihre Besetzung mag zwar unverwechselbar machen, der wahre Wert ihrer Kunst liegt in den Klangfarben, die sie ihrer reduzierten Besetzung entlocken, und ihrem abwechslungsreichen Spiel.

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Samstag, 29. November 2008
Lale Andersen - Wie einst Lili Marleen
Lili Marleen wird immer Lale Andersons Alter Ego bleiben: Die von ihr gesungene Vertonung des Gedichts von Hans Leip wurde als erste deutsche Schallplatte mehr als eine Million Mal verkauft. Aufgenommen 1939, begründete das Lied den Weltruhm der Sängerin. Für viele dürfte es das einzige Lied sein, das sie mit der Sängerin und Schauspielerin aus Bremerhaven in Verbindung bringen. Denn bei ihrem Comeback nach dem zweiten Weltkrieg konnte sie mit ihren jüngeren Konkurrentinnen – Caterina Valente, Lolita, Margot Eskens, Conny Froboess – nur noch schwer mithalten. Die von ihrem Schweizer Ehemann komponierten Lieder sind daran nicht schuldlos. Das Unbekümmerte, Freche und auch Frivole, für das Lale Anderson vor dem Krieg stand, fehlt völlig.

Eine Zusammenstellung ihres Schaffens ist trotzdem gerechtfertigt: Wie einst Lili Marleen versammelt 87 Aufnahmen aus den Jahren 1935 bis 1953, bietet jedoch keinen vollständigen Überblick über diesen Zeitraum. Die Polydor-Einspielungen aus dieser Zeit fehlen leider. Trotzdem gibt es in dieser Sammlung aus Liedern, Chansons, Musik aus Filmen und Lustspielen – eingespielt in den unterschiedlichsten Besetzungen – Einiges zu entdecken, genügend zum Belächeln (oder für die Trash-Party) und natürlich auch Manches zu überspringen. Wie es sich für eine derartige Zusammenstellung gehört, fehlt auch ein ausführliches Booklet mit zahlreichen Bildern und einer Diskographie nicht. Leider verweigert sich die Autorin einer Bewertung der NS-Jahre, in denen Lale Andersen ihre größten Erfolge feierte.

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Mittwoch, 19. November 2008
Corin Curschellas - Grischunit
Das trojanische Pferd ist fertig: Die Graubündner Sängerin hat ihr neues Album in New York eingespielt, um mit bekannten Musikern als Zugpferd – unter anderem ist Marc Ribot dabei – auf die rätoromanische Sprache weltweit aufmerksam zu machen. Das mag ihr gelingen. Doch neue, eigenständige Musik im Spannungsfeld von Großstadt und Ländlichkeit ist ihr nicht gelungen. Vom urban-ruralen Klang einer Mari Boine Persen etwa ist sie weit entfernt.

Corin Curschellas ist unzweifelhaft eine versierte Musikerin. Sie gehörte unter anderem dem Vienna Art Orchestra an, spielte mit Musikern wie Wolfgang Puschnig, Lee Konitz und Phil Minton und beherrscht verschiedene Instrumente. Die Lieder für das neue Album hat sich Corin Curschellas von Bündnern schreiben lassen, zum Beispiel von Linard Bardill und dem Nachwuchsautor Arno Camenisch, oder sie vertont bereits bestehende Gedichte von mitunter Verstorbenen Autoren.

Die neuen Stücke der weltgewandten Musikerin erinnern an italienische Liedermacher. Sie wirken konventionell und der Gesang von Corin Curschellas seelenlos. Das Feuer zwischen ihr, Marc Ribot, der kaum etwas von seinem extravagenten Gitarrenklang beisteuert, und dem Schlagzeuger Matt Johnson wurde nicht entfacht. Das mag zum Konzept gehören und aus der Sicht der Sängerin sinnvoll sein: Wenn man schon in einer für viele unverständlichen Sprache singt, soll wenigstens die Musik einen vertrauten Boden bieten. Das Ergebnis klingt gediegen – mitreißend ist es nicht.

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Samstag, 15. November 2008
La Brass Banda - Habedieehre
Volksmusik ist wieder in -- mit allen Freiheiten. Vermutlich inspiriert durch den weltmusikalischen Stilmix sind auch bei uns jene Zwänge gefallen, die unsere Volksmusik in ein enges Korsett gepresst haben, was vielen die Auseinandersetzung damit verleidet und gleich noch die Sektion der Blechbläser in Misskredit gebracht hat.
La Brass Banda sind -- wie etwa Mnozil Brass -- eine dieser Gruppen, die sich um all das nicht schert und ihre fetzige Dicke-Backen-Musik unbekümmert hinaus schmettert. Das Quintett (drei Bläser, Bass und Schlagzeug) geizt nicht mit Virtuosität und versteht sich auf krachlederne Texte. Ihre bayerische Herkunft ist vor allem in ihrem Gesang zu spüren. Musikalisch haben sich die Chiemgauer eher auf den Balkan ausgerichtet. Das klingt zwar schmissig, aber davon haben wir genügend virtuose Auswahl. Ein bisschen mehr Heimat in der Musik hätte das Vergnügen keineswegs geschmälert.

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Dienstag, 14. Oktober 2008
Kings Of Leon - Only By The Night
Es war klar: Irgendwann würden auch die Gebrüder Followill zum Friseur gehen. Sie haben es getan, bevor die Geheimratsecken zur Schneise auswuchern. Und das ist gut. Dass sie ihre Musik gleich mitgenommen haben, ist schlecht – außer vielleicht für ihre Kasse. Denn was früher angenehm knorrig war, klingt nun glattgehobelt. Es wird nur noch zwei Alben dauern, und sie werden auch noch ihre Lieder mit Schmirgelpapier bearbeitet haben. Willkommen im Mainstream.

Es ist jedoch nicht alles schlecht, was hier auf einen ziemlich langweiligen Auftakt folgt. Die immer wieder leicht knarzige und oft sehnsüchtige Stimme von Caleb Followill ist nach wie vor ein unverwechselbares Markenzeichen der Band – auch wenn das früher gut eingesetzte charmant-wurstige Nuscheln längst einer verständlichen Artikulation gewichen ist. In das schlichte I Want You zieht ein wohlig-düsterer Bass ein, und das treibende Be Somebody weckt Erinnerungen an den New Wave der 1980er.

Der Wandel, den die Kings of Leon mit ihrem 2007 erschienenen Album Because Of The Times eingeläutet haben, ist vollzogen. Das leicht erhitzte Sex On Fire zeigt schon die großen Gesten, kann aber auch Alternative-Liebhaber noch erfreuen. Wer sich jedoch dem Zwang entziehen möchte, sich beim sehnsuchtsvollen Cold Desert an den Partner oder die Partnerin zu kuscheln und das Feuerzeug herausholen zu müssen, darf nicht bis zum Schluss bleiben.

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