Montag, 2. Februar 2009
Klaus Theweleit/Rainer Höltschl - Jimi Hendrix. Eine Biographie
thenoise, 08:59h
Jimi Hendrix feiert keinen runden Geburtstag und auch sein Todestag im Jahr 1970 gibt keinen Anlass zu den obligatorischen Erinnerungen. Wenn also sozusagen 'außer der Reihe' eine Biografie erscheint, muss sie entweder mit neuen Entdeckungen aufwarten oder das Leben des Musikers unter einem völlig neuen Blickwinkel betrachten.
Biographische Neuigkeiten haben der Freiburger Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit und sein Kollege Rainer Höltschl keine zu berichten. Aber ihre psychoanalytische Deutung von Hendrix' Werdegang, die sich überaus leicht und unterhaltsam liest, bietet einen neuen Ansatz. Zwar finden es auch diese Autoren notwendig aufzuzählen, mit welcher Gitarre Jimi Hendrix im Kindesalter zu spielen begann und wie es ihm in Woodstock erging. Aber sie verlieren sich nicht in zu vielen Einzelheiten, sondern breiten sein Leben in einem überschaubaren Detaillierungsgrad aus.
Neben den bekannten Fakten sind es vor allem zwei Punkte, die das Buch besonders und auch besonders lesenswert machen: Es ist dies einerseits die – natürlich rein spekulative – psychoanalytische Deutung der Kindheits- und Jugenderlebnisse, die den Gitarristen zu einem außerordentlich schillernden Innovator machten. Außerdem bringen die Autoren die Theorien des Gehirnforschers und Musiktheoretikers Robert Jourdain und des Psychoanalytikers Thomas Ogden ins Spiel. Jourdain hält es für bewiesen, dass die Schallwellen nicht nur im Gehirn abgespeichert werden, sondern auch die menschlichen Körperzellen verändern. Ogden wiederum spricht von einem so genannten 'analytischen Dritten', der sich als Subjekt der Analyse ergibt. Das gleiche Phänomen machen Theweleit und Höltschl auch beim Musikhören aus: Die Musik trifft auf den Körper, und die dadurch entstehende Resonanz wird zu einem eigenen Körper, zu etwas Neuem, Dritten.
Wie offen Jimi Hendrix war, zeigt nicht nur sein exzessiver Einsatz von Effektgeräten – elektronische Hilfsmittel, die für die Entwicklung seines eigenen Klangs genauso essenziell waren wie seine Spieltechnik. Der Einsatz von Jazz-Akkorden zeigt, dass Jimi Hendrix schon früh die Genre-Grenzen überwunden hatte, er hatte Kontakt zum Art Ensemble of Chicago und plante die Zusammenarbeit mit Miles Davis. Seine eigene Einschätzung, dass man ihn aus dem Weltraum abgesetzt habe, nutzen die Autoren, um Hendrix als Geistesverwandten von Sun Ra zu präsentieren. Der umstrittene Avantgarde-Jazzer behauptete, nicht von der Erde, sondern vom Planeten Saturn abzustammen. Mit Hendrix verbindet ihn, dass beider Musik so neuartig und befremdlich wirkt(e), als ob sie von einem anderen Stern kommen würde.
Die Musik von Jimi Hendrix ist längst angekommen, auch wenn – wie Brian Eno schon 1989 forderte – ihm nicht der Rang eines John Cage zugesprochen wird. Für ihre Biographie haben Klaus Theweleit und Rainer Höltschl zwar keinen radikal neuen Ansatz, aber einen erfrischenden und interessanten Blickwinkel gefunden.
Biographische Neuigkeiten haben der Freiburger Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit und sein Kollege Rainer Höltschl keine zu berichten. Aber ihre psychoanalytische Deutung von Hendrix' Werdegang, die sich überaus leicht und unterhaltsam liest, bietet einen neuen Ansatz. Zwar finden es auch diese Autoren notwendig aufzuzählen, mit welcher Gitarre Jimi Hendrix im Kindesalter zu spielen begann und wie es ihm in Woodstock erging. Aber sie verlieren sich nicht in zu vielen Einzelheiten, sondern breiten sein Leben in einem überschaubaren Detaillierungsgrad aus.
Neben den bekannten Fakten sind es vor allem zwei Punkte, die das Buch besonders und auch besonders lesenswert machen: Es ist dies einerseits die – natürlich rein spekulative – psychoanalytische Deutung der Kindheits- und Jugenderlebnisse, die den Gitarristen zu einem außerordentlich schillernden Innovator machten. Außerdem bringen die Autoren die Theorien des Gehirnforschers und Musiktheoretikers Robert Jourdain und des Psychoanalytikers Thomas Ogden ins Spiel. Jourdain hält es für bewiesen, dass die Schallwellen nicht nur im Gehirn abgespeichert werden, sondern auch die menschlichen Körperzellen verändern. Ogden wiederum spricht von einem so genannten 'analytischen Dritten', der sich als Subjekt der Analyse ergibt. Das gleiche Phänomen machen Theweleit und Höltschl auch beim Musikhören aus: Die Musik trifft auf den Körper, und die dadurch entstehende Resonanz wird zu einem eigenen Körper, zu etwas Neuem, Dritten.
Wie offen Jimi Hendrix war, zeigt nicht nur sein exzessiver Einsatz von Effektgeräten – elektronische Hilfsmittel, die für die Entwicklung seines eigenen Klangs genauso essenziell waren wie seine Spieltechnik. Der Einsatz von Jazz-Akkorden zeigt, dass Jimi Hendrix schon früh die Genre-Grenzen überwunden hatte, er hatte Kontakt zum Art Ensemble of Chicago und plante die Zusammenarbeit mit Miles Davis. Seine eigene Einschätzung, dass man ihn aus dem Weltraum abgesetzt habe, nutzen die Autoren, um Hendrix als Geistesverwandten von Sun Ra zu präsentieren. Der umstrittene Avantgarde-Jazzer behauptete, nicht von der Erde, sondern vom Planeten Saturn abzustammen. Mit Hendrix verbindet ihn, dass beider Musik so neuartig und befremdlich wirkt(e), als ob sie von einem anderen Stern kommen würde.
Die Musik von Jimi Hendrix ist längst angekommen, auch wenn – wie Brian Eno schon 1989 forderte – ihm nicht der Rang eines John Cage zugesprochen wird. Für ihre Biographie haben Klaus Theweleit und Rainer Höltschl zwar keinen radikal neuen Ansatz, aber einen erfrischenden und interessanten Blickwinkel gefunden.
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Donnerstag, 11. September 2008
Sigrid Faltin, Andreas Schäfler - La Paloma. Das Lied.
thenoise, 00:35h
Es gibt Lieder, die sind einfach immer da, tauchen in den ungewöhnlichsten Zusammenhängen und quer über den Erdball verteilt auf. Doch allen Gassenhauern voran steht "La Paloma". Der Münchner Musiker und Komponist Kalle Laar ist dem Lied schon seit Jahren auf der Spur. Die ersten vier Alben seiner bei Trikont erschienen La-Paloma-Sammlung sind das musikalische Herzstück des Buchs "La Paloma. Das Lied", das vergnügliche Geschichten zum erfolgreichsten Lied der Geschichte bringt. Und diese Geschichten zeichnet die gleiche Stärke aus, die Klaus Doldinger dem Lied in seinem Gastbeitrag zuordnet: Sie sind simpel (aber aussagekräftig), signifikant (weil sie das La-Paloma-Universum auf das Wesentliche verdichten) und originär (weil wohl noch niemand die Geschichte des populären Liedes so eingängig und umfassend dargestellt hat).
Die Autoren spüren den Spuren des Komponisten Sebastián de Yradier nach und suchen die Töne quer durch die musikalischen Genres in Pop, Jazz und Klassik – natürlich auf der ganzen Welt, von Hamburg bis Mexiko, vom rumänischen Banat bis nach Hawaii. Ihr Zugang ist so unterschiedlich – von der Sicht des Hamburger Alleinunterhalters über die Geschichte das 'Afghanischen Elvis' Ahmed Zahir bis hin zu den Erlebnissen des Jazzgitarristen Coco Schumann oder Begräbnisritualen –, dass sie wohl selbst jene gerne lesen, für die "La Paloma" bloß das zweitbeste Lied ist. Wen das Lied jedoch wie Stefan Maelck, neben Eugene Chadbourne der dritte Gastautor, seit seiner Jugend begleitet, der (oder die) wird mit großer Wahrscheinlichkeit mehr wissen wollen – und mit diesem Band vortrefflich bedient.
Die Autoren spüren den Spuren des Komponisten Sebastián de Yradier nach und suchen die Töne quer durch die musikalischen Genres in Pop, Jazz und Klassik – natürlich auf der ganzen Welt, von Hamburg bis Mexiko, vom rumänischen Banat bis nach Hawaii. Ihr Zugang ist so unterschiedlich – von der Sicht des Hamburger Alleinunterhalters über die Geschichte das 'Afghanischen Elvis' Ahmed Zahir bis hin zu den Erlebnissen des Jazzgitarristen Coco Schumann oder Begräbnisritualen –, dass sie wohl selbst jene gerne lesen, für die "La Paloma" bloß das zweitbeste Lied ist. Wen das Lied jedoch wie Stefan Maelck, neben Eugene Chadbourne der dritte Gastautor, seit seiner Jugend begleitet, der (oder die) wird mit großer Wahrscheinlichkeit mehr wissen wollen – und mit diesem Band vortrefflich bedient.
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Sonntag, 3. Februar 2008
Thomas Meixner – Afrika. Mit dem Fahrrad unterwegs nach Kapstadt
thenoise, 19:13h
Thomas Meixner hat es eindeutig in den Beinen. Sonst wäre er nicht ein die Welt umrundender Fahrradfahrer geworden, sondern – beispielsweise – Schriftsteller. Dass er dafür kein Talent hat, beweist er in seinem an Oberflächlichkeit kaum zu überbietenden Reisebericht schon auf den ersten Zeilen. Auch beim Lektorat wurde gespart. Dass man seinen schlechten Text nicht neu schreibt, ist verständlich. Doch wenigstens das kleine Publikations-Einmaleins hätte man berücksichtigen können.
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