Mittwoch, 20. März 2013
Von der Folterandrohung bis zur Scheinexekution
«Forced Confessions» – ein Dokumentarfilm von Maziar Bahari
Sie wurden im Mittelalter bei Hexenverbrennungen praktiziert und auch bei den Verhören von Al-Qaida-Terroristen angewendet: mit Hilfe von Folter erzwungene Geständnisse. In Iran gehört dazu auch die öffentliche Erniedrigung der Angeklagten. Ihre Geständnisse werden im Fernsehen ausgestrahlt. Maziar Bahari wurde auch dazu gezwungen. Vermutlich fühlte sich der iranisch-kanadische Journalist sicher, als er 2009 die Wahlen in Iran und die nachfolgenden Proteste für westliche Medien dokumentierte. Doch vermutlich machte ihn gerade das für das Regime interessant: Nach 118 Tagen in Haft bestätigte er mit seinem erzwungenen Geständnis die von den iranischen Machthabern oft angeführte Verschwörung ausländischer Mächte. Um freigelassen zu werden, sagte Maziar Bahari aus, dass er als Spion gearbeitet und illegalen Demonstrationen und Zusammenkünften beigewohnt habe.

Selbst als «poster boy» des Umsturzes missbraucht, zeigt Maziar Bahari in seinem Dokumentarfilm «Forced Confessions» an sechs Beispielen, mit welchen Mitteln – von der Androhung von Gewalt über Einzelhaft bis zu Scheinexekutionen – diese Geständnisse erzwungen werden und zumindest in Ansätzen, welche Spuren sie bei den Betroffenen hinterlassen.
Maziar Bahari reiht die Interviews aneinander. Er liefert zwar unterschiedliche Facetten der Herangehensweise seiner Peiniger und zeigt beispielhaft, wie die einschneidenden Erlebnisse nachwirken. Aber er versäumt es, das Thema in den Gesprächen nach und nach zu vertiefen. Er könne sich jetzt vorstellen, wie sich eine vergewaltigte Frau fühle, sagte beispielsweise der Autor und Herausgeber Faraj Sarkoohi, der seit Ende der 1990er-Jahre im Exil in Frankfurt lebt.


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Montag, 21. Januar 2013
Norbert Wiedmer/Enrique Ros – El Encuentro – Ein Film für Bandoneon und Cello
Gegensätze ziehen sich an: Anja Lechner, 1961 in Kassel geboren, sucht die musikalischen Begegnungen und arbeitet vor allem mit Partnern aus anderen Ländern. Sie spielt im Tarkovsky Quartet des französischen Pianisten François Couturier, interpretiert in Jerewan Kompositionen des armenischen Komponisten Tigran Mansurjan, spielt mit den Russen Misha Alperin und Arkady Shilkloper und seit einigen Jahren mit dem bald 80-jährigen Argentinier Dino Saluzzi. Der wiederum bewegt sich gerne im vertrauten Kreis und kommt – obwohl er seit vielen Jahren mit Musikern wie dem vor kurzem verstorbenen Schweizer Jazzpianist George Gruntz zusammenspielt – immer wieder an den Ausgangspunkt seiner musikalischen Reise, in die Provinz Salta im Nordwesten Argentiniens, zurück.

«El Encuentro» ist Anja Lechner und Dino Saluzzi gewidmet, die 2007 ihr erstes gemeinsames Album, Ojos Negros, veröffentlicht haben. Die Klänge von Bandoneon, insbesondere dessen tiefe Register, und Cello würden ungemein gut zusammenpassen, sagt Dino Saluzzi im Film – gleich und gleich gesellt sich aller Unterschiede zum Trotz recht gern.
Norbert Wiedmer und Enrique Ros zeigen den jeweils individuellen Hintergrund und auch die gemeinsame Arbeit. Sie folgen den beiden Musikern erst getrennt – etwa Anja Lechner nach Armenien und Dino Saluzzi in die Schweiz –, zeigen erst den persönlichen Werdegang und dann ihre gemeinsamen Arbeit in Argentinien. Der Film zeigt die beiden in Proben und Konzerten mit musikalischen Partnern wie dem Komponisten Tigran Mansurian, oder dem Saxophonisten Dino Saluzzi, er bietet Interviewpassagen und auch private Momente. «El Encuentro» zeigt als konventioneller, aber gut gemachter Dokumentarfilm, wie die beiden so unterschiedlichen Protagonisten ihren gemeinsamen musikalischen Ausdruck finden.

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Samstag, 21. April 2012
Vorwiegend sonnig
Die Muotathaler «Wätterschmöcker» wissen wie der Sommer wird
Natürlich geben sie nicht preis, warum sie das Wetter besser vorhersagen können als «die z'Züri» mit all ihren Computern. Damit würden sich die Muotathaler Wetterpropheten gewissermassen ein Eigentor schiessen. Denn jedes Jahr bewertet eine Jury des Meteorologischen Vereins Innerschwyz die Konkurrenten.
Der eine schaut auf die Ameisen, der andere auf die Tannenzapfen und ein anderer beschwert sich vorwiegend, dass seine Prognosen von den Bauern im Tal nicht ernst genommen werden. Alle gemeinsam, aber das ist nicht Thema des Films, hoffen sie mit ihren Prognosen den Wanderpokal mit nach Hause nehmen zu dürfen.


Gruppenbild vor dem Gewitter: Benny Wagner (2.v.l.) gibt seine Prognosen nur
noch den Besuchern seiner Almhütte. © Andreas Roovers


Wie zutreffend die Prognosen der Muotataler Wetterschmöcker sind, verrät der Film von Thomas Horat nicht. Doch darauf kommt es nicht an. Eingebettet in den Jahresverlauf und die traditionellen Feste, präsentiert der Innerschweizer Dokumentarfilmer in überwiegend schönen Bildern Menschen mit Fertigkeiten, die den meisten abgehen. Als Bauern, Holzer und anderen von der Natur bestimmten Berufen sind sie darauf angewiesen, die Naturbeobachtung zu kultivieren. Daraus einen Wettbewerb – und mit der halbjährlichen Verleihung des Wanderpokals einen Event zu kreieren – zeigt, dass die durchaus auch kurios anmutenden Traditionalisten nicht von gestern sind.

Thomas Horat nimmt die Rolle des neutralen Beobachters ein er fragt seine Protagonisten, aber er hinterfragt nicht. Vorlagen dafür hätten ihm die Wetterpropheten durchaus gegeben – etwa mit ihrem Kommentaren zur Klimaerwärmung. So plätschert der Film nett vor sich hin, nicht Konzeption und Umsetzung, sondern alleine das Thema hat dafür – durchaus zu Recht – gesorgt, dass der 2010 veröffentlichte Film gebührend beachtet wurde und auch auf Festivals gezeigt wurde, zuletzt Environmental Film Festival» in Washington DC.

Jetzt ist «Wätterschmöcker» beim Filmemacher auf DVD erhältlich. Wohlweislich mit Untertitel, denn der Muotathaler Dialekt ist selbst für manchen Schweizer nicht ganz einfach zu verstehen. Ebenso erhältlich: die von den Hujässlern, eine der profiliertesten Schweizer Volksmusikgruppen, eingespielte Filmmusik.">

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Dienstag, 29. November 2011
Mit wenigen Worten viel erzählt
Porträt der Münchner Plattenfirma ECM, einiger ihrer Künstler und ihres Produzenten Manfred Eicher
Jedes musikalische Genre hat seine stilbildenden Plattenlabel. So wie Motown Records für Detroit-Soul und Star Records für Rock'n'Roll stehen, prägt ECM den Jazz und mittlerweile wenigstens teilweise auch moderne Klassik und grenzüberschreitende Musik.
Seit 1969 steht Label-Gründer Manfred Eicher mit seiner Edition of Contemporary Music (ECM) für ein klares und transparentes Klangbild und vereinigt Künstler, die zu den besten und originellsten ihres Fachs zählen: Pianisten wie Keith Jarrett und Nik Bärtsch, experimentelle Sängerinnen wie Meredith Monk und Sidsel Endresen, den Oud-Spieler Anouar Brahem, den Bandeonisten Dino Saluzzi oder die Cellistin Anja Lechner.

Der Dokumentarfilm «Sounds and Silence», 2009 veröffentlicht und jetzt auf DVD erschienen, changiert zwischen atmosphärischem Roadmovie, Künstler- und Labelporträt. Anders als man vermuten würde, steht Labelgründer Manfred Eicher eher im Hintergrund, vermitteln die Schweizer Filmemacher Peter Guyer und Norbert Wiedmer seine Einstellung überwiegend indirekt und zeigen in langen Einstellungen den Entstehungsprozess von Werken von Arvo Pärt, Eleni Karaindrou, Anouar Brahem, Marylin Mazur und anderen. Manfred Eicher ist überwiegend stiller Beobachter und greift immer wieder mit präzisen Klangvorstellungen ein.

«Sounds and Silence» ist ein ruhiger Film, der in seiner Ästhetik auch das Erscheinungsbild der originellen ECM-Plattencover aufgreift, und an dessen Ende man über die beispielhaft präsentierten Künstler mehr zu wissen meint, als über sein eigentliches Objekt, das Label ECM und seinen Gründer und Produzenten Manfred Eicher. Das Atmosphärische ist durchweg so stark, dass man auf den ersten Blick meint, es würden doch nur wenige Inhalte vermittelt. Tatsächlich sind die Interviews nur kurz. Es wird vergleichsweise wenig gesprochen, aber vieles gezeigt und damit doch auch viel ausgedrückt – ein eigentlich poetischer Ansatz.

Der gleichnamige Soundtrack zum Film ist ein interessanter Einstieg in die Welt von ECM. Er stellt zum Teil andere als die im Film präsentierten Musiker vor und ist daher eine willkommene Ergänzung.

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Sonntag, 20. Februar 2011
Emotion statt Information: «The Green Wave»
Ali Samadi Ahadi rüttelt auf, statt Hintergrund zu liefern
Ali Samadi Ahadi steht - von «uns» aus gesehen - auf der richtigen Seite. Daher muss er sich bei der Vorabpräsentation seines Films «The Green Wave» im Münchner Arri-Kino keine kritischen Fragen gefallen lassen und auch die Arbeit zu seinem Film nicht erklären. Die Fragen drehen sich vor allem um die aktuelle Lage in den muslimischen Ländern.


Ali Samadi Ahadi beim «Best.Doks»-Auftakt: gefeiert statt hinterfragt.

Ali Samadi Ahadis Film ist zweifellos bewegend. Aber neben einigen handwerklichen Mängeln (so gibt es keine Hintergrundinformationen zu seinen Gesprächspartnern und dass diese alle im Exil leben, entdeckt man erst im Lauf des Films) ist «The Green Wave» kaum mehr als ein Film gegen die iranische Regierung. Ein solcher mag notwendig sein. Ich hätte mir eine differenziertere Betrachtung gewünscht und einen Gutteil der gebotenen Emotion gerne gegen mehr Information und Analyse getauscht. Ahadis Haltung mag zwar vielen Gutmenschen wichtig sein, aber die Emotionen werden durch während oder nach den Demonstrationen eingestellten Bildern und Filmen auf Internetplattformen und durch die aktuelle Medienberichterstattung zur Genüge vermittelt.
Immerhin: Wer es nicht vorher wusste, erfährt, wie stark und energiegeladen die «Grüne Bewegung» vor den Wahlen war und welch brutale Wandlung die iranischen Führer vollzogen haben.
Dennoch: Selbst wenn der Film durch die aktuellen Proteste in Iran brandaktuell wirkt, ist «The Green Wave» eine Rückschau und liefert weder für die Proteste des Jahres 2009 und schon gar nicht für die aktuellen fundierte Erklärungen oder Hintergrundinformationen.

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