Sonntag, 25. April 2010
Wir fangen dann schon mal an
40 Jahre Embryo - ausufernd entspanntes Jubiläumskonzert mit vielen Gästen
Als Embryo-Gründer Christian Burchard in den 1970er-Jahren Stücke mit ungeraden Rhythmen komponierte und statt ausschließlich fetzig-elektrifizierte Musik Vibraphon und Oud als ein akustisches Duo einführte, wurde das nicht nur vom Publikum abgelehnt. Seine exotischen Vorlieben stießen sogar bei seinen Mitmusikern auf Widerstand. Die Zeiten haben sich gründlich geändert. Die Vermischung musikalischer Kulturen ist weitgehend alltäglich, und dass Embryo ihr Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen mit afghanischen Ragas eröffnen, wird begeistert aufgenommen, der helle Klang der afghanischen Laute Rubab begrüsst. Ihre Kombination mit Marimba und Vibraphon ist ebenso selbstverständlich wie der Wechsel zur chinesischen Mundorgel Sheng und der zweisaitigen Erhu.


Heute wie damals: Christian Burchard lässt seinen Musikern
weitgehend Gestaltungsfreiheit


Auf der Bühne herrscht ein beständiges Kommen und Gehen, die Zahl der Mitspieler wächst den ganzen Abend über. «Wir haben keinen Chef», sagt Christian Burchard, der - wen auch nur gelegentlich - immer wieder die Rolle des Bandleaders übernimmt. «Wir fangen schon mal an», verkündet er mehrfach, wenn ein Musiker nicht auffindbar, weil an der Bar ist oder mit seiner Familie plaudert und für den Auftritt erst das Instrument holen muss. Und irgendwann - man hat ihn gar nicht mehr vermisst, weil Christian Burchard furios über die Platten des Vibraphons fegt - ist der Vermisste plötzlich da und sorgt für eine neue Klangfarbe.


Die nächste Generation:
Marja Burchard an Marimba und Keyboards


Das ist sympathisch unorganisiert, verursacht mitunter nicht unangenehme Pausen zwischen den Stücken und sorgt während des Spiels für Überraschungen, wenn sich plötzlich die Bläsergruppe während des Gitarrensolos warm spielt und den Gitarristen langsam in den Hintergrund schiebt. Burchard fordert seine Mitmusiker kaum zu Solos auf. Da kommt es schon vor, dass sich die Band begeistert dem Tutti hingibt und erst nach einigen Takten merkt, dass sich die Gitarre schon zum Soloausflug verabschiedet hat.


Einer der vielen Gäste: Wolfgang Schlick, Vorsitzender
der Münchner Express Brass Band


Embryo & Gäste spielen Eigenkompositionen (auch alte Stücke wie das bereits 1967 mit dem Wal Maldron Quartet eingespielte «Marokko»), afghanische Ragas oder Adaptionen von traditionellen Stücken aus Marokko oder Ägypten. Die altgedienten Musiker halten die Stücke zusammen. Der Nachwuchs - neben Burchards Tochter ein zweiter Gitarrist und Oud-Spieler sowie ein jugendlicher Perkussionist an der Djembé - holt sich keine Meriten und stürzt bei Mal Waldrons «All alone», das ganz offensichtlich den wenigsten Musikern bekannt war, vollends ab. Doch es ist der einzige wirkliche Tiefpunkt auf der riskanten Reise, zu der Embryo ihr Publikum mitnehmen. Beherrscht wird sie von ausgeprägter Spielfreude, virtuosen Improvisationskünstlern und einer entspannten Atmosphäre, wie man sie nur von Marihuana- und LSD-geschwängerten Konzerten der 1960er-Jahre kennt.

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