Sonntag, 15. Juli 2018
Dobet Gnahoré – Miziki
Ihr Auftreten im Domina-Dress führt in die Irre. Denn nach dem poppigen, aber keineswegs herrischem Start schlägt die seit mehr als zwanzig Jahren in Frankreich lebende Dobet Gnahoré aus Côte d’Ivoire durchaus auch sanftere Töne an. Dafür steht das Energiebündel, das sie auf der Bühne darstellt, bislang nicht. Ebenso wenig für die elektronischen Klänge, die das Album prägen. Beides lässt man sich nur zu gerne gefallen. Denn Produzent Nicolas Repac sorgt für die angenehme Verschmelzung von Elektronik mit akustischen Instrumenten wie Gitarre und Balafon.

Mit ihrem neuen Album «Miziki» (in ihrer Muttersprache Bété heißt das schlichtweg Musik) zeigt Dobet Gnahoré, dass sie der Heimat verbunden, aber schon lang genug in Europa ist, um musikalische Einflüsse beider Regionen überzeugend zu verbinden.
Die neuen Stücke sind mal tanzbar («Djoli«, «Miziki»), mal von angenehm nervöser Fiebrigkeit («Education»). Sie sind aber auch äußerst besinnlich («Afrika», «Love») oder schlichtweg schön («Détenon», «Le Monde»), mit sanften Melodien und eingängigem Chorgesang. Aber es sind nicht nur die unterschiedlichen Charaktere der Songs, die das Album abwechslungsreich machen. So mancher Song bietet eine eigene Volte, die Arrangements sind durchweg äußerst geschmackvoll und gesanglich zeigt sich Dobet Gnahoré gleichermaßen einfühlsam und kraftvoll.

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Donnerstag, 12. Juli 2018
Such dir einen sonnigen Schattenplatz, ...
... alles was du weißt, passt in einen Satz.
Aber den hast du vergessen und dein Kopf ist leer,
du bist alt und weise und du weißt nichts mehr.

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Montag, 9. Juli 2018
Reverend Beat-Man – Blues Trash
Es ist eine kuriose Mischung: Reverend Beat-Man ist ausgewiesener Meister des Trash, seine Mitstreiter dagegen höheren künstlerischen Ansprüchen verpflichtet/mit akademischen Weihen ausgestattet: Julian Sartorius spielte als einer der angesagtesten Jungtrommler von Pop bis Jazz mit Sophie Hunger, Co Streiff und Bruno Spoerri. Der hier Gitarre spielende Akkordeonist Mario Batkovic hat schon vor seinem Musikstudium Hörbücher für Kinder vertont, mit Geoff Barrow von Portishead gespielt und auch Filmmusik geschrieben, von eigenen Projekten ganz abgesehen. Auch Resli Burri, knapp zehn Jahre älter als Reverend Beat-Man, hat als ehemaliges Mitglied von Patent Ochsner und Aufträgen für Film und Theater seine Meriten in der anerkannten, anspruchsvollen Pop-Unterhaltung und im Kunstbereich.

Wie passt das zusammen? Schielt Reverend Beat-Man auf einen Scheck aus der Kunstwelt? Wollten die anderen einfach einmal die Sau rauslassen? Oder hatten sie bloß Zeit und haben das auf der Straße liegende Kleingeld mitgenommen?
Um wenigstens die erste Frage zu beantworten: Es passt ausgezeichnet zusammen. Die Kollegen spielen den Bildungsvorsprung nicht wirklich aus, daher bleibt musikalisch letztlich alles beim Alten. Reverend Beat-Man knurrt wie immer zu Liedern mit Schauerroman-Stimmung, etwa bei «Lass uns Liebe machen», das einem Dead-Brothers-Stück zum Verwechseln ähnlich ist. «Love is Simply A Dream» und «Then We All Gonna Die» wiederum würden gut zu einem Western-Noir-Roman im Stil eines Bruce Holbert passen, dessen Sheriff Russel Strawl in «Einsame Tiere» genauso Outcast ist wie die von ihm Gejagten. Und zwischendurch freut man sich, die angenehme Stimme von Nicole Izobel Garcia zu hören, seiner Partnerin bei Live-Auftritten – eine seltene und daher umso angenehmere Abwechslung von Düsternis und Missbehagen, die Reverend Beat-Man gekonnt verbreitet.

Reverend Beat-Man bleibt also Reverend Beat-Man und liefert wie gewohnt Shabby-Schick. Auch wenn seine Mitstreiter diesen Stil zumindest an den noch nicht ganz verrosteten Stellen etwas blankpoliert haben, ändert das nicht wirklich viel. Wobei das Ergebnis immer noch besser ist als die gleichnamigen Schrottmöbel – mit beidem möchte man sich nicht dauerhaft ausstatten.

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Freitag, 29. Juni 2018
Wolfgang Herrndorf/Sandra Hüller – Bilder deiner großen Liebe
In seinem Coming-of-Age-Roman «Tschick» hat Wolfgang Herrndorf der 14-jährigen Streunerin Isa, verwahrlost und obdachlos, eine – wenn auch wichtige – Nebenrolle zugedacht. Anders als ursprünglich geplant, hat der früh verstorbene Autor dem so selbstsicheren wie flegelhaften Mädchen später einen eigenen Roman gewidmet. «Bilder deiner großen Liebe» blieb unvollendet und ist posthum als Fragment erschienen.

Isa nutzt die Gunst des offenen Tores und verschwindet hinter einem Lieferwagen aus der psychiatrischen Anstalt. Sie schläft tagsüber und wandert nachts durch Wiesen und Wälder, sie hungert, durchsucht unter den angewiderten Blicken der Hausbesitzer Mülltonnen nach Essbarem, sie erzählt von Begegnungen und Erinnerungen, sie sinniert über das Leben, tagträumt und erfindet phantastische Geschichten. Und natürlich – es ist die einzige schwache Passage, weil die beiden Musiker als Sprecher mit der Performance von Sandra Hüller nicht im geringsten mithalten können – trifft sie Tschick und Maik.

Die für die Bühne gemachte Interpretation des Werks (die nebenbei bemerkt, nicht überall gut ankam), ist von derart enormer Wucht und Intensität, dass sie auch ohne visuelle Eindrücke ein Ereignis ist. 71 Minuten lang flüstert, singt und wütet eine fulminante Sandra Hüller Isas Erfahrungen, Gedanken, Selbstzweifel und Einsichten in die Welt.
Die Schauspielerin gibt dabei auch eine veritable Sängerin ab. Ihre Mitstreiter, die Multi-Instrumentalisten Sandro Tajouri und Moritz Bossmann, sorgen für die Filmmusik. Dabei beschränken sie sich nicht darauf, den Text zu untermalen, sondern illustrieren und verstärken ihn von subtil bis ungemein packend.

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Sonntag, 24. Juni 2018
Shirin Neshat – Auf der Suche nach Oum Kulthum
Verrannt: das Drehbuch als Prophezeiung
Den Einstieg kann man noch spannend finden: Die erwachsene Oum Kulthum (Naijia Skalli), auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit, steigt die Treppe hoch, gefolgt von der iranischen Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian), die einen Film über sie drehen möchte. In einem der oberen Räume trifft Oum Kulthum auf sich selbst als Kind (Nour Kamar). Als die Kleine durch das zwischen den Gardinen hindurchstrahlende gleißende Licht steigt, folgt ihr Mitra in die Zeit von Oum Kulthums Kindheit – sinnfällig umgesetzt in romantisierenden Szenen und Schwarzweißaufnahmen, vielleicht als Erinnerung, dass es den Farbfilm zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht gab.

Mitra – die als Alter Ego der iranischstämmigen Shirin Neshat gesehen werden darf – vergaloppiert sich, weil sie ihre eigenen Probleme in ihre Protagonistin projiziert. Die Hinweise ihrer beiden Hauptdarsteller Ghada (Yasmin Raeis, die Oum Kulthum im Film des Films verkörpert) und Ahmad (Kais Nashif), der deswegen den Job hinschmeißt und das Set verlässt, ignoriert Mitra. Als sie endlich merkt, wie sehr sie sich verrannt hat, steuert sie mit Wucht in die Gegenrichtung – die plötzlichen Änderungen erbosen ihren Produzenten und am Ende ist alles noch schlimmer.

Das Drehbuch wirkt wie eine Prophezeiung: Shirin Neshat scheitert genauso wie die Regisseurin in ihrem Film. Außer ein paar spärlich gesäten eindrucksvollen Bildern und Szenen begeistern in „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ nur die Passagen, in denen die Kunst der „ägyptischen Callas“ zelebriert wird. Für diese Momente ungeteilter Freude muss man jedoch lange Durststrecken in Kauf nehmen.

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