... newer stories
Samstag, 26. Mai 2018
Naked in English Class – Selfing
thenoise, 11:44h
Naked in English Class ist die Coverband von Olifr M. Guz, dem Kopf der Schweizer Indie-Band Aeronauten, der sich auch als Solo-Künstler beträchtliche Meriten verdient hat. Gemeinsam mit Taranja Wu nimmt er sich Songs alter Haudegen vor. Manche, etwa The Sonics, sind nur noch Nischenliebhabern ein Begriff. Von anderen wird der Name durch Coverversionen am Leben erhalten. Das gilt zum Beispiel für Vince Taylor, von dessen «Brand New Cadillac» viele meinen, er sei von The Clash. Oder «I'm Gonna Find A Cave»: Den Song des US-amerikanischen Sängers und Komponisten James Radcliffe verbindet man mit der britischen Rockband The Sorrows.
Zur Sammlung kommen auch Stücke von Outcasts wie Billy Childish und weitaus bekannteren Künstlern, etwa Iggy Pop und die B52's.
Das Duo hat also Geschmack und Durchblick – und das Ergebnis ist wesentlich besser, als man es bei einer Band dieses Namens erwartet. «Throw That Beat In The Garbage Can» (B52's) wird zur rustikalen Elektropop-Nummer, die auch von den Eurythmics stammen könnte. Auch «Psycho» (ursprünglich ein Rock'n'Roll-Song von The Sonics) passt mit seinem simplen, treibenden Beat und seinem fröhlichen Gesang in die 80er-Jahre-Elektropop-Schublade, hier allerdings eher im Stil von Les Rita Mitsouko oder Soft Cell. «Gimme Danger», das Rock-Stück von Iggy Pop & The Stooges, das Naked in English Class schon auf einem früheren Album interpretiert haben, inszenieren sie auch dieses Mal düster und abgründig.
Die Coverversionen von Naked in English Class sind deutlich im Geist von Olifr M.Guz entstanden, dessen Aeronauten seit jeher gerne die Rohheit der Art brut – oder des Punk – mit schmissigen, ‹catchy› Melodien verbinden. Insofern ist das Album im doppelten Sinn retro: alte Stücke mit dem noch immer lebendigen Geist von gestern interpretiert.
Zur Sammlung kommen auch Stücke von Outcasts wie Billy Childish und weitaus bekannteren Künstlern, etwa Iggy Pop und die B52's.
Das Duo hat also Geschmack und Durchblick – und das Ergebnis ist wesentlich besser, als man es bei einer Band dieses Namens erwartet. «Throw That Beat In The Garbage Can» (B52's) wird zur rustikalen Elektropop-Nummer, die auch von den Eurythmics stammen könnte. Auch «Psycho» (ursprünglich ein Rock'n'Roll-Song von The Sonics) passt mit seinem simplen, treibenden Beat und seinem fröhlichen Gesang in die 80er-Jahre-Elektropop-Schublade, hier allerdings eher im Stil von Les Rita Mitsouko oder Soft Cell. «Gimme Danger», das Rock-Stück von Iggy Pop & The Stooges, das Naked in English Class schon auf einem früheren Album interpretiert haben, inszenieren sie auch dieses Mal düster und abgründig.
Die Coverversionen von Naked in English Class sind deutlich im Geist von Olifr M.Guz entstanden, dessen Aeronauten seit jeher gerne die Rohheit der Art brut – oder des Punk – mit schmissigen, ‹catchy› Melodien verbinden. Insofern ist das Album im doppelten Sinn retro: alte Stücke mit dem noch immer lebendigen Geist von gestern interpretiert.
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 20. Mai 2018
Mehmet Polat Trio – Ask your heart
thenoise, 13:36h
Die Kompositionen von Mehmet Pollat sind wie eine unauffällige Landschaft, deren mannigfaltige Reize man erst entdeckt, wenn man in ihr aufgeht und sich den Details widmet. Vordergründig sind es kontemplative Stücke, aus denen Polats Oud-Soli und der klagende Ton der Ney hervorstechen. Während die Melodien des ebenfalls türkischstämmigen Ney-Spielers Sinan Arat durchweg getragen bleiben, schwingt sich der Bandleader auch zu quirligen Improvisationen auf, die – etwa bei «Everything is in you» – auch mal in die Tiefe führen: Polat hat seine Oud um zwei Bass-Saiten erweitert.
Mehmet Polat setzt diesen Effekt wohldosiert ein und zwingt so den Hörer auch dann zur Ruhe, wenn er ihn mit neuen Höranreizen anregt. Und selbst wenn das Trio während einer kurzen Passage in «Simorgh» anklingen lässt, dass es sogar rocken könnte, stört das die Ruhe nicht.
Die bedächtigen Kompositionen von Mehmet Polat begünstigen die melancholische Stimmung. Maßgeblich forciert wird diese durch die traurige Wehmut, die meistens im Ton der Nay mitschwingt. Selbst wenn sie ihre Freude hinausspielen, machen es die drei Musiker nicht himmelhoch jauchzend, sondern mit angenehm verhaltener Fröhlichkeit.
Mehmet Polat setzt diesen Effekt wohldosiert ein und zwingt so den Hörer auch dann zur Ruhe, wenn er ihn mit neuen Höranreizen anregt. Und selbst wenn das Trio während einer kurzen Passage in «Simorgh» anklingen lässt, dass es sogar rocken könnte, stört das die Ruhe nicht.
Die bedächtigen Kompositionen von Mehmet Polat begünstigen die melancholische Stimmung. Maßgeblich forciert wird diese durch die traurige Wehmut, die meistens im Ton der Nay mitschwingt. Selbst wenn sie ihre Freude hinausspielen, machen es die drei Musiker nicht himmelhoch jauchzend, sondern mit angenehm verhaltener Fröhlichkeit.
... link (0 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 17. Mai 2018
Carla Bozulich - Quieter
thenoise, 15:09h
Eindringlich, packend düster, fesselnd.
Gehört: Beim «kurz mal reinhören» hängen geblieben
Gehört: Beim «kurz mal reinhören» hängen geblieben
... link (1 Kommentar) ... comment
Mittwoch, 16. Mai 2018
Michael Hugentobler – Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte
thenoise, 10:26h
Fake-News sind keine neue Erfindung, wie der Schweizer Autor Michael Hugentobler mit seinem Romandebüt zeigt. In "Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte" schreibt er die wahre Geschichte seines Landsmanns Henri Louis Grin neu. Er macht das genauso phantastisch, absurd und erdichtet wie das Original.
Der Ausgangspunkt für Michael Hugentoblers Roman ist die wahre Geschichte eines armen Schweizers: Henri Louis Grin wanderte als sechzehnjähriger nach England aus – als Diener einer durch die Schweiz reisenden britischen Schauspielerin. Später diente er einem Schweizer Bankier in London, bis er als Butler des Gouverneurs von West-Australien mit nach Perth umzog. Er versuchte sich in allen möglichen Bereichen, schlug sich als Kellner, Verkäufer und Porträtmaler durch, versuchte sich als Erfinder und wollte als Perlenfischer ein Vermögen auf dem Meeresgrund finden – er scheiterte immer.
Erst als Geschichtenerzähler vermochte er zu reüssieren. Da war er bereits fünfzig und als Deckschrubber auf einem Dampfschiff wieder zurück nach London gekommen. Allerdings folgte er nicht dem Rat, seine Phantastereien als Roman herauszugeben. Er verkaufte sie lieber als seine eigenen Erlebnisse. Als wollte er Karl May in den Schatten stellen, erzählte er von seinem Leben bei den australischen Aborigines, die ihn zum Häuptling erkoren hätten, er habe Schildkröten geritten und fliegende Wombats gesehen. Er berichtete von Straßen aus Gold in Guinea, und dass er in kürzester Zeit beliebige Sprachen lernen könne. Seine Phantastereien konnte er sogar der Royal Geographical Society präsentieren.
Michael Hugentobler hat aus dieser außergewöhnlichen Lebensgeschichte einen herrlichen Roman gemacht, süffig zu lesen, voller Witz und Ironie. Und am Ende ist man sich nicht mehr sicher, ob man auf seinen Louis nicht doch auch hereinfallen würde.
Bei ihm ist es ein Hans Roth, der 1849 in einem Schweizer Bergdorf geboren wurde, schon aus jugendlicher auswanderte, durch die Welt reiste und sich eines Tages den Namen Louis de Montesanto gab. Er behauptete in Paris aufgewachsen zu sein und erzählt auch sonst jede Menge unglaubwürdiger Geschichten.
Es ist nur folgerichtig, dass Michael Hugentobler der wahre Lügengeschichte seines Landsmanns genauso fantastisch schweifen lässt wie sein Vorbild. Dessen Geschichte erfindet er nicht nur neu. Er spinnt sie weiter, indem er seine Tochter Old Lady Long in einem zweiten Erzählstrang auf die Suche nach dem Grab ihres Vaters schickt und sie in einem mit Efeu überwachsenen Haus auf ihren Bruder treffen lässt, das zweite Kind von Louis de Montesanto.
«Truth is stranger than fiction, but De Rougemont is stranger than both», hat das Wide World Magazine im Juni 1899 über den sensationellen Schwindler geschrieben. Die Wahrheit sei bizarrer als die Fiktion, aber De Rougemont noch seltsamer als beide – das möchte man seinem ehrlichen Nachfahren Michael Hugentobler nicht nachsagen. Aber als Erzähler ist er ebenso fulminant.
Der Ausgangspunkt für Michael Hugentoblers Roman ist die wahre Geschichte eines armen Schweizers: Henri Louis Grin wanderte als sechzehnjähriger nach England aus – als Diener einer durch die Schweiz reisenden britischen Schauspielerin. Später diente er einem Schweizer Bankier in London, bis er als Butler des Gouverneurs von West-Australien mit nach Perth umzog. Er versuchte sich in allen möglichen Bereichen, schlug sich als Kellner, Verkäufer und Porträtmaler durch, versuchte sich als Erfinder und wollte als Perlenfischer ein Vermögen auf dem Meeresgrund finden – er scheiterte immer.
Erst als Geschichtenerzähler vermochte er zu reüssieren. Da war er bereits fünfzig und als Deckschrubber auf einem Dampfschiff wieder zurück nach London gekommen. Allerdings folgte er nicht dem Rat, seine Phantastereien als Roman herauszugeben. Er verkaufte sie lieber als seine eigenen Erlebnisse. Als wollte er Karl May in den Schatten stellen, erzählte er von seinem Leben bei den australischen Aborigines, die ihn zum Häuptling erkoren hätten, er habe Schildkröten geritten und fliegende Wombats gesehen. Er berichtete von Straßen aus Gold in Guinea, und dass er in kürzester Zeit beliebige Sprachen lernen könne. Seine Phantastereien konnte er sogar der Royal Geographical Society präsentieren.
Michael Hugentobler hat aus dieser außergewöhnlichen Lebensgeschichte einen herrlichen Roman gemacht, süffig zu lesen, voller Witz und Ironie. Und am Ende ist man sich nicht mehr sicher, ob man auf seinen Louis nicht doch auch hereinfallen würde.
Bei ihm ist es ein Hans Roth, der 1849 in einem Schweizer Bergdorf geboren wurde, schon aus jugendlicher auswanderte, durch die Welt reiste und sich eines Tages den Namen Louis de Montesanto gab. Er behauptete in Paris aufgewachsen zu sein und erzählt auch sonst jede Menge unglaubwürdiger Geschichten.
Es ist nur folgerichtig, dass Michael Hugentobler der wahre Lügengeschichte seines Landsmanns genauso fantastisch schweifen lässt wie sein Vorbild. Dessen Geschichte erfindet er nicht nur neu. Er spinnt sie weiter, indem er seine Tochter Old Lady Long in einem zweiten Erzählstrang auf die Suche nach dem Grab ihres Vaters schickt und sie in einem mit Efeu überwachsenen Haus auf ihren Bruder treffen lässt, das zweite Kind von Louis de Montesanto.
«Truth is stranger than fiction, but De Rougemont is stranger than both», hat das Wide World Magazine im Juni 1899 über den sensationellen Schwindler geschrieben. Die Wahrheit sei bizarrer als die Fiktion, aber De Rougemont noch seltsamer als beide – das möchte man seinem ehrlichen Nachfahren Michael Hugentobler nicht nachsagen. Aber als Erzähler ist er ebenso fulminant.
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 13. Mai 2018
International Music – Die besten Jahre
thenoise, 11:15h
«Dein Mund ist gerade, deine Lippen sind schief», singen International Music in «Country Girl», ganz so als ob sie damit programmatisch ihren konservativ-geschmeidigen Rock beschreiben wollten, den sie von frohgemut bis düster zelebrieren. Die Musik des Essener Trios ist kein ebenmäßig glattes, durchgestyltes Model, sondern von rauer, unkonventioneller Schönheit. International Music fertigen ein Patchwork aus unterschiedlichen Ingredienzen, bei dem man viele Einflüsse heraushören kann: In «Metallmädchen» klingt Space-Rock an, und bei «Für alles» standen The Jesus and Mary Chain Pate. Den Bass von «Farbiges Licht» haben sich International Music bei Joy Division geliehen, und das in einer dumpfen Kakophonie endende «Mama» erinnert über weite Strecken an Element of Crime. Das ist noch lange nicht so international, wie der Bandname vorgibt, aber doch schon ziemlich welthaltig.
Den Rat, den das Essener Trio in «Für alles» einem imaginären Gegenüber gibt – «Stell die Weichen, die Richtung ist egal» –, scheint es selbst zu beherzigen. Die drei nehmen sich, was ihnen gefällt, und stellen sich damit ihren eigenen, coolen Street Style zusammen. Genauso unverfroren gehen sie mit ihren Texten um, die sich mal um reale Bürden wie äußere Zwänge («Cool bleiben») und Verpflichtungen («Du Hund») drehen, natürlich auch um Liebe («Metallmädchen», «Country Girl»), aber auch zweckfreie Stimmungsbilder sein können («Kneipe»). Die Lieder von International Music sind immer wieder verschroben und rätselhaft, albern oder auch schlichtweg nihilistisch – ganz in der Tradition von Dada oder Palais Schaumburg und Andreas Dorau in den 80er-Jahren.
Das alles macht International Music zu einer Band für Nostalgiker, die sich auch an der Moderne erfreuen. Man hört das Gestern, befindet sich im Heute und ist zuversichtlich für die Musik der Zukunft. International Music hat die Begegnung mit ihrer Musik – wiederum in «Country Girl» – gleich in eigene Worte gefasst: «Wie gesagt, du bist elektrisch/wie du siehst, bin ich elektrisiert».
Den Rat, den das Essener Trio in «Für alles» einem imaginären Gegenüber gibt – «Stell die Weichen, die Richtung ist egal» –, scheint es selbst zu beherzigen. Die drei nehmen sich, was ihnen gefällt, und stellen sich damit ihren eigenen, coolen Street Style zusammen. Genauso unverfroren gehen sie mit ihren Texten um, die sich mal um reale Bürden wie äußere Zwänge («Cool bleiben») und Verpflichtungen («Du Hund») drehen, natürlich auch um Liebe («Metallmädchen», «Country Girl»), aber auch zweckfreie Stimmungsbilder sein können («Kneipe»). Die Lieder von International Music sind immer wieder verschroben und rätselhaft, albern oder auch schlichtweg nihilistisch – ganz in der Tradition von Dada oder Palais Schaumburg und Andreas Dorau in den 80er-Jahren.
Das alles macht International Music zu einer Band für Nostalgiker, die sich auch an der Moderne erfreuen. Man hört das Gestern, befindet sich im Heute und ist zuversichtlich für die Musik der Zukunft. International Music hat die Begegnung mit ihrer Musik – wiederum in «Country Girl» – gleich in eigene Worte gefasst: «Wie gesagt, du bist elektrisch/wie du siehst, bin ich elektrisiert».
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories