Montag, 8. August 2011
Tingvall Trio - Vägen
Für den Vorgänger von «Vägen» wurde das Tingvall Trio im vergangenen Jahr mit einem Echo als 'Bestes Deutsches Jazzensemble' ausgezeichnet. Es reicht der Wohnsitz: Denn der schwedische Pianist Martin Tingvall und Bassist Omar Rodriguez Calvo sind Wahlhamburger. Und Martin Tingvall komponiert angeblich am liebsten in der Abgeschiedenheit seiner südschwedischen Heimat. Die Herkunft seiner Stücke ist nicht schwer zu erraten. Im zeitgenössischen skandinavischen Stil sind sie leicht und melodiös.
Das Tingvall Trio spielt Jazz mit Pop-Appeal - nicht so zurückgenommen wie Bar- und Lounge-Musik, aber noch immer so eingängig, dass nicht nur eingefleischte Jazzfans daran Gefallen finden.
Martin Tingvall spielt lyrisch und klar, aber auch in den sanften Passagen bestimmt. Gleichzeitig zeigt das Trio, dass es nicht nur die eingängig-sanften Stücke beherrscht: Mit «Tuc-Tuc Man» werfen sich die drei Musiker in den nervenaufreibenden Verkehr asiatischer Grossstädte und lassen dabei auch beste Jazz-Rock-Manier aufblitzen. In «Shejk Schröder» vermitteln sie keineswegs die Stille der Wüste, wie man vermuten könnte, sondern eher einen Wüstensturm. Einzig der Versuch, dem Stück «Efter Livet» (Nach dem Leben) mit Streichern und Bläsern Dramatik und Pathos zu verpassen, bleibt teilweise unbefriedigend. Den hervorragenden Gesamteindruck trübt das nur unwesentlich.

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Sonntag, 7. August 2011
Vieux Farka Touré - The Secret
Es wird erzählt, dass John Lee Hooker im Spiel des malischen Gitarristen Ali Farka Touré den Ursprung des Blues herausgehört habe. Sein Sohn beschwört das Geheimnis des Blues in einer Einspielung mit seinem vor fünf Jahren verstorbenen Vater: Der Titelsong "The Secret", mit dem er das Geheimnis des Blues eingefangen haben möchte, ist stetig und ruhig. Gewohnt träge wie ein flirrender Nachmittag in einem Kaff am Rand der Wüste, trägt es die eindeutige Handschrift von Ali Farka Touré.

Vieux Farka Touré mag es in der Regel flotter und ein wenig heftiger. Das ist gut, erreicht aber nie die Eigenständigkeit seines Vaters. Da mag er gniedeln wie er will: Vieux Farka Tour verbindet vor allem auf die inzwischen bekannte Art afrikanische Musik und Blues. Die Gastmusiker -- etwa John Scofield, Dave Matthews und Derek Trucks -- sind da nur bedingt eine Bereicherung. Sie bringen nicht den Zündstoff, der Vieux Farka Touré für ein wirklich originelles Album fehlt. Gewiss, es fehlt den Musikern nicht an Fingerfertigkeit, nicht an eingängigen Melodien und auch nicht an treibender Musik. Und auch wenn Vieux Farka Touré und seine zupfenden Kollegen immer wieder solistisch überzeugen können, liefern sie insgesamt vor allem Afro-Blues-Mainstream mit wenigen zündenden Ideen.

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Freitag, 5. August 2011
Die Welt ist groß genug, ...
«Die Welt ist gross genug, dass wir alle darin Unrecht haben können.»

Arno Schmidt, Zettels Traum

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Freitag, 29. Juli 2011
Business as usual auf dem Lande
Ein Abend auf der Art Bodensee
Das Niveau sei ja schlechter als im Vorjahr, jammert eine Galeristin, während ein anderer meint, es würde sich ja ohnehin nur Mainstream verkaufen. Klar, hier ist Provinz. Aber trotzdem ist die Achse zwischen den gar nicht schlechten Kunstmuseen in Bregenz und Vaduz kein kulturelles Niemandsland. Und an der Art Basel ist das Gefälle von großartig zu unwürdig nicht weniger steil. Nur dass dort der Mainstream grosse Namen trägt und jemanden findet, der das auch bezahlen kann und will. In Dornbin sind die Preise auch für den gehobenen Angestellten bezahlbar - egal, ob er Kunst oder Dekoration sucht.
Die Wertentwicklung mag zwar ungewisser sein, aber man sammelt ja nicht der Rendite wegen (und diejenigen, die es doch tun, finden auch Rainer und Itten und sonstwem). Und während an den wichtigen Messen die guten Stücke schon bei den exklusiven Terminen vor Beginn der Messe weggehen, kann man hier sein Entdeckungen auch dann noch kaufen, wenn die Messe längst läuft.


Astrid Bechtold: E.L.5 (Tulpe), C-Print

Astrid Bechtold ist mit ihren abstrakten Blütenfotografien gleich bei zwei Liechtensteiner Galerien zu entdecken (Galerie am Lindenplatz, Vaduz, und EMB Contemporary Art, Triesen). Von Unschärfe geprägt, werden ihre Aufnahmen zu abstrakten, hellen und luftig-diffusen Landschaften. Dazu passen die gleich nebenan hängenden, grossformatigen Bilder von Peter Lang (Galerie Gärtner, Berlin), der die Landschaft Patagoniens abstrahiert, aber vielleicht besser noch die Bilder von Susanne Lyner, (Galerie Mäder, Basel) die wie Pollok Farbspuren legt, aber nicht nur viel bunter, sondern auch wesentlich feiner. Es entstehen filigrane Gewebe auf weissem Grund, unaufdringlich und doch präsent.
Wem das zu dekorativ ist, der kann sich ja die «Figur» betitelte Figur von Thomas Putze (Galerie Z, Stuttgart) holen, die - ziemlich roh - wie eine von Sand, Temperaturschwankungen und Termitenfraß schon ziemlich mitgenommene afrikanische Skulptur wirkt. Wer es doch niedlicher mag, greift zum Himbeereisschwein, die härteren Gemüter zum Kettenhasen.

Das war noch gar nicht alles, aber an der Vernissage hat man ja auch andere Sorgen als alle Entdeckungen aufzuschreiben. Bussi hier und Bussi da, ach wie schön, auch wieder da? Die Art Bodensee ist überschaubar - zwei luftig belegte Hallen, kein Gedränge. Und Galeristen zwischendurch so herrllich deplaziert überkandidelt, dass sie vor lauter Aufgeregtheit und Naserümpfen gar nicht merken, dass sie ihre Künstler aufdrängen wie ein Strukturvertriebler den Rentenversicherungsabschluss.

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Montag, 11. Juli 2011
22 Pistepirkko - Lime Green Delorean
Sie begannen im gleichen Zeitraum: Anfang der 1980er ging der mittlerweile legendäre Flügeltürer von John De Lorean im nordirischen Dunmurry vom Band. In dieser Zeit starteten 22 Pistepirkko im finnischen Dorf Utajärvi. Die Finnen erlebten zwar auch Krisen, stürzten aber anders als De Loreans Fahrzeugproduktion nicht ab. Sie haben es sich als Außenseiter der Rockmusik gut eingerichtet und gönnen sich jetzt mit ihrem frisch lackierten De Lorean entspanntes Cruisen. Denn im gesetzten Alter lässt man es auch im Sportwagen nur mal hin und wieder krachen.

Der Prolog («Lights By The Highway») stimmt auf die Fahrt ein, die Lichter der Straßenbeleuchtung verblassen auf dem Nachhauseweg, die Sonne steigt langsam auf, langsam schält ich das Grün der Landschaft aus dem verblassenden Grau. Doch romantisch, das vermittelt die Orgel, die sich mit getragenem Duktus in den Vordergrund drängt, endet die Fahrt nicht.
22 Pistepirkko geben sich auf ihrem neuen Album gerne gefällig. Ihre Melodien gehen ins Ohr und vom sanft untermalten «Dream 1987» erzählen sie in behäbiger Märchenonkel-Manier. Das zerbrochene Spielzeug («Broken Toys») besingen sie ebenso fröhlich wie ihre gute Laune («So Happy Today»). Vor allem wenn die Popmelodien im Vordergrund stehen, klingen 22 Pistepirkko angenehm nostalgisch. Dass das Trio jetzt weniger originell und experimentell ist als in seinen frühen Jahren, muss man ihm jedoch nicht übelnehmen. Denn auch bei den nach vorne gehenden Stücken (etwa «Stupid») haben 22 Pistepirkko kleine, reizvolle Widerhaken eingebaut. Bei genauer Betrachtung eröffnen sich auch in augenscheinlich unspektakulären Landschaften liebenswerte Details. Zu brettern wäre dabei kontraproduktiv, aber in einem stilvollen Fahrzeug zu sitzen, erhöht den Genuss.

22 Pistepirkko - Konzertbesprechung

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