Montag, 30. Mai 2011
Philip Roth - Empörung
Je mehr Kanäle, desto besser - Mehrfachverwertungen sind einträglich, wenn nicht für die Verlage gar unverzichtbar. Auch darum gibt es Hörbuch und Hörspiel parallel. Während die Literatur möglicherweise verlieren mag, weil durch gekürzte (Hörbuch-)Fassungen das Original nicht mehr so oft gelesen wird, gewinnt sie, weil Hörbücher und Hörspiele ein Publikum erreichen, das sie ohnehin nicht gelesen hätte.

Von Philip Roths «Empörung» ist ein Jahr nach dem Hörbuch die Hörspielfassung erschienen - nicht zum Nachteil der Geschichte von Marcus Messner, der vor der erdrückenden Fürsorglichkeit seines Vaters flieht und den Tod findet.
Die knapp 90 Minuten Hörspiel reichen Regisseur Norbert Schaeffer, um die Handlung des im Grunde durchschnittlichen Romans adäquat wiederzugeben. Mit einfachen Effekten und einer guten Führung der Sprecher macht er die Handlung lebendig - kurzweilig und dem Roman durchaus angemessen.

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Freitag, 27. Mai 2011
Weltmusikalisches Kammerensemble
Danças Ocultas begeistern in Bregenz
Ungewöhnliche Besetzungen sind schon die halbe Miete. Wenn vier Cellisten Songs von Hardrockern interpretieren, ist die Aufmerksamkeit garantiert. Die Halbwertszeit hingegen ist vergleichsweise kurz. Denn bald schon bleibt - auch wenn es immer jemand gibt, der jahrelang treu bleibt und den Stillstand nicht merkt - nicht viel mehr übrig als der Gag.




Das portugiesische Akkordeon-Quartett hingegen fällt nicht nur deswegen auf, weil sie ihre eigenwillige Nische gefunden haben. Das weltmusikalische Kammerensemble versteht sich zwar durchaus auf den Effekt, Effekthascherei jedoch ist ihnen fremd.
Sie brauchen keine vordergründig auffälligen Ideen, weil ihre Musik aufsehenerregend genug ist. Ihre Kompositionen mit Elementen aus Volksmusik, Klassik und Avantgarde sind ruhig, wirken oft einfach und sind dabei immer wieder recht vertrackt. Sie klopfen rhythmisch auf ihr Akkordeon, lassen den Balg fauchen und pflegen bei allem Wohlklang auch gekonnt die Dissonanz. Meist legt Filipe Ricardo mit seinem eigens entwickelten Bass-Akkordeon die eingängige Grundlage, auf der Artur Fernandes und Franciso Miguel ihre überwiegend schlichten Melodien entwickeln.

Weil das Einfache so schwer ist, sind Gruppen wie Danças Ocultas einzigartig. Sie spielen präzise und beseelt, und überzeugen in den lyrischen Passagen genauso wie mit den kraftvollen. In den Kompositionen von Danças Ocultas schwingt viel Melancholie mit, aber auch eine Art gemütliche Lebensfreude. Ihre Musik steckt zudem voller Humor. Weil er nicht in der Art des schrillen Komödianten daherkommt, sondern wie der des hintergründigen Kabarettisten, wirkt das Quartett wie aus der Zeit gefallen. So ist es nur logisch, dass sie live nicht vor allem das kürzlich erschienene Album «Tarab» präsentieren, was ebenso begeistert aufgenommen worden wäre wie der gebotene Querschnitt aus ihrem rund fünfzehnjährigen Schaffen. Die vier Portugiesen haben eben mehr zu bieten als eine originelle Besetzung.

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Dienstag, 24. Mai 2011
Blick Bassy - Hongo Calling
Melodien aus dem Alpenraum sind auch in Russland bekannt, den Kameruner Hongo-Rhythmus kennt man auch in Brasilien. Dem ist Blick Bassy auf seinem zweiten Album nachgegangen und hat dafür auch den brasilianischen Pandeiro-Perkussionisten Marcos Suzano engagiert. Dass man Bassy mitunter eher in Südamerika verortet als in Afrika liegt auch an der Mitarbeit des brasilianischen Singer/Songwriters Lenine, der bei zwei Stücken mitwirkt.

Die Übereinstimmung ist überraschend, aber auch eine Adaption lateinamerikanischer Rhythmen wäre für die afrikanische Musik nicht neu. Afrikanische Musiker praktizieren sie seit Jahrzehnten. Blick Bassy integriert sie genauso harmonisch wie westliche Einflüsse und Instrumente wie Akkordeon und Flöte. Das ist Weltmusik im besten Sinne des Wortes. Blick Bassy verschmilzt die Stile und prägt die Stücke mit seiner weichen, hellen Stimme, die an Youssou N'Dour erinnert. Seine Melodien sind bieg- und schmiegsam und seine zumeist in Bassa, einem von 260 Dialekten in Kamerun, gesungenen Lieder haben eine überwiegend sonnige Ausstrahlung. Doch so leichtfüßig und eingängig Bassys Musik und so gefällig sie durchweg ist, belanglos wirken die - etwa durch Arrangements und Rhythmuswechsel - immer wieder spannend inszenierten Songs nie.

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Dienstag, 3. Mai 2011
Zerstörung
«Der destruktive Charakter ist jung und heiter.» (Walter Benjamin)

Aufgelesen in einem Interview mit Blixa Bargeld

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Montag, 2. Mai 2011
Der Anti-Entertainer ist der bessere Unterhalter
Helge Schneider in Bregenz
Man muss Helge Schneiders Nonsens-Einlagen nicht immer folgen können und kann durchaus finden, dass er es sich zu einfach macht, wenn er auf nicht mehr als seine Grimassen setzt. Nicht absprechen kann man ihm jedoch, dass er ein hervorragender Musiker und Komödiant ist – und nicht zuletzt auch ein erstklassiger Unterhalter.
Helge Schneider braucht nur leicht trottelig auf die Bühne zu gehen, um sein Publikum zu begeistern – es empfängt ihn mit den sprichwörtlichen offenen Armen. Vereinzelte lachen selbst an Stellen, an denen es gar nichts zu lachen gibt. Der schrullige Komödiant ruht sich darauf nicht aus, obwohl er kein Gag-Feuerwerk liefert und sich auch gerne auf Erprobtes wie eine Udo-Lindenberg-Parodie verlässt.



Charmante Holprigkeit am Abgrund des Versagens ist das Markenzeichen der Bühnenfigur Helge Schneider. Ob er bei seinen überlangen Moderationen tatsächlich immer wieder den Faden verliert oder ob er dies nur spielt, ist nicht herauszufinden. Fest steht, dass es ohne Holpern wesentlich weniger lustig wäre. Schneider wirkt wie eine leibhaftig gewordene Loriot-Figur, nur nicht so knubbelig (wenn auch auf seine schräge Art durchaus vergleichbar knuddelig) und hemmungslos politisch unkorrekt.

Helge Schneider ist das Anti-Programm der zeitgenössischen Unterhaltung – und das nicht nur, weil er auch als Musiker bestens bestehen kann. Dass er seine musikalischen Fertigkeiten bei aller Ernsthaftigkeit auch komödiantisch präsentiert, ist eine zusätzliche Stärke. Als Vibraphonist etwa macht er sich gleichzeitig über die ausgestellte Virtuosität von Instrumentalisten lustig. Später persifliert er die Schlichtheit des Blues und zeigt, dass man auch als Flamenco-Dilettant eine gute Portion Authentizität vortäuschen kann. Zwischendurch gibt er den Nicht-Könner – und natürlich auch den äußerst gekonnt. «Jeder Fehler muss sitzen», fordert er seine versierte Begleitband auf, aus der Sandro Giampetro mit einigen furiosen Gitarren-Soli herausragt, um nach der erfolgreichen Kakophonie beim öffentlichen Debriefing nicht nur die Musiker zu loben: «Auch das Publikum hat an der richtigen Stelle geklatscht.» Und das hat es ausreichend und bis zum langen Schlussapplaus gerechtfertigt.

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