Dienstag, 18. Mai 2010
«Es ist die Kunst, ja ja, die macht mich immer jünger»
Maria Lassnig im Münchner Lenbachhaus
Sie nehmen beide eine vergleichbare Pose ein, aber während das eine Bild ziemlich nichtssagend wirkt, ist das andere kraftvoll und ausdrucksstark. Die junge Musikerin Heidi Happy stellt für das Cover ihres aktuellen Albums die Pose nach, in der sich die damals 86-jährige Malerin Maria Lassnig 2005 gemalt hat: einen Revolver an ihre Schläfe gerichtet, den anderen auf den Betrachter. «Du oder ich» heißt das Bild, in dem die Malerin gleichzeitig erstaunt, erwartungsvoll gespannt und drohend sicher schaut. Die aktuellen Werke der österreichischen Malerin wirken genauso jung und frisch wie die Lieder der um Generationen jüngeren Schweizer Musikerin.


Landmädchen, 2001, Öl auf Leinwand
© Maria Lassnig


Von grober Sinnlichkeit und fleischlich sind Lassnigs Körper, aber auch bis ans Groteske grenzend verzerrt und mitunter comicartig verfremdet. Oft stehen ihre Figuren vor einem weißen Hintergrund. Ein anderer würde Atmosphäre vermitteln, hat Maria Lassnig einmal erklärt, und die brauche sie nicht. Es geht ihr auch nicht um das Bild vom Körper, sondern um die Körperempfindung. Das Ergebnis ist mitunter die – wie beispielsweise auch in ihrem Selbstporträt als «Landmädchen», in dem sie in jugendlicher Mackerpose selbstbewusst mit dem Easy-Rider-Mofa die Rocker-Oma gibt – schonungslos real wirkende Erkundung ihrer eigenen Körpers. In relativ satten, recht großflächig aufgetragenen Farben (die alles andere als Vorteilhaft sind) und mit einem markanten Gesichtsausdruck. Die Kunst, stellt Maria Lassnig in ihrem autobiographischem Zeichentrickfilm «Kantate» fest (er ist neben einigen anderen auch zu sehen), mache sie immer jünger. Im Lenbachhaus findet man die Bestätigung.

Der Katalog zur Ausstellung, mit einer Lassnig zugeeigneten Epistel von Durs Grünbein, drei kurzen Essays zum Werk (darunter auch zu ihren Zeichentrickfilmen) sowie einer ausführlichen Biographie und natürlich zahlreichen Abbildungen ist im Berliner Distanz-Verlag erschienen.

Maria Lassnig, Lenbachhaus, München, bis 27.2. bis 30.5.2010.

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Sonntag, 9. Mai 2010
Nachlader - Koma Baby lebt
Lieder wie «Pommes und Disco» oder «Komm mit» könnten mit ihrem monotonen Sprechgesang auch von Die Sterne stammen. Und wer die Texte von deren Chef Frank Spilker mag, wird auch an denen von Daniel Baumann Gefallen finden. Der Berliner Musiker hat Spass am Wortspiel und fragt sich in bester Sterne-Manier zu seinem Kontostand «Warum muss ich immer Soll haben, obwohl ich Haben haben soll?» Für solche Texte hat er Talent, auch wenn er mitunter ein wenig kalauert.
Aber Daniel Baumann schreibt auch Lieder, deren Geschichte an den Witz von Karl Valentin oder Christian Morgenstern erinnern. So lässt sich der weltbeste Trampolinspringer ein Arbeitsgerät in der Größe von zwanzig Fußballfeldern hinstellen: «Er sprang so hoch wie nie im pittoresken Abendlicht, aber gelandet ist er bis heute nicht.»
Transportiert werden die Nachlader-Lieder von durchweg einfachem, relativ rustikalen Synthie-Pop. Baumann versucht nicht diesen zu glätten, komponiert aber mit Drive und lebt seinen Hang zum Mitsingrefrain aus. Das macht schon auf Konserve immer wieder gute Laune und könnte auch live ganz charmant wirken.

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Samstag, 8. Mai 2010
My Name Is George - The Bad Old Days Are Over
My Name Is George sehen sich als Live-Band. Daher ist es ihnen vermutlich nicht schwergefallen, sich den Gegebenheiten anzupassen und ihr neues Album, das dritte, zu einem vom Benutzer bestimmbaren Preis zum Herunterladen freizugeben. Nur eine limitierte, von jedem Bandmitglied signierte und mit zwei zusätzlichen Songs ausgestattete Auflage von 500 Stück haben sie brennen lassen.

Ihre Konzerterfahrung meint man auch auf der Konserve auszumachen. Sie spielen nach wie vor überwiegend fetzige, gitarrenorientierte und mit einem kräftigen Schuss Orgel versehene Stücke und haben einen Härtegrad zugelegt. Selbst wenn sie es ein wenig ruhiger angehen - beispielsweise beim Titelstück «The Bad Old Days Are Over», einem vorausschauenden Rückblick auf die von Schwermut getragene Jugendzeit -, bleibt der Klang voll und satt.

Nicht nur dieses Stück erinnert klanglich an die Beat-Zeit, das ganze Album durchzieht ein angenehm nostalgischer Hauch. Die Stücke sind poppig und geschmeidig und «Days Without You» hat gar das Zeug zum generationenübergreifenden Sommerhit.
Die überwiegend prächtig-treibenden Stücke auf «The Bad Old Days Are Over» werden den Ruf des Quintetts - das in diesem Jahr den Gästepreis beim Austrian Newcomer Award erhielt - weiter festigen.

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Sonntag, 2. Mai 2010
Sie können nichts dafür
Das EWHO ist in Vaduz fehl am Platz
Verloren wie im Einkaufszentrum stehen die vier Musiker vor der Touristeninformation. Die Weltausstellung ist eröffnet, und die Liechtensteiner haben nicht nur in Shanghai einen Pavillon errichtet, sondern - er wirkt eher wie ein Vordach - auch in der Fußgängerzone ihrer Hauptgemeinde. Das EWHO ist wohl aufgrund eines Missverständnisses hier: Ihr stampfiges Lied «Vaduz», eines ihrer schlechteren, gefällt hier schon deswegen, weil niemand sonst über diesen Landstrich und seine Bewohner singt.


Jetzt stehen die vier aufgereiht wie Kraftwerk - wenn auch ohne deren Willen zur Selbststilisierung - vor den paar Versprengten, die sich vom nass-kühlen Wetter nicht abhalten lassen. Die meisten sehen nicht aus wie Freunde rustikaler elektronischer Musik und die EWHO-Mitglieder versenken sich lieber in ihre Instrumente und versuchen ert gar nicht, die traurige Anlage in eine Partyzone zu verwandeln. In der Tiefe des Raumes hinter der Bühne laufen auf einem wandhohen Bildschirm Trickfilme - ein rein typographischer zu «Anton», einfach-kraftvolle Strichzeichnungen zu «Ruhe im Zimmer» und ein über Sahnewellen rauschender Banana-Split-Eisbecher zu «Pfirsich Melba». Die Animationen der jungen Künstlerin Claudia Larcher passen gut zur Machart der EWHO-Lieder und sie sind immer wieder so humorvoll wie die Texte des Quartetts, dessen nächster Auftritt hoffentlich so freundliches Ambiente bietet, dass es ein wenig aus sich herausgehen kann.

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Freitag, 30. April 2010
Thomas Hürlimann - Der große Kater
Die Verfilmung des Romans ist trotz seiner hervorragenden Besetzung, etwa mit Bruno Ganz in der Hauptrolle, durchgefallen. Ein Grund mehr, den großartigen Text von Thomas Hürlimann gleich im Original zu entdecken. Das Vergnügen steigt, wenn man ihn von Dieter Mann vorgelesen bekommt.

Pfiff, Chef der Schweizer Sicherheitspolizei, und Kater, der Bundespräsident, sind seit ihrer gemeinsamen Schulzeit im Internat des Klosters Einsiedeln befreundet - doch Pfiff hat mit seinem Freund noch eine Rechnung offen. Dieser hat ihn nicht nur politisch überholt, sondern ihm schon vor vielen Jahren seine Verlobte, die jetzige «Frau Bundesrat» ausgespannt. Erst allmählich offenbart Hürlimann, dass der jovial und gemütlich wirkende Kater auch ein ausgeprägtes Machtbewusstsein besitzt. Deswegen, nicht nur wegen der strapazierenden Schicksalsschläge - sein Jüngster liegt im Sterben - ist seine Ehe offenbar arg zerrüttet. Hürlimann zeigt die letzten Tage im Intrigenspiel um den Bundespräsidenten, der schließlich zurücktritt.

Thomas Hürlimann hat seinen Roman «Der große Kater» trickreich komponiert und mit überraschenden Einfällen ausgestattet, seine präzisen und bildreichen Beschreibungen sind ein Genuss. Ebenso differenziert wie der Autor agiert der Sprecher. Dieter Mann liest mit warmer Stimme und nie nachlassender Präsenz.

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