Mittwoch, 31. Oktober 2007
Neubau
Peking ist mir zu modern. Der Charme von gestern, den das nicht minder moderne Bangkok auf den ersten Blick preisgibt, ist nicht ohne weiteres sichtbar. Man kann in den Behai-Park gehen und die alte Tempel ansehen, in den Sommerpalast oder auch in die puppenhausmäßig restaurierte Liulichang-Straße. Aber um sich im "alten Peking" wiederzufinden, muss man die großen Straßen und Neubauviertel hinter sich lassen und in die Hutongs abbiegen. Diese wirken aber oft so arm und unwürdig, dass es schwer fällt, ihr Verschwinden zu bedauern.


Ein Blick ins Puppenhaus: restaurierte Kaiserzeit.

Für den Besucher sind es zwei Parallelwelten, von denen eine wohl aufhören wird, zu existieren. Das Bauvolumen der Stadt soll so gross sein wie das von ganz Europa. Selbst wenn das nur zur Hälfte stimmt, ist es gewaltig.
Es wird wird abgerissen und neu gebaut. Die Verschmelzung, bei der altehrwürdige Bausubstanz erhalten bleiben soll, scheint mir die Ausnahme. Ich bin enttäuscht, nicht mehr historische profanbauten zu sehen und dass das moderne Stadtbild nicht von älteren Lebensformen - Strassenständen, fliegenden Händlern - mitgeprägt wird.


Aufgehübschter Einblick in das China vor dem Boom.

Wie modern China ist, hätte ich durchaus vor meiner Reise bemerken können - an den Wirtschaftsnachrichten genauso wie an der aktuellen chinesischen Kunst, die derzeit in Ausstellungen in München und Salzburg gezeigt werden. Nur die richtigen Schlüsse habe ich nicht gezogen.

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Sonntag, 28. Oktober 2007
Die Beijing Bubbles, rasch zerplatzt
Dass die vor der Abreise vorhandene Lust auf chinesische Rockmusik eine genauso voyoristische Komponente hatte wie das Eintauchen ins Alltagsleben war mir bewusst. Das vor der Abreise aufflackernde Interesse am Pekinger Underground erlosch vor Ort. Die chinesische Adaption dessen, was ich in den 1980er Jahren erlebte, war nicht mehr interessant. Dabei fand ich mich unversehens in Gesellschaft.

You (sprich Joü) ist um die zwanzig und wuchs irgendwo in Zentralchina auf, ein Kind der Steppe. Jetzt studiert er Journalismus, stromert durch Peking und blogt seine Erlebnisse. Ich werde von ihm angesprochen, als ich Touristen dabei fotografiere, wie sie sich vor Sehenswürdigkeiten ablichten. (Ein neuer, selbstgewählter fotografischer Auftrag, durch den ich bemerkte, dass sich viele Menschen mehr mit sich selbst beschäftigen als mit den besuchten Orten - für die ich jetzt auch Zeit und Aufmerksamkeit nicht mehr habe.)


You hilft seinen Landsleuten auf Hauptstadtbesuch dabei, mit Mao-Bild
aufs Bild zu kommen.


You ist einer von ihnen. Er fotografiert sich begeistert vor Sehenswürdigkeiten, ihm wichtigen Plätzen (wie dem im Bau befindlichen National Stadium) und Ereignissen (der Präsentation des neuen Röver 750, einem für chinesische Verhältnisse topmodernen Auto), um seine Bilder, Filme und Ansichten im Netz zu präsentieren - als Fan des Staatspräsidenten Hu Jintao beispielsweise einen vom Fernsehen abgefilmten Nachrichtenbeitrag über dessen Besuch in Hongkong. Sie wirken wie ein Jahrzehnte altes Lehrstück über Nachrichten totalitärer Regime. Mehr als hunderttausend Mal wurde das mit der Filmfunktion seiner billigen Digitalkamera aufgenommene Filmchen angesehen.

Das erfahre ich alles, nachdem ich ihn vor dem Tor des himmlischen Friedens fotografieren musste (normalerweise getraut sich kein Tourist, mich so etwas zu bitten). Immerhin, so kamen wir ins Gespräch, erzählen von unseren Vorlieben und Tun, landen einige Zeit später vor dem Computer und sprechen über Blogs und Musik. Ich werfe den ersten Song der Beijing-Bubbles-Compilation an und erfahre spontan: "Rockmusik gefällt mir überhaupt nicht". You nimmt sein bis jetzt als Wörterbuch eingesetztes Mobifon und spielt mir vor, was er so hört.

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Mittwoch, 24. Oktober 2007
Ausverkauf
Im gesetzten Alter erschliesst sich der Untergrund einer fremden Stadt nicht mehr so leicht. Statt von Outcasts zu obskuren Veranstaltungen gelotst zu werden, wird man von "Kunststudenten" zu ihren "Ausstellungen" gelockt, die sich eigenartigerweise immer in einem Shop in der Nähe einer Sehehnswürdigkeit wie dem Tiananmen-Platz oder dem Sommerpalast befinden. Zeitgenössische Kunst fristet dort ein Schattendasein zwischen Bändern mit Kalligraphie und Repliken traditioneller Durchschnittsware.



Nur der Preis ist attraktiv, bewegt er sich doch auf dem Niveau, das man hier für den Rahmen ausgeben würde. Und noch bevor ich meine Kaufunlust so begründen kann, dass es den Künstler nicht beleidigt, ist der Preis schon um zwanzig Prozent reduziert.
Vielleicht geht es ja gar nicht um den Verkauf seiner Bilder. Denn um Pinsel und Reispapier - Mitbringsel für die malende Frau meines Begleiters - wird nicht gefeilscht. Und deren Bilder muss ich mir nicht ansehen.

Der weitere Spaziergang am Ufer des Kunming Hu war noch schön. Selbst der Müllsammler im Boot wirkte romantisch.

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Freitag, 12. Oktober 2007
Various - Beijing Bubbles
Die bildenden Künstler sind - sofern diese Zusammenstellung represäntativ ist - innovativer als die musizierenden Kollegen. Ein netter - und meines Wissens nach der einzige - Einblick ist das Album trotzdem.
Wenn mich die Arbeit nicht zu sehr auffrisst, werde ich bald erfahren, ob sich auch der Pekinger Untergrundlifestyle so charmant angestaubt ist wie die Rockmusik.

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Sonntag, 7. Oktober 2007
Mützenträger
Der musikalisch langweilige Züricher Lee Everton ist auch modisch nur mäßig originell
Die ersten paar Takte fand ich nett, bald war es langweilig und danach war der Mann mit dem Hütchen vor allem bemitleidenswert. Kommt doch nach vorne, bat er kläglich die wenigen Besucherinnen und Besucher des Konzerts und trieb sie damit noch weiter nach hinten.


Lee Everton: Auch musikalisch würde ihm mehr Unschärfe gut stehen.

Kein Name, den man sich merken muss. Wer er war, wollte ich erst wissen, als er sich hinter mir so laut unterhielt, dass er damit den Auftritt des Musikers störte, für den er noch kurz vorher für Stimmung sorgen sollte.

Seit einigen Tagen weiss ich, dass er Lee Everton heisst und früher mit der Zürcher Rap-Gruppe Sendak unterwegs war. Die zahlreichen Auftritte haben ihn offensichtlich nicht zum Alleinunterhalter ausgebildet. Dafür hat er wenigstens ein Hütchen, damit man ihn wieder erkennt. Bei mir hat das sofort wieder funktioniert. Die Mütze, sagte ich mir, gehört doch dem Vorprogrammlangeweiler. Seine Lieder habe ich nicht wieder erkannt, kein einziges. Dabei sind die auf dem Album genauso langweilig wie sein Konzert. Nur gab er damals den Barden mit Gitarre, jetzt macht er in Reggae - gefällig-unoriginell und nicht inspirierend.

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