Donnerstag, 6. Juni 2013
Tschingis Aitmatow, Juri Rytchëu, Galsan Tschinag – Die Kraft der Schamanen
Wenn der Arzt nicht helfen kann, geht man auch in unseren Breitengraden zum Schamanen. Früher hieß er hier Kräuterdoktor, ganz früher Hexe und heutzutage Heilpraktiker. Der spirituelle Anteil seiner Arbeit spielt – anders als in Asien, wo man auch vor einer Reise seinen Haus-Lama oder einen Lama im Kloster aufsucht – hier kaum noch eine Rolle. In dem schmalen Bändchen sind Texte von Tschingis Aitmatow, Juri Rytchëu und Galsan Tschinag versammelt, die einem vergleichbaren Kulturkreis entstammen, in dem der Schamanismus noch lebendig ist.

In totalitären Systemen wird Wissen und Wirken von Schamanen als Risikofaktor eingestuft. So wurde ihnen beispielsweise in der Sowjetunion die Berufsausübung verboten. «Die alte Schamanenkultur ist wegen des äußeren Drucks und des Verbots der Rituale in den Untergrund gegangen», erinnert sich etwa Juri Rytchëu, dessen Großvater ein Schamane war und deshalb vom Vorsitzenden eines Revolutionskomittees ermordet wurde. Der Untergrund, so der Autor, «war noch nicht einmal tief»; der Schamanismus konnte leicht im Verborgenen weiterblühen.

Die hier vorgestellten Texte – sie sind bereits erschienenen Werken der drei Autoren entnommen – zeigen unterschiedliche Facetten. Tschingis Aitmatow beschreibt, wie er die Wirkung der schamanischen Kraft als Kind erlebte, Juri Rytchëu erzählt überaus amüsant von der langwierigen und zermürbenden Inauguration des Großvaters zum Schamanen und wie dieser als lebendes Exponat zur Sensation der Weltausstellung in Chicago wurde. Galsan Tschinag, der in Deutschland studierte und Stammesoberhaupt im turksprachigen Tuwa ist, beschreibt seinen eigenen Weg zum Schamanen. Dazu erzählt er von den Erfolgen seiner schamanischen Tante Pürwü, deren Heilkraft auch über hunderte Kilometer hinweg spürbar gewesen sei. Nicht zuletzt berichtet er auch allgemein über Tradition und Bedeutung des Schamanentums.

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