Sonntag, 3. Oktober 2010
Am Ende großes Kino
Nach einer Aufwärmphase mit einzelnen guten Songs schliessen Nufa ihr Konzert in Dornbirn großartig ab
Ihr Rezept könnte man simpel nennen. Denn schon lange vor Nufa haben Bands sanfte Musik mit Störgeräuschen gebrochen, liebliche Melodien mit wilden Ausbrüchen konterkariert und die Lärmorgien wiederum im Nichts ausklingen lassen. Nufa überraschen trotzdem schon nach wenigen Minuten: Das abrupte Ende des ersten Stückes wirkt wie ein Überfall. Gefahr eine Massenpanik besteht nicht - nur wenige interessieren sich für das Konzert, das nach einer kleinen Durststrecke großartig enden wird.


Alltägliche Beobachtungen im eigenen Duktus: Nufa-Sänger Jacob Schneikart.

Im ersten Teil des Auftritts gelingt es der Gruppe noch nicht, ihre Stücke harmonisch zu verbinden. Sie bleiben Solitäre, einige davon immerhin wirklich gute. Aber gegen Ende beginnen Nufa doch noch mit dem großen Kino. Auf ein grooviges Instrumenal-Stück folgen «Du denkst», eines der besten Stücke des neuen Albums «Das Wetter ist schön heute», sowie das bedrückende «Vor einem Monat» und sorgen für einen hervorragenden Abschluss.

Jacob Schneikart ist zwar kein hervorragender Sänger, was insbesondere in den ruhigen Passagen nicht zu verbergen ist. Doch es gibt genügend ausdrucksstarke Beispiele dafür, dass das kein Manko sein muss -- von Hildegard Knef bis zu Element-of-Crime-Sänger Sven Regener. Und Jacob Schneikart hat seinen eigenen, eigenwilligen Duktus gefunden, der hervorragend zu seinen Texten passt.
In «Du denkst» verkörpert er zudem geradezu die Schüchternheit, mit welcher der Ich-Erzähler des Textes einer Frau sagt, was er an ihr mag. Und in «Vor einem Monat» erzählt er in knappen Worten von den regelmäßigen Sonntagsausflügen zur Großmutter, deren Routine erst leerer wird, weil das Enkelkind das Interesse verliert und später, weil die Großmutter immer schwächer wird. «Es gab Lasagne», singt er vom letzten Besuch, «früher gab es Braten.» Das Leben wird beschwerlicher, die Gerichte einfacher. Man kann das Ende eben nicht aufhalten, nur dabei zusehen, wie es langsam kommt und gute Miene dazu machen. Und nach dem Essen schaut man die Bilder vom 82. Geburtstag an, der vor einem Monat gefeiert wurde - vielleicht wird es der letzte sein, denkt man unwillkürlich, während die Band das Stück weiter treibt, dringlich und trocken.
Jacob Schneikart verwendet für seine Texte alltägliche Begebenheiten und zeichnet mit einfachen Bildern emotionale Situationen. Gerade ein Text wie «Vor einem Monat» erwartet man nicht von einem Anfangszwanziger. Auch auf die Musik müssen andere viel länger hinarbeiten als das deutsche Quintett, das in den romantisch-feinfühligen Bereichen niemals kitschig wird und seine Ausbrüchen in geschmackvoll-kultivierter Wildheit vollzieht.

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