Montag, 28. Juni 2010
Anthony Rother - Popkiller 2
Anthony Rother ist schon so lange im Geschäft, dass man sich über seine schlichten Stücke beinahe wundert. Sie sind simpel aufgebaut, haben einfache Melodien, manche auch Sprechgesang. Eloquentere Elektronik-Musiker würden in Rothers Songs eher eine Rohversion sehen. Mit ihrem leicht knarzigen Klang erinnern sie -- allerdings recht angenehm -- an Vorgestern, an die Zeit der genialen Dilettanten, denen mit einfachen Mitteln und unzureichenden handwerklichen Kenntnissen atmosphärische Stücke gelangen.
Hier knüpft Anthony Rother mit seinem zweiten "Popkiller"-Album an (das erste erschien 2004). Seine Texte haben zwar die eine oder andere reizvolle Zeile (obwohl der Reiz mitunter auf seinen mangelnden Englischkenntnissen basiert, aber Pidgin English kann ja auch charmant sein), sind aber weitgehend belanglos. Der Frankfurter Musiker punktet mit eingängig-rauer Schlichtheit.

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Montag, 14. Juni 2010
Various - South Africa
Vermutlich höre ich lieber Musik als Vuvuzela. Letztere habe ich - tatsächlich - noch nicht gehört. Dabei könnte ich mir Vorstellen, dass mir diese Naturtrompete in einem anderen Zusammenhang durchaus gefallen könnte. Der nette Putumayo-Sampler «South Africa», mit Stücken von Miriam Makeba, den Soul Brothers und - um nur die Bekanntesten zu nennen - dem Soweto Gospel Choir bringt die Tröte also nicht. Aber er unterhält auch gut. Die überwiegend lebendigen Stücke dieser Zusammenstellung machen gute Laune. «South Africa» spart zwar experimentelle Klänge ebenso aus wie HipHop oder Dance und beschränkt sich auf den erwartbaren, gefällig-fröhlichen World-Pop. Dass sich die Auswahl aber nicht nur auf bekannte Grössen mit ihren oftmals gehörten Liedern beschränkt, ist löblich. Auch wenn sie keine wirkliche Entdeckung bringt.

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Donnerstag, 3. Juni 2010
Torpedo Boyz - Return Of The Ausländers
Die Texte sind meist Nonsens (mitunter sogar höherer) und ihre Musik ist grob und funky -- die Torpedo Boyz wollen offenbar nichts anderes als Spaß haben und Spaß verbreiten. Das machen sie mit Wortwitz ("Ich bin Ausländer, leider zum Glück"), ohne Scheu vor starkem Akzent bei englischen Texten und mit Spass am Nonsens (was sich unter anderem daran zeigt, dass sie aus der Ansage des automatischen Wecksystem eines Hotels einen Song fabrizieren. Ob "Fat Mans Walk" oder "Silly On The Beach" (das wie die bekannte Kino-Eisreklame klamaukige Stranderbegebenheiten aneinanderreiht) ist charmant-schräg und verbreitet von Anfang bis zum Ende gute Laune.

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Sonntag, 9. Mai 2010
Nachlader - Koma Baby lebt
Lieder wie «Pommes und Disco» oder «Komm mit» könnten mit ihrem monotonen Sprechgesang auch von Die Sterne stammen. Und wer die Texte von deren Chef Frank Spilker mag, wird auch an denen von Daniel Baumann Gefallen finden. Der Berliner Musiker hat Spass am Wortspiel und fragt sich in bester Sterne-Manier zu seinem Kontostand «Warum muss ich immer Soll haben, obwohl ich Haben haben soll?» Für solche Texte hat er Talent, auch wenn er mitunter ein wenig kalauert.
Aber Daniel Baumann schreibt auch Lieder, deren Geschichte an den Witz von Karl Valentin oder Christian Morgenstern erinnern. So lässt sich der weltbeste Trampolinspringer ein Arbeitsgerät in der Größe von zwanzig Fußballfeldern hinstellen: «Er sprang so hoch wie nie im pittoresken Abendlicht, aber gelandet ist er bis heute nicht.»
Transportiert werden die Nachlader-Lieder von durchweg einfachem, relativ rustikalen Synthie-Pop. Baumann versucht nicht diesen zu glätten, komponiert aber mit Drive und lebt seinen Hang zum Mitsingrefrain aus. Das macht schon auf Konserve immer wieder gute Laune und könnte auch live ganz charmant wirken.

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Samstag, 8. Mai 2010
My Name Is George - The Bad Old Days Are Over
My Name Is George sehen sich als Live-Band. Daher ist es ihnen vermutlich nicht schwergefallen, sich den Gegebenheiten anzupassen und ihr neues Album, das dritte, zu einem vom Benutzer bestimmbaren Preis zum Herunterladen freizugeben. Nur eine limitierte, von jedem Bandmitglied signierte und mit zwei zusätzlichen Songs ausgestattete Auflage von 500 Stück haben sie brennen lassen.

Ihre Konzerterfahrung meint man auch auf der Konserve auszumachen. Sie spielen nach wie vor überwiegend fetzige, gitarrenorientierte und mit einem kräftigen Schuss Orgel versehene Stücke und haben einen Härtegrad zugelegt. Selbst wenn sie es ein wenig ruhiger angehen - beispielsweise beim Titelstück «The Bad Old Days Are Over», einem vorausschauenden Rückblick auf die von Schwermut getragene Jugendzeit -, bleibt der Klang voll und satt.

Nicht nur dieses Stück erinnert klanglich an die Beat-Zeit, das ganze Album durchzieht ein angenehm nostalgischer Hauch. Die Stücke sind poppig und geschmeidig und «Days Without You» hat gar das Zeug zum generationenübergreifenden Sommerhit.
Die überwiegend prächtig-treibenden Stücke auf «The Bad Old Days Are Over» werden den Ruf des Quintetts - das in diesem Jahr den Gästepreis beim Austrian Newcomer Award erhielt - weiter festigen.

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Mittwoch, 28. April 2010
Erstes Wiener Heimorgelorchester - Es wird schön gewesen sein
Die Zusammenarbeit des Ersten Wiener Heimorgelorchesters mit Ronnie Urini ist bezeichnend. Er hat die österreichische NDW-Variante in Gruppen wie Kleenex Aktiv, Willi Warma und Ronnie Urini & die letzten Poeten maßgeblich mitgeprägt, und das gemeinsam mit dem EWHO eingespielte Konrad-Bayer-Gedicht «Niemand hilft mir» ist eines der herausragenden Stücke dieser Zeit.

Die Musik des EWHO hätte auch damals entstanden sein können, in der Hochblüte der Austro-NDW, die von banalen Auswüchsen wie Nena oder Markus weitgehend verschont geblieben ist. Die billigen Heimorgelklänge - das Quartett erzeugt Klänge mit simplen Casio-, Bontempi- und Yamaha-Keyboards, wie sie in vielen Haushalten stehen - wirken zwar anachronistisch, doch gerade weil mittlerweile jede Band ein technisch sauber produziertes Album vorlegen kann, ist das Low-Tech-Konzept des EWHO so aktuell. Und zu dieser Musik macht sich die dadaistische Nonsens-Lyrik ausnehmend gut. «Baa ba ba ba Pfirsich Melba/ Baa-ba-ba-Banana Split/ Heute mache ich es selba/ aba aba bald machst du mit», singen sie fröhlich in «Pfirsich Melba», und in «Uri Geller» reihen sie bekannte Namen um des Reimes willen aneinander. Es gibt aber auch wortwitzig-hintersinnige Texte und aussagekräftige Bilder («Es ist erst Mittwoch/ und es riecht schon nach Fisch», im Lied «Weekend») oder auch 'attwengernde' Miniaturen wie das Stück «Ruhe im Zimmer».

In den Stücken steckt - textlich und musikalisch - wesentlich mehr, als das brachial-dumpfe «Vaduz» vermuten lässt, das dem EWHO derzeit zumindest im Bodenseeraum eine vergleichsweise hohe Aufmerksamkeit beschert.

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Mittwoch, 21. April 2010
Vinicio Capossela - The Story-faced Man
Der italienische Liedermacher Vinicio Capossela beschäftigt nicht von ungefähr Marc Ribot und Calexico: Er teilt ihre Liebe für eigenständig-schräge, nur schwer verortbare Musik. Wenn die Trompeten von Martin Wenk und Jacob Valenzuela durch «La Faccia Della Terra» wehen, hört man sofort den Ton von Calexico, aber es gibt keine Zweifel daran, dass ihre Klangfarbe 'nur' die attraktive Beigabe eines Liedes ist, das auch ohne sie bestehen könnte. Und wenn Vinicio Capossela mit italienischen Musikern spielt, stehen diese ihren bekannten Kollegen in nichts nach.
Vinicio Capossela interpretiert Lieder, als wären sie im Berlin des noch jungen 20. Jahrhunderts entstanden, er bringt 'klassische' italienische Lieder und solche, die wie alternative Schlager wirken. Er mag Piano-Balladen und weiche Streicherarrangements genauso wie eckige Rhythmen und apokalyptische Walzer.
Die möglicherweise unangenehme (finanzielle) Folge von «The Story-Faced Man»: Die ausgewählten Songs machen auf alle bisher erschienenen Alben Lust.

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Sonntag, 18. April 2010
Sa Dingding - Harmony
Das künstlerische Streben von Sa Dingding ist ernsthafter als es die Lieder von «Harmony» vermitteln. Zu vordergründig ist das Album produziert, oftmals zu geglättet die Melodieführung («Hua» beispielsweise könnte auch von einem beliebigen französischen Popsternchen geträllert werden), und die Elektronik überdeckt die immer wieder eingesetzten traditionellen Instrumente, deren Klangfarbe vor allem in den Intros und Outros zum Tragen kommt.

Viele Weltmusik-Produktionen kranken daran, dass das westliche Fundament - oft Synthie-Gewaber - mit den traditionellen Melodien, Rhythmen und Instrumenten nicht zusammenfinden. Das kann man «Harmony» nicht vorwerfen. Aber Marius de Vries, der für U2, Björk und Rufus Wainwright produzierte und hier auch die Stücke mitkomponierte, lebt viel zu sehr in der Elektronik-Popwelt und lässt den traditionellen Elementen keinen Raum. Das funktioniert zwar noch beim Auftakt-Song «Ha Ha Li Li», degradiert sie in der Regel aber zum Aufputz. Für eine Sängerin mit ernsthaften Liedern und künstlerischen Anliegen - sie geht sogar so weit, für manche Songs eine eigene Sprache zu erfinden - ist das nicht angemessen.

Dass Sa Dingding mit dieser Platte den Erfolg im Westen sucht, ist keineswegs verwerflich. Sie könnte ihn vermutlich auch mit Musik erreichen, die weniger vordergründig ist. Als Maßstab gelten weiterhin die gemeinsame Arbeit von Michael Brooks und Nusrat Fateh Ali Khan und die weltläufige Musik von Marie Boine Persen. «Harmony» ist - von Ausnahmen abgesehen - musikalisch weit davon entfernt.

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Samstag, 10. April 2010
Swingend, spritzig und witzig
«Head Over High Heels» - Songs aus Screwball Comedies
Beziehungskomödien aus den 1930er- und 1940er-Jahren, so genannte Screwball Comedies, schöpften nicht nur die Möglichkeiten des noch jungen Tonfilms aus: Sie hatten auch starke Frauencharaktere: frech, aufmüpfig und alles andere als auf den Mund gefallen. Und stimmgewaltig waren sie auch. «Head Over High Heels» versammelt 24 Perlen aus dieser Zeit, mit Sängerinnen wie Sophie Tucker, Mae West, Billie Holiday oder Carmen Miranda. Die Besetzungsliste liest sich wie ein 'Who is who' der großartigsten Sängerinnen der Zeit, welche hier durchweg spritzige und überaus witzige Songs präsentieren, die oft von ebenso hochkarätigen Komponisten stammen - etwa Jerome Kern, Irving Berlin oder Doris Fisher, deren «Put The Blame On Mame» hier nicht von ihr selbst, sondern von Rita Hayworth gesungen wird.
Eine herausragende Zusammenstellung für alle, die altmodische Musik mit zeitlosem Wortwitz schätzen.

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Sonntag, 14. März 2010
Toni Mahoni - Irgendwat is ja immer
Toni Mahoni ist ein Original. Das klingt nicht hip, denn Originale gelten als ausgestorben. Als es sie noch gab, wurden verschrobene Menschen so bezeichnet - solche, die auch dann unverrückbar ihren Weg gehen, wenn ihre Meinung nicht mehrheitsfähig ist. Originale sind immer kauzig, oft Einzelgänger und manchmal werden sie sogar berühmt: Karl Valentin in München, der Berner 'Dällebach Kari' oder der Wiener Ludwig Weinberger, besser bekannt als Waluliso.

Toni Mahoni ist ein Künstlername und es ist nicht auszumachen, wie viel Autobiographisches in der Figur steckt, die in einem Videoblog regelmäßig ihre Ansichten zur Lage der Welt kundtut, gleichermassen gewitzt und banal. Mit seinem kräftigen Berliner Dialekt wirkt Toni Mahoni authentisch. Er präsentiert sich durchweg verschmitzt und selbstironisch - und jetzt bereits seine zweite Platte.

Als Musiker ist er viel konventioneller als seine Videoblogs vermuten lassen - und das ist durchaus gut so. Seine verschmitzten und ausgelassenen Texte - über die Liebe und Freundschaft, den Frühling und Alltägliches -- sind nicht ausnahmslos albern, es gibt auch ernsthafte. Mit rauer Raspelstimme und von seiner veritablen Band begleitet, spielt er sich durch Tango und Country, er swingt und gibt sich getragen, düster-melancholisch oder spielt Lieder an der Grenze zum Schlager.

Der Berliner Musiker bleibt seiner Blog-Kunstfigur Toni Mahoni treu, indem er albern und unkonventionell die gleiche Lebenseinstellung vermittelt. Wahrscheinlich sind seine persönlichen Ansichten mit denen seiner Kunstfigur recht deckungsgleich. Wesentlicher ist jedoch, dass er und seine Band die Lieder mit einem größeren Anspruch umsetzen als er es in seinen charmant-unperfekten Videoblogs tut.

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