Sonntag, 20. März 2011
M. Walking On The Water – Flowers For The Departed
M. Walking On The Water landete als respektable deutsche Indie-Band einige Jahre nach der Gründung bei einem Major-Label und schaffte es sogar auf die hinteren Rängen der Charts. Nach sieben Alben in zwölf Jahren beendete die Band ihre Arbeit - vorübergehend, wie sich Anfang dieses Jahres herausstellte. Denn vor kurzem ist nach vierzehnjähriger Pause das neue Album "Flowers For The Departed" erschienen.

Die Krefelder Gruppe hat zweifellos ein Talent für eingängige Melodien, und sie richten diese gerne üppig an. Es gibt Tempiwechsel, mal ein Stück im Zweivierteltakt und immer wieder nette Akzente. Das alles macht jedoch «Flowers Of The Departed» zu nicht mehr als einem soliden Album. Zwar gibt es Höhepunkte wie «Questionmark» mit seinem heftigen Auftakt oder den Rumba-Rhythmus von «Twist Your Head». Aber schon letzterem mangelt es auf Dauer an Intensität. Gut vorstellbar, dass sich diese bei den Konzerten noch steigert.

Trotzdem: Wirklich herausragende Stücke bringt die Band nicht, es überwiegen die durchschnittlich-öden Stücke «Heavenlove», «Song For The Nameless» oder «Lucky Girl». Selbst die überzeugenderen machen nicht wunschlos glücklich. Bei «Dust In The Suitcase» etwa wünscht man sich die Bissigkeit eines Philip Boa, das durch einen Kinderchor angenehm aufgehübschte, aber ebenfalls wie von Boa abgekupferte «Questionmark» bremst völlig unnötig ein zwanghaft wirkendes Break.

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Mittwoch, 2. Februar 2011
Caroline Henderson - Keeper Of The Flame
Angenehm nostalgisch mit einem Hauch Zeitlosigkeit: Caroline Henderson eignet sich Jazz-Klassiker wie Duke Ellingtons «Caravan» und Popsongs wie «This Is Love» von PJ Harvey an. «Get Out Of Town» (Cole Porter) verbreitet Bar-Atmosphäre, und die Eigenkomposition «Evolution» bringt mit ihrer stupenden Akkordbegleitung auf dem Klavier ein wenig Seventies-Pop-Stimmung. Hendersons Interpretation von Tom Waits' «Yesterday Is Here» steht dem Original in nichts nach. Nur selten werden - wie «Evolution» - die Songs etwas gar plakativ oder gar süßlich, wie etwa das Dylan-Cover «Ring Them Bells» mit seinem an Kitsch grenzenden Chor. Besonders eindringlich wirken die in reduzierter Besetzung eingespielten Stücke, aber auch die immer wieder eingesetzten Bläsersätze gefallen.
Die Meriten für das Album mit ausnahmslos langsamen Stücken darf sich die Sängerin mit den Musikern teilen: Ihre passend zu Hendersons Stimme durchweg leicht unterkühlt wirkende, eigenständige Begleitung ist ein unverzichtbarer Bestandteil dieser großartigen Interpretationen.

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Dienstag, 11. Januar 2011
Super Preachers - The Underdog
Die Super Preachers verbinden das dreckige Filmmusik-Saxophon der 1960er-Jahre mit Rap und TripHop-Stimmung. Der Franzose François Carles, Kopf der Super Preachers, sampelt Klangschnipsel und integriert poppig-altmodischen Chorgesang. Songs wie "Homme Fatal" wirken wie eine Reminiszenz an den französischen Schlager der 1960er; und das herrlich altmodisch klingende "Do Da Swing" schwingt wie im Titel versprochen. Das ist alles charmant und oft auch angenehm schräg. Die Super Preachers sind dabei meistens zu eigenwillig, um als glatter Pop durchzugehen, und gleichzeitig gefällig genug, um nicht in die allerobskurste Ecke abgeschoben zu werden. Vorreiter wie Beck (Hansen) haben Gleichartiges allerdings schon vor mehr als 15 Jahren gemacht.

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Freitag, 3. Dezember 2010
Coconami - Ensoku
Das Konzept von Coconami erscheint einfach: Sie setzen auf den Exotenbonus. Nachzuahmen sind sie trotzdem nicht so leicht. Denn erstens sind Coconami zwei in München gestrandete Japaner, und zweitens – schon eher kopierbar – haben sie ein eindeutiges Faible für die Ukulele. Darüber hinaus reisen sie lieber mit leichtem Gepäck und bringen nicht mehr mit als Melodica, Glockenspiel und ihre Suzuki Andes, eine japanische Tastenharmonika.

Das alles taugt nicht nur für Kinderlieder: Die Coverversion des italienischen Rock'n'Roll-Schlagers der 1960er-Jahre «Tintarella di luna» rockt ganz schön – wenn auch nicht unbedingt im ursprünglichen Sinn des Wortes. Dazu spielen sich Coconami durch eine Reihe von unterschiedlichen Coverversionen, etwa das romantische «Dreamland» von den Moonlighters, die «Stern-Polka» und einen «Boarischen» oder die Rockballade «Sweet Child O'Mine», der sie das übertriebene Pathos der Guns'n'Roses nehmen. Auch der «bayerische Japaner» Ferdl Schuster ist wiederum dabei. Die sprechgesungene «Kaiserbirne» des Wirte-Originals aus dem Münchner Stadtteil Haidhausen ist sicher nicht das schlechteste Stück.

Die wenigen eigenen Stücke – mit einfachen Melodien und mitunter ansatzweise hauchiger Stimme gesungen – fallen gegen die Coverversionen deutlich ab. «Ananas Man», ein witziges Instrumentalstück, tröstet darüber hinweg, dass den Eigenkompositionen die geschmeidigen Melodien und Rhythmen fehlen. Dafür haben sie die «Three Cool Cats» (von Jerry Leiber und Mike Stoller, die zu den wichtigsten US-amerikanischen Hitproduzenten der 1950/60er-Jahre zählen) und eine glückliche Hand bei der Wahl der Coverversionen und ihrer Arrangements.

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Dienstag, 30. November 2010
Quatuor Ébène - Fiction
Crossover ist ein alter Hut, auch in der Klassik. Pogorelich versetzte Beethoven einen Schuss Jazz, das Kronos Quartet spielte Hendrix und ließ afrikanische Musiker für sich komponieren – ihr "Peaces of Africa" (1992) ist ein Meilenstein, heute spielen sie auch Sigur Rós und Nine Inch Nails.

Die Möglichkeiten sich in anderen Gefielden zu tummeln sind nach wie vor unerschöpflich, und die französischen Kammermusiker spielen nicht nur Bartok, Brahms und Debussy, sondern wildern gerne in Pop, Jazz und Filmmusik. Dafür arbeiten sie mit dem Schlagzeuger Richard Héry zusammen, laden Sängerinnen wie Luz Casal, Stacey Kent und Fanny Ardant ein und spielen Stücke von den Beatles ("Come Together") und Bruce Springsteen ("Philadelphia") genauso wie Tango, Bossa Nova und Jazz-Standards. Das klingt zwar nach einem Unterhaltungsprogramm, geht aber über Stücke wie "Misirlou" ("Pulp Fiction") hinaus, das zwar auch virtuos, vor allem aber effekthascherisch ist. Aber selbst wenn sie Kompositionen wie das früher von Rita Hayworth gesungene und oft gecoverte "Over The Rainbow" durchaus passend süßlich interpretieren, werden Quatuor Ebène niemals kitschig.

Und sie überzeugen mit einer interessanten Stilpalette und wechseln zwischen sperrig-anspruchsvollen und eingängig-gefäligen Stücken: Quatuor Ébène sind funky, chansonesque und Gipsy-jazzig, spielen erst im relaxten Latin-Stil, dann wieder feurig-virtuos und bei Bedarf auch einfühlsam-weich.

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Samstag, 20. November 2010
Lobe Traoré - Rainy Season Blues
Auch wenn gerne kolportiert wird, dass der Blues aus Afrika komme: Der malische Gitarrist Lobi Traoré hat sich an amerikanischen Vorbildern orientiert. Kraftvolle Blueser wie John Lee Hooker haben es ihm dabei genauso angetan wie Rockmusik. Er stand immer mit seiner E-Gitarre auf der Bühne und spielte den Blues hart und treibend – anders als der aus dem Nordosten des Landes stammende Grammy-Gewinner Ali Farka Touré. Dieser hatte Lobi Traorés Album «Bamako» (1994) produziert, das bei seinem Erscheinen von der französischen Tageszeitung Libération als eines der besten Rockalben des Jahres bezeichnet wurde.

Kurz vor seinem plötzlichen Tod – Lobi Traoré starb im Sommer 2010 nur 49-jährig an Herzversagen – führte ein Missverständnis zu Aufnahmen mit der Akustik-Gitarre. Chris Eckman, Kopf der Walkabouts, nahm in Bamako mit der Desert-Blues-Band Tamikrest ein Album auf und gewährte Lobi Traoré einen Studiotag. Das reichte nicht für Aufnahmen mit Band. Daher spielte Traoré zehn Songs mit der akustischen Gitarre ein.
Diese zeigen eine neue Facette des Künstlers. Er spielt zwar dezidiert den Blues, aber wesentlich sanfter und gleichförmiger. Wenn er dazu, wie etwa bei «Siguidalen», mit seiner vollen Stimme und in einem an Talking Blues angelehnten monotonen Erzählrhythmus spielt, erinnert Traoré – der auch Kora und Ngoni spielte und für seine Auftritte als Hochzeitsmusiker ein gehöriges Repertoire an traditionellen Stücken im Programm hatte – durchaus an den Stil, mit dem die Griots der Bambara ihre überlieferten Geschichten und Lobpreisungen darbieten. Traoré spielt nur selten fließend, sondern überwiegend rhythmisch-pointierte und mitunter leicht abgehackte, redundante Phrasen.
Die zehn Stücke sind keine Zusammenfassung seiner früheren Arbeit und somit auch kein Vermächtnis. Der sanft zwischen sperrig-anspruchsvollen und eingängig-gefälligen Stücken wechselnde akustische Blues ist aber nicht weniger als eine völlig neue und überraschende Facette des großartigen Blues-Musikers aus Mali.

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Sonntag, 10. Oktober 2010
The Vaselines - Sex With An X
Frances McKee und Eugene Kelly haben das Bett und den Proberaum geteilt. Sie haben ein Platte gemacht und sich danach getrennt. Jetzt sind sie wieder zusammen - zumindest musikalisch gibt das «Sex with an X».

Nach dem ersten Album, «Dum-Dum», trennten sich The Vaselines. Das war vor zwanzig Jahren. Danach wurden sie berühmt. Denn Kurt Cobain (Nirvana) coverte ihre Songs und wurde nicht müde, sie als Referenz zu erwähnen. Obwohl Eugene Kelly mit der Nachfolgeband der Vaselines im Schlepptau von Nirvana als deren Vorgruppe auf Welttournee gehen konnte, wollte es mit der Solokarriere offenbar nicht so richtig klappten. 2006 spielten Frances McKee und Eugene Kelly wieder erste gemeinsame Konzerte - sie wollten vor allem ihre jeweiligen Solo-Alben bewerben. Das hat wohl nichts genützt, aber die Beziehung offenbar weiter verbessert: Zwar nicht nach neuen Monaten, aber immerhin nach vier Jahren ist auch ein neues, halbkrachiges Indie-Pop-Album da.

The Vaselines setzen auf eingängige Melodien, die sie mit mal mehr, mal weniger lärmigen Gitarren unterfüttern. Dazu singen sie gerne zweistimmig. So klingen sie einerseits ein bisschen wild und gleichzeitig machen sie hübschen Schmuse-Rock'n'Roll nach Art des Retro-Garage-Schicks der Raveonettes. Die 1960er-Jahre lassen grüssen.
Der wild-energische Auftakt («Ruined») kündigt also nicht das weitere Programm an. Er ist vielmehr das Band zum wilderen Gestern, an dem The Vaselines ihre Hörer in das harmonischere Heute ziehen (das in einem anderen Sinn wieder ganz nach gestern klingt). Auch The Vaselines passen ihren Stil ans Alter an und lassen es etwas weniger krachen. Ihr Stilgefühl haben sie jedoch keineswegs verloren. Die immer wieder twangig und mit viel Tremolo gespielte Gitarre wirkt ebenso nostalgisch wie das an Lee Hazelwood und Nancy Sinatra gemahnenden «question and answer»-Duett «Turn It On». Die Chorusse in «Sex With An X» oder «Such A Fool» wiederum lassen einen gesunden Hang zum Kitsch erkennen.

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Freitag, 27. August 2010
Joseph von Westphalen - Wie man mit Jazz die Herzen der Frauen gewinnt
Vor mehr als zehn Jahren erschien unter dem so kuriosen wie anziehendem Titel «Wie man mit Jazz die Herzen der Frauen gewinnt» eine exqusite Zusammenstellung der unterschiedlichsten Jazz-Stücke von den 1920er- bis zu den 1940er-Jahren. Der Autor und Jazzfan Joseph von Westphalen holte dabei nicht nur die besten Stücke aus seinem Fundus, sondern brachte die Stücke in Verbindung zu seinen Duckwitz-Romanen, deren Protagonist Harry von Duckwitz bekanntermassen ein ausgewiesener Jazzfan ist. Mit den ausführlichen Begleittexten leistete er sich eine zusätzliche Schelmerei, die - wenngleich sie nicht notwendig gewesen wäre - den Enthusiasmus zeigt, mit dem von Westphalen die Sammlung zusammengestellt hat und wie viel Herblut er mit dieser Musik verbindet. Es war grossartig. Und auf die ersten Zusammenstellung mit vier CDs folgten zwei weitere, nicht minder hervorragende, «'Mehr Jazz!', sagten die Frauen» und «Jazz macht Frauen Beine».

Dass die mittlerweile vergriffenen Sets als Sonderausgabe neu aufgelegt wurden, ist erfreulich. Sieben Alben in einer schmucken Schachtel. Sieben, weil auf eine CD mit Texten verzichtet wurde. Das ist nicht tragisch. Ärgerlich ist jedoch, dass die versprochene Bonus-CD mit zwanzig neu entdeckten Songs fehlt - mit der fadenscheinigen Ausrede, Westphalens Zusammenstellungen hätten es «zu einem gewissen Klassikerstatus gebracht, und etwas Klassisches muss man belassen wie es ist.»
So taugt das Set für diejenigen, die es nicht kennen - die anderen können es verschenken, selbst aber gehen sie leer aus.

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Donnerstag, 19. August 2010
Kareyce Fotso - Kwenge
Ihre Stimme und eine simpel gezupfte Gitarre reichen Kareyce Fotso, um eine anheimelnd-eindringliche Stimmung zu evozieren. Dass sie ihre Lieder trotzdem mit Berimbau (einem Musikbogen, dessen Ursprung in Zentralafrika liegt, der aber auch in Brasilien beheimatet ist) oder auch mit Kalebassen und Djembé anreichert, ist eine willkommene Abwechslung. Die Sängerin und Schauspielerin aus Kamerun, die ursprünglich als Biochemikerin reüssieren wollte, schreibt ihre Lieder selbst, hat die meisten arrangiert und spielt auch Senza (Daumenklavier) und Percussion.
In ihren überwiegend harmonischen, eingängigen Stücken vermittelt Kareyce Fotso ernsthafte Anliegen: die mangelnde Wiederaufforstung und die Frage, wovon die Nachkommen einmal leben sollen, den Umgang mit der Ehe oder die Emigration ihrer Landsleute.
Die Möglichkeit diese Inhalte eingehender zu vermitteln und nachprüfbar zu machen, ob auch die Sprachmacht mit der Stimme mithalten kann, bietet das Label leider nicht. Denn die Texte werden nur in der Original-Sprache abgedruckt - und das ist bis auf wenige Ausnahmen eine afrikanische, in Französisch und Englisch gibt es leider nur eine äußerst kurze Zusammenfassung.

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Montag, 19. Juli 2010
Youssou N'Dour - Dakar-Kingston
Der senegalesische Popmusiker outet sich als Reggae-Fan, der er angeblisch schon seit seiner Jugend ist, und spielt sein jüngstes Album mit entsprechend adaptierten alten und neuen Stücken ein. Im von Bob Marley gegründeten Studio in Kingston, Jamaika, sorgen auch dessen ehemalige Musiker - Keyboarder Tyrone Downie, Gitarrist Earl «Chinna» Smith und Saxophonist Dean Fraser - dafür, dass Rhythmus und Klangfarbe stimmen. Diese Minimalanforderungen sind erfüllt, weiter reicht das Album nicht. Youssou N'Dour wird nicht zum prägenden Gestalter, sondern gibt sich mit der Rolle des Nachahmers zufrieden. So plätschern die Songs auf «Dakar - Kingston» gemütlich und ohne Höhepunkte oder Besonderheiten dahin. Ein überraschend banales Album, das nicht mehr bietet als die Hintergrundmusik für einen heißen Sommertag am See.

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