Dienstag, 25. September 2007
Es braucht nicht viel
Say Hi - Impeccable Blahs
Makellosen Humbug verspricht der New Yorker Eric Elbogen. Das bezieht sich aber nicht auf das ganze Werk. Während die Texte angenehm durchgeknallt sind, liefern Say Hi eingängigen, variantenreichen Indie-Rock. Dieser ist meist düster oder allenfalls von ziemlich verhaltener Fröhlichkeit, dazu durchgängig simpel und doch raffiniert: Mal wird der einfache, nur mit Bass und Trommel gespielte Grundrhythmus von einem elegischen Breitwand-Refrain gebrochen, dann orgelt ein Keyboard eine fröhliche Melodie, zu der man sich die Stimme von Françoise Hardy genauso vorstellen kann wie die von Françoise Cactus – was nicht besser wäre, denn auch Eric Elbogen liegt immer wieder angenehm daneben.

Say Hi stellen die schlichte, waverockige und mitunter elegische Gitarre in den Vordergrund – und mit "Angels And Darlas" täuschen sie zumindest im Intro richtig fröhlichen Spacerock an.

Impeccable Blahs, bereits seit Sommer des vergangenen Jahres als Import erhältlich, ist jetzt auch in Deutschland erschienen.

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Dienstag, 11. September 2007
Gehobelt, aber ungeschliffen
Introducing Kenge Kenge
Ursprünglich waren Kenge Kenge die Backing-Band eines staatlich geförderten Chors, der religiöse und patriotische Lieder sang. Gegründet zu Anfang der 1990er Jahre, trennten sie sich schon nach wenigen Jahre, um sich der eigenen Karriere zu widmen. Sie tauschten die elektrifizierten, modernen Instrumente gegen die Orutu, eine einseitige Geige, fügten Percussion, Flöte und Bläser hinzu, um den Sound zu modernisieren. So ausgestattet widmeten sie sich dem Benga, der traditionellen Musik des am kenianischen Viktoriasee ansässigen Volks der Luo.

Wer die mitreißende kongolesische Strassenband Konono Nr. 1 mag, findet auch an den treibenden Stücken von Kenge Kenge Gefallen. Denn der Benga ist von der kongolesischen Musik beeinflusst. Der Klang von Kenge Kenge ist domestizierter, weniger roh als der ihrer Kollegen aus dem Kongo. Aber ihre Songs – eine Mischung aus traditionellen Liedern und neuen Kompositionen – ist nicht für westliche Ohren zu Tode geglättet. Er ist gehobelt, aber ungeschliffen, fetzige Partymusik, die auch im Wohnzimmer für gute Laune sorgt.

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Donnerstag, 2. August 2007
Müll allein ist keine Qualität
Urban jr. - E-B.O.M.B
Früher musste man handwerklich ziemlich versiert sein, wenn man eine Ein-Mann-Band gründete. Seit die Preise bei den Synthesizern gefallen sind – also schon ziemlich lange – ist es ziemlich einfach. Man lässt den Synthesizer quaken, schrammelt und shoutet ein bisschen dazu, und schon ist die Sache geritzt.

Schon in den 1980er Jahren hat das Stephan Eicher ziemlich eloquent und mit mehr als anständigen Songs gemacht. Damit kann sich Urban jr. natürlich nicht messen. Wahrscheinlich ist er ohnehin zu jung, um überhaupt davon zu wissen. Ausserdem hat er eine andere Richtung eingeschlagen: Trash ist die Devise. Dieses Feld ist zwar auch schon besetzt, aber welches Feld ist nicht schon überfüllt?

Man könnte es ja immer noch besser machen als die Vorgänger. Macht Uran jr. aber nicht. Als Alleinunterhalter bleibt Reverend Beat-Man (Berufsbezeichnung: President, founder and master of spreading bad taste around the globe) der ungekrönte King des rohen Klangs. Über sein Label Voodoo Rhythm (Slogan: Music to ruin every party) vertreibt er auch kollektiv produzierten Trash.

Der Trash-Faktor von Reverend Beat-Man ist kaum zu überbieten, und Urban jr. kann ihm nicht das Wasser reichen. Wenn man das Konventionelle nicht scheut und nicht so genau auf die Texte hört, ist er trotzdem nicht von ganz schlechten Eltern. Mittelprächtig, aber vorübergehend ganz unterhaltsam.

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Montag, 30. Juli 2007
Auf dem Boden
Siva - The Story Is Complete, But I Think We've Lost The Book
Es ist fast schon charmant, wie vollmundig die Plattenfirma die Berliner Band mit The Postal Service, The Notwist oder gar Radiohead referenziert – nur um sie im nächsten Satz gleich wieder auf den harten Boden der Tatsachen zu holen: Dies mag sicherlich etwas hoch gegriffen sein, heißt es weiter. Das ist richtig und ehrlich – und wirkt, auch wenn Siva von ihren Vorbildern tatsächlich noch ein gutes Stück entfernt sind, trotzdem ein bisschen ungerecht.

Auf ihrem Debüt-Album geben Siva die Richtung vor: Getragene Songs, mit leidendem Duktus vorgetragen, nur mäßig eigenständig und alles in allem ein wenig langatmig geraten, was das Album zu eintönig macht. Immerhin: Die Richtung ist immer klar – und irgendwann werden sie ihren eigenen Weg gehen. Nur jetzt spielen Siva ihren Vorbildern noch allzu offensichtlich hinterher. Das geht nur bedingt gut. Denn wer sich in die Nähe von Tom Yorkes berückendem Gesang begibt, kann eigentlich nur verlieren.

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Dienstag, 24. Juli 2007
Die Veteranen und ihre Gäste
Bratsch laden Khaled, Lhasa, Charles Aznavour, Nourith und "Plein du monde" zum Mitmachen ein
Bratsch sind eine Institution. Die Franzosen haben sich seit 25 Jahren der Weltmusik verschrieben und widmen sich dabei vornehmlich der Musik des Balkans und der jüdischen Musik. Bratsch sind jedoch keine konservativen Bewahrer, sondern entwickeln die Musik weiter. Das hat sie zu Vorbildern für Gruppen wie Debout sur le Zinc oder La Rue Kétanou gemacht, die auch auf Plein du monde mit dabei sind.

Wenn die Weltmusik-Veteranen zur gemeinsamen Arbeit einladen, geht es nicht -- wie bei so vielen Kollaborationen -- darum, das eigene Album aufzuhübschen und vom Bekanntheitsgrad der Beiträger zu profitieren.
Bei Projekten wie Plein du monde sollen beide Seiten weiterkommen. So steuert Khaled nicht nur arabische Melodielinien bei, sondern singt auch ein Stück in Romanisch, während Charles Aznavour in die armenische Sprache und Musik eintaucht.
Wie gewohnt, integrieren die Franzosen Stimmen und Stimmungen zum typischen, abwechslungsreichen und überwiegend mitreißenden Bratsch-Sound, jeder Gast wirkt wie die natürliche Erweiterung der Gruppe.

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Mittwoch, 27. Juni 2007
Überwiegend seicht
Angelique Kidjo - Djin Djin
In der Weltmusik ist Angelique Kidjo eine feste Größe und liefert beständig gute Alben, die auch auf Anhieb als ihre zu erkennen sind. Das liegt nicht nur an ihrer markanten Stimme; die kleine und überaus quirlige Sängerin aus Benin hat ihren eigenen, fröhlich-mitreißenden Sound entwickelt.

Angelique Kidjo hat immer schon die Begegnung mit westlicher Musik gesucht und sie weit in den Vordergrund gestellt. Das geht mit Djin Djin noch weiter als bisher: Das Album ist zur Hälfte mit Gästen wie Joss Stone, Alicia Keys, Peter Gabriel, Joy Denalane, Carlos Santana oder Ziggy Marley eingespielt. Das ist zwar recht nett zu hören, aber Entzücken stellt sich deswegen noch lange nicht ein – weder, wenn man die wie immer klingende Gitarre von Carlos Santana hört, noch wenn Joss Stone eine völlig überflüssige Neuinterpretation von Gimme Shelter mitsingt.

So präsentiert Angelique Kidjo überwiegend Seichtes und nur selten Interessantes wie eine Neuinterpretation von Maurice Ravels "Bolero".

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Sonntag, 3. Juni 2007
Schamane des Eises und der Finsternis
Terje Isungset - Two Moons
Terje Isungset hat sein eigenes Genre erfunden: Eismusik. Seine Kompositionen klingen gleichermaßen modern und archaiisch. Immer wieder findet man Ambient-ähnliche Klänge. Doch dann gibt es wieder gutturalen, dem Grunzen nich unähnlichen Gesang oder - gleich zum Auftakt - eine dem Naturjodel ähnliche Melodie. Der Klang der Eistrompete wirkt zwischendurch wie vom Freejazz inspiriert.

Dass die Instrumente aus Eis äusserst vergänglich sind und schwierige Aufnahmebedingungen voraussetzen, mag kurios und aufsehenerregend sein. Inwiefern das die Musik beeinflusst - abgesehen vom Klang und der Limitierung - ist nicht festzustellen. Vielleicht würde Per Jørgensen, der Terje Isungset dieses Mal begleitet, auch im Studio die endlose Weite herbeisingen; möglicherweise würde Terje Isungset seine eigenwilligen Klangwelten auch mit anderen Utensilien ebenso eindrucksvoll kreieren.

Ohne den Hintergrund zu kennen, könnte man bei einigen Klängen vermuten, sie seien am Computer entstanden oder bearbeitete Alltagsgeräusche. Mitunter wurde auch festgestellt, dass Isungsets Musik dem Ambient nicht unähnlich sei. Dem ist eindeutig zu widersprechen: Natürlich kann man auch die Kompositionen von Terje Isungset im Hintergrund plätschern lassen. Wer sie jedoch an sich heranlässt, taucht in eine eigene Welt - die schön sein kann und romantische Bilder evoziert, aber auch abgrundtief und beklemmend.

Oberflächlich gehört, ist die Eismusik von Terje Isungset ein willkommenes Kuriosum in der Musikgeschichte. Die künstlerische Herausforderung der limitierten Klangwelt kehrt er jedoch ins Gegenteil: Seine Musik wird nicht simpel, sondern tiefgründig und neuartig und wirkt schamanisch und modern zugleich.

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Dienstag, 15. Mai 2007
Haltet das Schicksal fest
Über das Debütalbum von Viex Farka Touré
Kinder begnadeter Eltern haben es besonders schwer, wenn sie in die Fußstapfen ihrer Altvorderen treten. Erst nach dem Tod des malischen Grammy-Gewinners Ali Farka Touré ist dessen Sohn Vieux auf der Bildfläche erschienen. Vielleicht aus Respekt, den er seinem Vater auch mit der Aufnahme eines von Issy Sory Bamba gesungenen Liedes erweist.

Kurz vor seinem Ableben gab Ali Farka Touré seinem Sohn Starthilfe und verhalf ihm nicht nur zu den besten Songs auf dem Album, sondern brachte auch seine Beziehungen mit ein: Auch Toumani Diabaté ist dabei, einer der weltbesten Kora-Spieler.

Das ist schön, schmälert aber keineswegs die Leistung von Vieux Farka Touré, der die meisten Songs schrieb, singt, Gitarren und Kalebasse spielt und auch bei den Arrangements mitmischte. Er entwickelt, anders als sein Vater, keinen völlig eigenen Stil, aber seine eigene Spielart. Dafür vermischt er traditionelle, fließende Mandinge-Rhythmen und -Melodien mit dem entspannten, leichten Blues seines Vaters und bringt zwischendurch auch Reggae-Rhythmen unter. Seine Lieder singt er in Bambara, Fulani oder Sonrai, also in Sprachen, die seine Landsleute verstehen.
Dass Vieux Farka Touré auch mit den Texten seiner Heimat treu bleibt, versteht sich fast von selbst. Er singt Lobpreisungen in der Art der Griots oder appelliert an seine Hörerinnen und Hörer: Meine Brüder und Schwestern/Ihr müsst wissen, wie ihr das Schicksal festhalten und wie ihr zusammenleben könnt.
Vieux Farka Touré führt mit seinem herausragenden Debüt die Tradition also in jeder Hinsicht fort, die seines Vaters genauso wie die der malischen Musik im Allgemeinen.

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Sonntag, 6. Mai 2007
Atmosphärisch, kernig und erdig
Kings Of Leon - Because Of The Times
Auf den ersten beiden Alben haben die Kings Of Leon schon mit den ersten Takten erstklassige Musik angekündigt - und ihr Versprechen wahr gemacht. Because Of The Times lässt es ruhiger angehen, bleibt es in der Regel auch - und ist deswegen nicht minder großartig. Allerdings erschließt sich das Album nicht auf Anhieb.

Natürlich lebt Because Of The Times von Caleb Followills leicht nölig-rotziger Stimme, und dass er mitunter so singt, als ob ihn nichts etwas anginge: I don't care what nobody says, gibt er sofort zur im Hintergrund flirrenden Gitarre Bescheid. Aber anders als bei den ungestümen Vorgängern bleibt das dritte Album der Kings Of Leon trotz gelegentlich heftiger Interventionen ruhiger, die Songs sind "luftiger" und dadurch wesentlich atmosphärischer. Immer wieder bauschen die Kings Of Leon ihre Songs zu Rock-Ungetümen auf, fahren mit im Grunde altmodischen Gitarrengewittern dazwischen. Aber sie kontrastieren damit nicht einfach die ruhigen Passagen und fahren ihnen nicht in die Parade: Das Heftige entwickelt sich harmonisch von innen. Das ist viel spannender, ausgewogener - und letztlich die wahre Kunst.

Auf oberflächliche Effekte verzichtet die Band völlig. Und wenn sie beispielsweise "The Runner" mit einer Gospel-Anleihe ausklingen lassen, dann finden die Kings Of Leon auch dafür einen eigenen Klang.

Im Grunde macht das Quartett altmodische Rockmusik mit einfachsten Mitteln: Sie kreieren keine völlig neue Klangwelt, bringen keine außergewöhnlichen Instrumente zusammen und verbinden keine unterschiedlichen Stile. Die Kings of Leon konzentrieren sich vielmehr auf den Song und loten ihn mit den "traditionellen" Mitteln der Rockmusik aus. So kommen sie zu einem stimmungsvoll-facettenreichen Album, das gleichzeitig überaus homogenen ist. So machen sie mit dem alten Werkzeug moderne Musik. So klingt Rock heute - und in den nächsten Jahren auch noch.

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Samstag, 17. März 2007
Sirenengesänge
Die Zimmermänner - Fortpflanzungssupermarkt
Sie waren ein Phänomen der 1980er Jahre: Zu altklugen Texten und Nonsensversen machten die Zimmermänner Musik, die weniger hölzern war als die vergleichbarer NDW-Bands, etwa Palais Schaumburg (an die hier "Ich bin ein Wurm" erinnert). Die Zimmermänner tauchten kurz auf, um dann lange weg zu sein; eine der vielen, und sicher eine der prächtigeren NDW-Sternschnuppen. Bis jetzt waren die Zimmermänner Nostalgie, die man als Zitat und Attitüde bei Peter Licht gut finden kann.

Jetzt sind sie wieder da und knüpfen an, wo sie vor 23 Jahren aufgehört haben. Doch keine Spur von Nostalgie. Natürlich leisten sie sich ihre Ausrutscher, sind Sätze wie "Warum schmust du nie mit meinem Gehirn" blöd. Aber poppige Refrains wie Du bist März und ich September und dein Mai ist mein November versöhnen unverzüglich, laden zum Mitsingen ein. Zudem verbinden die Zimmermänner Pop und Intellekt, zeichnen sie doch mit März/September das sinnige Bild der ungewöhnlichen Beziehung eines alten Mannes zu einer jungen Ausländerin. Die Zimmermänner reimen nur die Eckpunkte, die Geschichte der beiden darf man sich selbst dazu erfinden - und die Moral, wer sie braucht, auch. Mama, Baby, Joe mit den Zeilen Mama feiert arbeitslos in meiner Wohnung/und ich darf die Getränke bezahlen, quasi als Belohnung ist eine kuriose Variante des Generationenkonflikts. Levitenlesen in A-Dur ironisiert Ideale, die noch immer (oder immer wieder) als Schlagworte herumgeistern. Ihren Standpunkt geben die Zimmermänner aber auch hier nicht preis.

Die Zimmermänner wirken jetzt nicht mehr altklug, sondern intellektuell verspielt. Das macht Spaß. Umso mehr, als sie die Texte in Musik verpacken, in der Schlager, Easy Listening, Disco und Elektrobeat anklingen. Der klugen wie leichtfüßigen Umsetzung gelingt es fast über die Qualität der Texte hinwegzutäuschen. Lauft ruhig in den von den Zimmermännern gebauten Hafen ein - aber vergesst nicht, dass hier Sirenen singen.

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