Montag, 6. Oktober 2008
Patricia Barber - The Cole Porter Mix
Die Auseinandersetzung mit Material des Great American Songbook geht in eine neue Runde: Doch wenn Patricia Barber sich die Kompositionen von Cole Porter vornimmt, geht es nicht um die gefällige Präsentation einiger bekannter Lieder. Diese sind auch nicht nur dafür da, ihre erstklassige Stimme zu präsentieren. So singt sie etwa "I Get A Kick Out Of You" nicht gewohnt schmissig, sondern äußerst ruhig – aber nicht weniger eindringlich als die forschen Interpretationen. "In The Still Of The Night" lässt sie durch einen Samba-Rhythmus luftig swingen, und immer wieder setzt sie mit der Melodica eigenwillige Akzente. Obwohl überwiegend dunkel und zurückhaltend eingespielt, geizen ihre Mitmusiker – allen voran Saxofonist Chris Potter und der Gitarrist Neal Alger, aber auch Patricia Barber selbst am Klavier – nicht mit furiosen und überwiegend melodiösen Soli.
Die drei Eigenkompositionen, die Barber zu den zehn Stücken von Cole Porter gestellt hat, stehen diesen in nichts nach und zeigen, dass sie nicht nur eine erstklassige Interpretin, sondern auch eine hervorragende Komponistin ist; ein Beweis, den sie nicht zum ersten Mal erbringt.

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Dienstag, 9. September 2008
World Music Instruments: Magic Banjo
Man kennt es in Indien und in der Türkei, auf den Bahamas, in Brasilien und in Belgien, in Nigeria und in den USA sowieso: Die Rede ist nicht von "La Paloma", dem weltweit meistinterpretierten Lied, sondern vom überwiegend belächelten Banjo. Wer meint, das Instrument mit afrikanischen Wurzeln und einem recht eigenwilligen Klang tauge nur für Bluegrass und New Orleans Jazz, kann mit "Magic Banjo" seinen Horizont erweitern.

Das schmucke Büchelchen im CD-Format zeigt auf fast 100 Seiten Geschichte und Entwicklung des Instruments in verschiedenen Teilen der Welt und dokumentiert diese mit zahlreichen Bildern. Weiterführende Literaturempfehlungen fehlen ebenso wenig wie ausführliche Angaben zu den 41 Aufnahmen auf zwei CDs: Die belgische Gruppe Badiane lotet in der Besetzung Geige, Banjo, Bass, Vibraphon kammermusikalische Fähigkeiten aus, der Iraner Hamid Motebassem entführt in den Orient und die Lolohea Brothers aus Tonga legen entspannten Gesang über den blechernen Klang des Banjos.

Auch wenn der Schwerpunkt auf den USA liegt: Die Bandbreite an Ländern und Stücken zeigt, dass das oftmals belächelte Instrument in anderen Ländern nicht nur zur Bluegrass-Imitation eingesetzt wird, sondern der Banjo-Klang in der heimischen Musik integriert und für Folk genauso gut einsetzbar ist wie im Jazz.

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Samstag, 5. Juli 2008
Giora Feidman - The Spirit Of Klezmer
Lachen und Weinen, Fröhlichkeit und Traurigsein liegen in der Klezmer-Musik eng beieinander. Mit ihren ausdrucksstarken Melodien vermittelt sie auch nichtjüdischen Hörenden Tiefe und Unterhaltung gleichermaßen. Dabei wird jedoch allzu oft der Unterhaltungscharakter in den Vordergrund gestellt. Davor war auch der wohl bekannteste Klezmer-Musiker nicht immer gefeit. Auf "The Spirit of Klezmer" erliegt er dieser Gefahr bei keinem einzigen Stück. Er legt wie gewohnt seine Seele in die Töne und Melodien. Für den besonderen Akzent sorgt jedoch die Auswahl der Musiker, die der weltoffene Musiker verpflichtet hat: der Mandolinenspieler Avi Vital, ein Israeli marokkanischer Abstammung, der Baske Enrique Ugarte am Akkordeon und der in Deutschland geborene, türkischstämmige Perkussionist Murat Coskun.

Besonderen Eindruck hinterlässt die Komposition "Phönix" des deutschen Klezmer-Musikers Helmut Eisel; ursprünglich für Orchester geschrieben, bringt Feidman das Stück berückend reduziert im Trio, gemeinsam mit dem Klarinettisten Helmut Eisel und Enrique Ugarte am Akkordeon. Und das ist durchaus bezeichnend: Feidman und seine Mitmusiker begeistern vor allem mit leisen, zurückhaltenden Tönen, aus denen sich durchaus schmissige Melodien ergeben.

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Samstag, 21. Juni 2008
Johnny Hallyday - Le coeur d'un homme
Ich dachte, wenn ich mir dieses Album hole, werden mir so richtige Schnulzen geboten. Nichts da: elektrifizierter Blues. Natürlich nicht aus der Gosse, sondern so konventionell wie bei Patricia Kaas. Das ist nicht immer ermüdungsfrei. Aber ein nettes Solo, ein dreckiger Einwurf oder eine im Hintergrund glimmende Slide stimmen immer wieder versöhnlich. Zwischendurch meint man gar, Johnny Hallyday habe sich seine Anregungen von Noir Desir geholt hat - oder sogar umgekehrt.

Johnny Hallyday bring zwölf Songs, opulent arrangiert und mit Lust und Verve gespielt - und es ist nur einer dabei, der alles wieder zerstören möchte. "I Am The Blues", geschrieben von U2-Sänger Bono und von Johnny Hallyday auf Englisch gesungen, ist ein unnötiger Dämpfer als Abschluss eines doch durchweg netten Albums. Man kann sich gut vorstellen, dass - wie kolportiert wird - die Idee, Bono möge einen Song für den Franzosen schreiben, bei einem alkoholseligen Treffen entstand. Aber normalerweise denkt man ja weiter, wenn man wieder nüchtern ist.

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Mittwoch, 11. Juni 2008
Balladen, Filmmusik, Bossa und Jazz
Belmondo & Milton Nascimento - Belmondo & Milton Nascimento
Milton Nascimento und Stéphane und Lionel Belmondo kennen fast keine Berührungsängste. Die Arbeit des französischen Instrumentalistenpaars (Stéphane: Trompete, Flügelhorn; Lionel: Saxophon, Klarinette, Flöte) ist ebenso von Grenzüberschreitungen gekennzeichnet wie die des brasilianischen Sängers. Nascimento greift klassische Elemente seines Landsmanns Heitor Villa-Lobos genauso auf wie die Chansons einer Edith Piaf und spielt mit Popmusikern wie Peter Gabriel, Duran Duran und Paul Simon ebenso selbstverständlich zusammen wie mit Jazzern, etwa Wayne Shorter, Pat Metheny oder Herbie Hancock.
Die Belmondos wiederum sind nicht nur ausgewiesene Jazzer, sondern arbeiteten auch mit dem Filmkomponisten Michel Legrand und dem Elektroniktüftler DJ Frédéric Galliano, coverten auf ihrem Album "Wonderland" Soulklassiker von Stevie Wonder und auf "Hymne au Soleil" Kompositionen von Maurice Ravel.

Das stilistisch vielfältige Ergebnis der Zusammenarbeit von Milton Nascimento und den Belmondo-Brüdern überrascht nicht. Schließlich ist keiner der Protagonisten bekannt dafür, Grenzen aufzubauen. Die Interpretationen bekannter Lieder von Nascimento sind elegische Balladen, erinnern an Filmmusik oder sind schlichtweg kräftiger Jazz. Mit einer Ravel-Adaption wird auch eine Klassik-Interpretation aufgenommen. Natürlich prägt die charakteristische, hohe Stimme des Brasilianers die Lieder. Aber nicht weniger wichtig sind die unter der Ägide von Stéphane und Lionel Belmondo entstandenen Arrangements, in deren Licht die Lieder des Brasilianers anders schillern, glimmern und schimmern.

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Donnerstag, 24. April 2008
Untypisch
Vampire Weekend - Vampire Weekend
Vampire Weekend wirken auf angenehme Art unmodern. Der erste Song, Mansard Roof, könnte auch vom frühen Harry Belafonte stammen. Das liegt an der Vorliebe der Gruppe für den kongolesischen Soukous (von dem wiederum die karibische Musik beeinflusst wurde). Während Paul Simon – dessen Album Graceland alle Bandmitglieder von Vampire Weekend schätzen, wie die Pressemitteilung verlautbart – mit einheimischen Musikern zusammenarbeitete, begnügen sich die New Yorker damit, die ethnische Musik ohne Hilfe ihrer Erfinder in ihre musikalische Welt zu integrieren. Das machten auch die Talking Heads, eine andere wichtige Referenz. Vampire Weekend sind eine durchaus vergleichbar tanzbare Intellektuellenband.

Die Integration fremder Musik ist längst viel alltäglicher als in den 1980er-Jahren und kann heute, anders als bei den Talking Heads, schwerlich als Statement gewertet werden. Die Musik von Vampire Weekend entwertet das nicht – denn sie klingen wie keine andere Band. Auch abgesehen von den Soukous-Anklängen präsentiert sich das Quartett erfrischend, manchmal opulent verspielt, mitunter krachig und immer wieder simpel, eingängig und direkt. Dass Vampire Weekend den Texten einen genauso großen Stellenwert beimessen wie der Musik, ist ein weiterer Pluspunkt – mit Guter-Laune-Musik mit Hirn werden wir ohnehin viel zu selten verwöhnt.

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Samstag, 19. April 2008
Aus der Bewerbungsmappe
Lisa Loeb - The Purple Tape
Frühwerke haben zumindest teilweise noch den Charakter von Übungsstücken. Normalerweise tummelt man sich vor dem großen Wurf in verschiedenen Bands, die in der Regel - und oft genug zu Recht - unbekannt bleiben. Die Veröffentlichung früher, vor allem bislang unveröffentlichter Werke ist interessant, weil sie einen Weg nachvollziehbar machen. Sie ist aber auch riskant, weil möglicherweise wenig ausgereifte Werke direkt mit den aktuellen verglichen werden können.

Lisa Loeb riskiert nichts, wenn sie die Demo-Aufnahmen, mit denen sie sich als Solokünstlerin einführte, jetzt veröffentlicht. Schliesslich sammelte sie schon zuvor Erfahrungen mit ihrer Band Nine Stories und im Duo Liz & Lisa. Jetzt hört man, für heutige Hörgewohnheiten aufgemotzt, was Lisa Loeb Anfang der 1990er Jahre als akustische Visitenkarte bei Plattenfirmen hinterliess und in Clubs verkaufte - darunter Do You Sleep, das auch heute noch zu den ihren Liedern zählt.

Eine nette Beigabe ist die Interview-CD. Sie ist - obwohl inszeniert - keine plumpe Selbstdarstellung, sondern hinterlässt den Eindruck, dass sich Lisa Loeb offen den Rahmen skizziert, in denen die Songs entstanden sind und in dem sie sich persönlich und als Künstlerin bewegt.

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Sonntag, 6. April 2008
Mêlée – Devils & Angels
Elton John mit Kinderchor (gefühlt bei Can't Hold On).
Warum tun die uns das an? Wer hört so etwas freiwillig?

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Samstag, 5. April 2008
Aufgewacht
R.E.M. - Accelerate
Sie sind wieder rauer, schneller, frischer: R.E.M. melden sich mit einem gitarrenlastigen Album zurück. Auch wenn sie nach den ersten Songs einen Gang zurückschalten, wirkt ihre Musik nicht mehr wie das Statement einer saturierten Rockband. R.E.M. versprühen wieder Energie. Peter Buck musste dafür weder einen neuen Gitarrensound finden noch übertriebene Experimente verordnen; und auch Michael Stipe kann so singen, wie er es immer gemacht hat. Neben den ungestümeren Stücken fallen auch gefühlvolle, wie das von akustischer Gitarre und durchdacht-dezenter Perkussion geprägte Until The Day Is Done, nicht ab. Michael Stipes Statement zur seiner Einschätzung nach tristen Lage der Nation - The battle's been lost, the war is not won - zeigt ihn einmal mehr als kritischen Mahner.

Zu all dem zeigen R.E.M., dass sie das Gespür für eingängige Melodien nicht verloren haben, und trotz der ursprünglich wirkenden Lieder verzichten sie auch nicht völlig auf bombastischen Klang. Ihre Songs dürften im Club-Kontext genauso gut wirken wie auf großen Bühnen. Dass sie sich dabei gelegentlich selbst zitieren, ist wohl unvermeidbar. Wenigstens erinnern sie dabei an ihre besseren Tage.

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Sonntag, 9. März 2008
Von James Brown zu den Ahnen: Toumani Diabaté schaut zurück nach vorne
Toumani Diabaté - The Mandé Variations
Er hat mit Damon Albarn, Björk und Pee Wee Ellis gespielt, nennt die Scorpions als Teenager-Liebe und James Brown als eines seiner wichtigsten Vorbilder. Mit der gleichen Intensität, mit der Toumani Diabaté musikalische Grenzen überschreitet, widmet er sich der musikalischen Tradition seiner Heimat. Nicht zur Freude aller: Denn der Kora-Spieler, Nachfahre einer Griot-Familie, transponiert die traditionellen Stücke, reichert sie mit anderen Einflüssen an und improvisiert - Herangehensweisen, die traditionelle Musiker nicht kennen. Im Intro von Cantelowes zitiert er gar die Titelmelodie des Sergio-Leone-Westerns The Good, The Bad And The Ugly.

Nachdem sein Vater Sidiki Diabaté in den 1970er Jahren die Kora als Soloinstrument einführte, spielte der 21jährige Toumani Diabaté das erste, jemals erschienene Kora-Soloalbum ein. Erst jetzt, mehr als 20 Jahre später, nach der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Musikern und dem mit seinem Symmetric Orchestra eingespielten Album "Boulevard de l'Independance", erscheint mit "The Mandé Variations" sein zweites.

Toumani Diabatés Spiel ist klar und feinsinnig, die Aufnahme überaus transparent. Die fließenden Melodien gehen zum Teil auf jahrhundertealte Lieder zurück. Durch das Dämpfen der Saiten mit den Handballen oder den Fingerkuppen erreicht Toumani Diabaté nicht nur leicht jazzige, sondern sogar dezent rockige Anklänge. Seine Virtuosität ist erstaunlich. Sie zeigt sich nicht nur in stürmischen Soli, sondern auch dann, wenn er zur Melodie gleichzeitig Basslinien und Akkorde spielt.

Toumani Diabeté wird mit The Mandé Variations seinen Ruf als einer der wichtigsten afrikanischen Musiker weiter festigen können - zumindest im Ausland und bei den fortschrittlich eingestellten Musikinteressierten seiner Heimat.

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