Sonntag, 2. August 2009
Die Unterhaltungsgruppe Telekommander lässt mitsingen
Ihr fetter Klang und die geradlinigen, gelegentlich auch wuchtigen Beats kommen gut an, das ist keine Frage. Das -- nicht riesengroße, aber immerhin -- Alte Hallenbad ist voll. Die Fans kommen auf ihre Rechnung.
Aber womit begeistert die zum Trio angewachsene Gruppe? Mit einer eigenen Variante des Gemischs aus elektronischen Beats, die gelegentlich mit einer in wild-rockiger Manier gespielten E-Gitarre und Bass begleitet werden, und dem in Liedform und Zwiegespräch gezwungenen Sprechgesang. Wenn sich Florian Zwietnig und Gerald Mandl auf die Beats von der Festplatte beschränken, wird der Boden dünn, mit Gitarre und Bass gestützt, trägt er besser. Für außerordentliche Belastung ist er auch dann nicht ausgelegt.


Nicht nur im Musikantenstadl: Auch die Medien-
gruppe Telekommander hat es gern, wenn das
Publikum mitsingt.


Florian Zwietnig und Gerald Mandl werfen Slogans in die Runde, die sie als politisch ausweisen sollen ("Mein kleiner Widerstand ist durchgebrannt") und zeigen sich als widerborstige Kinder ("Sie sagen: 'Mach das leiser' und du sagst: 'NEIN!'"). Das ist gut, aber nicht mehr als ein (immer wiederkehrendes) Zeugnis der Jugendkultur. Sie bekommen den Applaus, weil sie ihre Zielgruppe mit dem bedienen, was sie erwartet. Dafür reichen die bekannten Gesten und die wiederholte Einladung zum Mitsingen. Das hebt ja praktisch in jedem Kontext die Stimmung. So liefern Mediengruppe Telekommander ein den Standards entsprechendes und durchaus auch kurzweiliges Konzert. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen sie nicht.

Nächste Konzerte: 7.8.2009 Eschwege, 8.8. Rothenburg, 14.8.09 Hamburg,
21.8. Hannover, 28.08. Venlo (NL), 29.8. Wiesbaden

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Sonntag, 12. Juli 2009
Fahrig, aber aussichtsreich
Howe Gelb über den Dächern von Hamburg
Konzeptlosigkeit ist auch ein Konzept - und kann zu hervorragenden Ergebnissen führen. Howe Gelb setzt sich erst auf einen der Stühle, die hinter dem Podest aufgebaut sind, das seine Bühne sein soll, und zupft ein einnehmend bluesjazziges Intro. Um auf das Podest zu gelangen, muss er das Intro unterbrechen und alles beginnt von vorn. Der offenbar nicht durchdachte Anfang ist symptomatisch: Howe Gelb fängt gerne von vorne an. Er reisst Stücke an, unterbricht sie für eine Anekdote, die in der Regel ohne Pointe bleibt, oder spielt gleich ein anderes Stück weiter. Damit gelingen ihm rasch recht stimmungsvolle Momente, die meist nur kurz währen. Eingängige Stücke bricht Howe Gelb gern durch vertrackte Zwischenspiele, deren Übergänge ihm oft nicht gelingen. Gelb bleibt gelassen, vielleicht will er es so unperfekt. Auch der wiederholt eingesetzte Klangeffekt, der stete und kaum nachvollziehbare Wechsel zwischen zwei Mikrofonen (eines normal, das andere mit viel Hall belegt) wirkt eher phantasielos als stringent.
Doch auch so sorgt Howe Gelb für eine vertrauliche und leicht entrückte Stimmung. Diese steigt mit den drei Zugaben, für die es einige Stufen hinauf geht: in den kühlen Hamburger Sommerwind, auf die Dachterrasse hoch über der Stadt. Hier ist der während des Konzerts durchweg von hinten in spärlichem Rot beleuchtete Künstler endlich zu sehen. Während der Stücke in sich gekehrt, beendet er sein kurzes, drei Stücke umfassendes Zugabe-Set konzise und stimmungsvoll. Das stimmt immerhin zufrieden - und beim nächsten Mal wird sein Konzept der Gratwanderung vielleicht wieder besser aufgehen.

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Freitag, 10. Juli 2009
Alternative Mainstream
Gossip beherrschen ihr Metier
Beth Ditto ist auf dem Weg von der Sängerin zur Modeikone. Aufgrund ihrer Leibesfülle, die sie in auffällige Kleider steckt, ist sie zum originellen Blickfang geworden, dem Kontrastprogramm zu Titelseiten mit den üblichen schlanken Models, die sie zeitweise von diesen verdrängt. Etwas zu glatte Lieder wie Men In Love, 2012 oder For Keeps zeigen, dass Gossip auf den großen Markt schielen. Die Zutaten ihrer Musik sind ohnehin längst im Mainstream angekommen – auf dem Weg zum ganz großen Erfolg sieht man kaum noch Hürden.



Nach langer Wartezeit kommt erst Beth Dittos Stimme zum Intro von Pop Goes The World aus dem Off und dann die Sängerin auf die Bühne – im dunkelblauen Paillettenkleid, mit auffälliger Frisur und rot geschminkten Lippen, wie man sie eher einer Geisha zuordnen würde. Den Willen zum Stil scheint sie von Tina Turner zu haben und sie verströmt auf der Bühne die gleiche Energie wie die schwarze Kollegin. Selbst die wenigen Tanzschritte, die sie bei einem Break aufs Parkett legt, geraten - obwohl eher die Karikatur einer Turnerschen Choreographie - ganz kess und gar nicht peinlich.



Spätestens beim dritten Song ist ohnehin Schluss mit Modepüppchen. Die Frisur ist im Schweissbad völlig zusammengefallen und mitunter sieht die Sängerin mit ihren schwarz umrandeten Augen verstörend aus, ein wenig wie Robert Smith mit kürzeren Haaren. Beth Ditto gibt – nicht unangenehm – die Rampensau, verkörpert ihre Lieder energisch und hat schon nach dem ersten Song das ungeduldige Publikum auf ihrer Seite. Der Mietbassist freut sich zurückhaltend mit ihr, der schlaksige Brace Paine schrammelt scheinbar unbeteiligt an der Gitarre und die zart wirkende Hannah Blilie haut mächtig rein. Sie überlassen die Kommunikation mit dem Publikum ganz der Frontfrau, und diese hat die begeisterte Menge im Griff. Mehr als das übliche Repertoire - ein bisschen Hamburg loben oder sich vor den Monitorboxen stehend einen halben Meter mehr Nähe zu bieten - braucht es dafür nicht.



Dimestore Diamond, Heavy Cross – die Stücke kommen live laut und kraftvoll, sie unterscheiden sich kaum von der Albumversion. Man muss Music For Men nicht oft gehört haben, um die Songs gleich wiederzuerkennen. Das zeigt nicht nur, wie einprägsam einzelne Elemente und Lieder sind, sondern wie nah sich Gossip am Mainstream bewegen. Das Konzept erschöpft sich mit der Zeit, und ewig kann die Lawine nicht rollen. Eine Stunde und drei Zugabe reichen daher völlig – doch diese Zeit ist keineswegs verschwendet.

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Dienstag, 12. Mai 2009
Grundfragen des Menschseins
Für eine Kajüte ist die Hafenkneipe relativ groß, als Konzertlokal wiederum recht klein; mit seinen Bullaugen und dem Steuerrad an der Wand schnuckelig und gemütlich. Ein angenehmer Ort zum Abhängen und mit seinem – wie es so schön heißt – intimen Rahmen der richtige Platz für Daniel Kahn und seine Painted Bird.
Wahrscheinlich ist fast jeder Ort für die Musik von Daniel Kahn der richtige. Der in Berlin lebende Amerikaner bringt problemlos die Anforderungen des Entertainers, des Mahners und Aufklärers, des Liedermachers und des schlicht zum Vergnügen aufspielenden Volksmusikanten unter seinen kleinen Hut.
Als glänzender Unterhalter passt Daniel Kahn mit seiner mitreißenden Musik aufs Schiff genauso gut wie in die Eckkneipe; man kann ihn sich auf dem Kiezfest ebenso gut vorstellen wie bei der (dann eher alternativen) Hochzeitsfeier, und auch auf der Kleinkunstbühne scheint er nicht fehl am Platz. Denn Daniel Kahn unterhält mit glänzenden Texten. Die nimmt er von Bert Brecht (Denn wovon lebt der Mensch) von Kurt Tucholsky (Küss die Faschisten), er nimmt sie von jiddischen Volksliedern oder schreibt sie einfach selbst – und das ist ebenso herrlich.


Kleiner Hut, groß(artiger) Auftritt: Daniel Kahn

Das aktuelle Album von Daniel Kahn & Painted Bird ist aufgekratzt und viril und wirkt wie live eingespielt. Das steigert die Erwartungen – die Kahn auch in kleiner Besetzung vollauf erfüllt. Das Quartett, obwohl nur mit akustischen Instrumenten (Akkordeon, Klarinette, Stehbass und Schlagzeug) ausgestattet, rockt gewaltig. Er gibt zwar vor, "nur" Klezmer-Musik zu spielen, aber tatsächlich ist sie nur die Basis, die Daniel Kahn mit Zutaten aus Folk und Cabaret anreichert und danach ausgelassen und ungestüm ins Publikum schickt.


Exzellenter Kopf, veritable Unterstützer:
Daniel Kahn & Painted Bird


Tatsächlich ist nicht auszumachen, was am kurzweiligen Auftritt choreographiert ist und was spontan. Klar scheint, dass Daniel Kahn gerne die Regeln bricht. Schon den ersten Refrain unterbricht er, um einen Witz zu erzählen, seine Ballad Of Edward The Young setzt er nach einer kleinen Pause, in der die Band die Bühne verlässt und Kahn sich schnell den Mikrofonständer der Klarinettistin schnappt, mit der Ukelele fort. Das gleiche dramaturgische Geschick zeichnet die einzelnen Stücke aus, die zwar überaus lang sind, aber durch stetige Wechsel in Tempo, Rhythmus und Lautstärke durchweg kurzweilig. Kahn steht, hervorragend unterstützt von seinen Begleitern, durchweg im Mittelpunkt. Auch wenn Daniel Kahn & Painted Bird hervorragend unterhalten, lässt der Bandleader nie vergessen, dass er seine Arbeit auch als politisches Engagement versteht. Dabei bleibt er nicht in der simplen „Wehret den Anfängen“-Haltung stecken, die man ihm zum Beispiel durch den Bezug der Tucholsky-Vertonung unterstellen könnte. Er rührt an die Grundfragen von Moral und Menschsein und macht bei seinem musikalischen Einsatz für Frieden und Völkerverständigung auch vor seinen Glaubensbrüdern nicht halt.

Nächste Konzerte: 13.5. Sonthofen, 14.5. Konstanz, 15.5. München, 1.6.2009 Mainz (Open Ohr Festival)

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Sonntag, 26. April 2009
Stanser Musiktage
Ausnahmezustand in Stans. Die als hinterwäldlerisch bezeichneten Innerschweizer halten ihre mittlerweile traditionellen Musiktage ab, die an Weltoffenheit nichts zu wünschen übrig lassen. Zum 15. Mal geben sich eine Woche lang Künstler die Klinke in die Hand, die man sonst nur selten sieht – Erik Friedlander und Gérman Díaz zum Beispiel, Talvin Singh mit Erik Truffaz oder Bassekou Kouyate & Ngoni Ba.



Damit sie zusätzlich ein ansprechendes Rahmenprogramm bieten können, haben die Stanser jeden freien Platz im Ortskern zugepflastert. Die Bewohner leiden unter der Geruchsmischung von indonesisch-thailändisch-mediterranem Festival-Fast-Food und Cervelat-Gebrutzel (die Schweizer Alternative zur Bratwurst). Durchs Küchenfenster dröhnt urtümlicher Blues, der Fernseherim Wohnzimmer wird durch das nebenan spielende Jazztrio stillgelegt, und unter dem Schlafzimmerfenster schieben sich die Massen durch die Strasse. Wem das zuviel und das Interesse an Jazz und Weltmusik zu gering ist, geht in die Beiz, also ins Gasthaus. Dort gibt es Stubeten mit so genannten Hudigäglern, lokalen Volksmusikgruppen, die zur gekochten Rindwurst auch dem Raucher der krummen Brissago beweisen, dass der Walking Bass auch Akkordenmusik zum grooven bringt.


Erik Friedlander
Der Ansager ist öffentliche Auftritte gewohnt und wirkt trotzdem schüchtern. Jürg Halter alias Kutti MC, Berner Autor und Rapper, führt Erik Friedlander im Stil eines Poetry-Slam-Poeten an – ungereimt und so monoton fließend, wie der amerikanische Cellist die endlosen Autofahrten empfunden haben mag, die er als Kind mit seinen Eltern im Camper hinter sich gebracht hat. Neben einigen Stücken, zu denen ihn diese Reisen inspiriert haben, spielt er eine Hommage an seinen Onkel Neal und andere Kompositionen, unter anderem aus dem „Book of Angels“ von John Zorn.



Es ist eine lebendige Mischung aus fließenden und virtuosen Läufen, anheimelnd-melodischen und rhythmischen Stücken und avantgardistischen Einwürfen. In den ruhigen Passagen überzeugt Friedlander weniger als in den impulsiven. Er zupft, schlägt auf Saiten und Korpus, streicht und streichelt, sorgt mit knappen Erklärungen für angenehme Pausen zwischen den Stücken und wirkt trotz vorbereiteter Setlist so, als ob er das Programm weitgehend spontan zusammenstellen würde. Auch wenn sich die Titel und die Geschichten hinter den Kompositionen nicht erschließen – „Cold Chicken“, das die lange Wartezeit im Restaurant beschreibt, an deren Ende das servierte Huhn schon kalt ist, klingt mehr wie die vergebliche Jagd auf ein wild gewordenes Hühnchen –, kommt seine Mischung gut an.
Nächstes Konzert: 1. Mai, Mannheim, Kulturzentrum Alte Feuerwache


Gérman Díaz
Das Konzept des Liebhabers mechanischer Musikinstrumente ist simpel und wurde unter anderem schon vor Jahren vom Schweizer Bassisten Mich Gerber angewendet. Gérman Díaz nimmt eine Sequenz auf, spielt sie anschließend als Loop ab und begleitet sich dazu. Er macht das auf außergewöhnlichen Instrumenten und mit ausgezeichneten Kompositionen. Gérman Díaz spielt Drehleier, Drehorgel und Spieldose, was die unterschiedlichsten Kombinationen möglich macht. Dass er sie nutzt, ist jedoch nur die halbe Miete – wie er sie nutzt, begeistert. Seine Kompositionen für Drehleier – er spielt auch Traditionals, ein Lied der Sepharden, ein Stück des Oud-Spielers Anouar Brahem und solche von zeitgenössischen Komponisten für Drehorgel und Drehleier – haben überhaupt nichts mit den quäkenden Melodien der in historischen Kostümen auftretenden Drehorgelspieler in den Fußgängerzonen gemein. Sie stehen in der modernen Tradition eines Giörgy Ligeti, der auch für diese Instrumente komponierte. Sie sind überraschend und voller Witz, mal bluesig, dann wieder kakophonisch, und zwischendurch wirken sie wie das Pendant des „Hummelflugs“ für Drehleier oder wie die wild gewordenen Darsteller eines Flohzirkus. Das auf der Spieldose intonierte Schlaflied hingegen könnte entrückter nicht sein. Wenn an den leisen Stellen das Schaben der Kurbel durch den metallisch-hellen Klang dringt, denkt man, dass das Einschlafen früher doch schöner gewesen sein muss.



Die Musik von Gérman Díaz ist höchst artifizielle Kunstmusik, die sich – auf einem altehrwürdigen Instrument gespielt – verschiedener Epochen und Stile bedient. Dabei ist sie trotz ihrer Kunstfertigkeit kein bisschen akademisch, sondern sehr zugänglich und durchweg äußerst suggestiv.


Evelinn Trouble & Trespassers
Die Schweiz befindet sich in der Zeit der Fräuleinwunder: In letzter Zeit machen junge Musikerinnen von sich reden – Heidy Happy, Sophie Hunger und neuerdings Evelinn Trouble. Die 20-jährige ist auf dem Weg von Pippi Langstrumpf zur ernsthaften Musikerin weit fortgeschritten. Sie präsentiert sich frisch und ungestüm, ein bisschen frech und vor allem eigenständig. Ihre Songs bringt sie im kompakten Rock-Trio-Format mit ebenso jungen wie überzeugenden Begleitmusikern. An Vincent Glanzmann (Schlagzeug) und Simon Iten (Bass) kann sich die Sängerin und Gitarristin festhalten. Sie lässt sie während des Auftritts kaum aus den Augen. Trotzdem ist das Zusammenspiel nicht von Unsicherheit geprägt. Und wenn sie sich gehen lässt und ausgelassen tanzt, um sich in Stimmung für den nächsten Song zu bringen oder die Anspannung zu vergessen, weiß sie, dass sie sich auf die sich gelegentlich freudig zuschmunzelnden Kollegen voll und ganz verlassen kann.



Evelinn Trouble und ihre Trespassers sind sicher genug um für sich einzunehmen und gleichzeitig geben Unbekümmertheit und Intensität der Sängerin den Liedern Frische und – wo notwendig – Dringlichkeit. Evelinn Trouble ist keine versierte Gitarristin und sie bewegt sich oft an der Grenze ihrer gesanglichen Fähigkeiten. Es gelingt ihr scheinbar mühelos, das Manko zu einer Stärke zu machen, indem sie beispielsweise selbst humorige Lieder wie „Missing Piece“ (es geht um das fehlende Stück in einem Puzzle) verkörpert wie ein eindringliches Liebeslied. Nachdem sie die Songs ihres ersten, vor zwei Jahren erschienenen Albums (für das sie alle Instrumente selbst eingespielt hat) ins Rock-Trio-Format transponiert hat, darf man auf die weitere Entwicklung gespannt sein.
Nächste Konzerte: 30. Mai 2009, Düdingen (CH), Bad Bonn Kilbi; 19. Juni 2009, Luzern (CH), Südpol; 25. Juli 2009, Nyon (CH), Paléo Festival


Buika
Der überwältigende Applaus scheint sie ganz verlegen zu machen. Unbegründet ist er nicht. Denn es gibt nicht viele Stimmen, die so eigenwillig und charakteristisch sind wie die von Concha Buika. Und vor allem gibt es nur wenige derart ausdrucksstarke Sängerinnen, die ihre Lieder nicht nur singen, sondern derart ausdrucksvoll verkörpern, dass Freude und Leid auch dann fühlbar werden, wenn man die Texte nicht versteht. Die Liebe, so wie Buika sie verkörpert, kann einen erdrücken, den Zorn der energischen Sängerin möchte man nicht auf sich ziehen. Buika gilt als Flamenco-Sängerin, welche die traditionelle spanische Musik mit Einflüssen aus Jazz und Soul erneuert.



Live präsentiert sich Buika vor allem als außergewöhnliche Interpretin. Die Besetzung ist reduziert auf Stimme, Klavier und die Kistentrommel Cajón. So stehen das Lied und die Stimme im Vordergrund und weniger musikalische Genres. Flamencos werden allenfalls durch einige wenige Tanzschritte oder kurzes rhythmisches Klatschen angedeutet. Das schadet Vielfalt und Abwechslung nicht und sorgt gleichzeitig für ein kompakteres und konzentriertes Klangerlebnis.

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Sonntag, 5. April 2009
«Zwangsunterhaltung ist meine Stärke»
Peter Sarbach amüsiert im Schlösslekeller in Vaduz
Peter Sarbach ist mit großer Wahrscheinlichkeit der verschrobenste Schweizer Liedermacher. Obwohl er im sehr sympathischen, aber schwer verständlichen Emmentaler Dialekt singt, hat er es zu Auftritten in Deutschland geschafft. Er gibt sich Mühe, damit man ihn wenigstens im alemannischen Raum versteht. Bei seiner aktuellen Tournee liegt der Ausflug über die Grenze jedoch nicht drin: Er absolviert sie mit dem Fahrrad. Dreißig Tage fährt er quer durch die Deutschschweiz - von Chur Romanshorn, Frauenfeld, Zürich, Bern und Thun zurück in die Nähe seines Geburtsorts Freimettigen. Tagsüber radelt er mit seinem 1970er-Jahre-Rad - «damals war es das Topmodell» -, abends steht es neben ihm auf der Bühne. 30 Tage, 30 Orte, 30 Auftritte.


Der Sänger als Rotvieh: Peter Sarbach ist nichts
zu schräg


Obwohl er von Ort zu Ort oft 60 und mehr Kilometer zurücklegt, merkt man von Müdigkeit nichts. Peter Sarbach spielt nicht perfekt, aber kraftvoll, seine volle Stimme füllt den Raum auch ohne Mikrophon aus. Er gibt sich einfältig und macht das reichlich raffiniert. Sein Bühnen-Ich ist von seiner Person höchstens für Freunde zu unterscheiden. Sein Witz ist hintersinnig, mitunter feinsinnig, aber meist relativ grob. Er mag es, wenn seine Lieder abrupt und überraschend enden: Das Loblied auf die Zahl 15 ist nach 15 wenigen Worten zu Ende. Bei seinen Liedern -- auch wenn sie grober sind als die des Berner Mundartsängers -- stand Mani Matter Pate, sein schräger Witz erinnert an Karl Valentin. In seiner Maskerade, Sarbach hat ein Faible für groteske Brillen und bizarre Kopfbedeckungen, steht er Georg Ringsgwandl in nichts nach.

Dazu zeigt sich Sarbach als glänzender Unterhalter, der mit spontanen Einwürfen überrascht, sein Publikum mit einbezieht und zu spontanen Einwürfen herausfordert, die er glänzend aufnimmt und pariert. Das ist nicht durchgängig, aber immer wieder bemerkenswerte Kleinkunst, die größere Beachtung verdient hätte und zudem Charme daraus bezieht, dass er auch in Brockenhäusern (Secondhand-Läden) auftritt oder in der Berner Recycling-Werkstätte, in der Arbeitslose sein nächstes Fahrrad zusammenschrauben -- ein 3-Gang-Rad aus den 1970ern natürlich.

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Samstag, 21. März 2009
Schäkern mit Musik
Das Orchestra Baobab im Kaufleuten
Das Orchestra Baobab ist eine Legende. Sie erzählt von der Zeit des Aufbruchs in Afrika, von den neuen Freiheiten, von der Energie des Aufbruchs, von der neu gewonnenen Leichtigkeit und dem süßen Leben in der Unabhängigkeit. 1970 gegründet, verschmolzen die aus verschiedenen afrikanischen Staaten stammenden Musiker kubanische mit traditionellen Rhythmen. Viele Jahre lang wurden sie zu den Lieblingen der High Society von Dakar -- bis sie der Mbalax des Youssou N’Dour wegfegte. Das Orchestra Baobab wurde 1987 aufgelöst, aber 15 Jahre später wiederbelebt; um die Musik von damals zu spielen und nun sogar um die ganze Welt zu tragen.



Eigentlich ist der neue Erfolg der Gruppe überraschend: Das Orchestra Baobab ist eine Unterhaltungscombo wie die Orchester von James Last oder die Oberkrainer von Slavko Avsenik. Ihre Musik so modern, wie es die Arrangements deutschen Bandleaders in den 1960er-Jahren war, so zeitgenössisch wie der vom slowenischen Komponisten in den 1950ern erfundene charakteristische Klang, der schon immer für hinterwäldlerische Heimattümelei stand.

Für die zehnköpfige Boygroup ist auf der Kaufleutenbühne kaum Platz. Fast alle wollen in der ersten Reihe stehen, mit dem Publikum schäkern und sich in dessen Bewunderung sonnen. Sie kommen siegesgewiss auf die Bühne. Für viele Zuschauer, die schon vor dem ersten Ton ihre Freude und Begeisterung zeigen, ist es ganz offensichtlich nicht die erste Begegnung. Die Musiker müssen keine Stimmung machen. Die ist schon da und reisst auch während der relativ gleichförmigen erste Hälfte des Konzerts nicht ab. Die Musiker spielen locker und routiniert. Um die gleiche Klangfülle zu erreichen, müssten sie nicht zu zehnt auf der Bühne stehen. Aber dann könnten nicht vier Sänger für unterschiedliche Klangfarben und vortreffliche Chorusse sorgen. Die Arbeit des Saxophonisten besteht vornehmlich aus herumflachsen, Grimassen schneiden und wenigen, dafür hervorragenden eruptiven Einwürfen, von denen man sich mehr wünscht. Dafür zeigt sich Barthélemy Attisso umso brillanter. Der meist in sich gekehrte Gitarrist, der für die Reunion Baobab seinen Job als Rechtsanwalt in Togo aufgegeben hat, versorgt praktisch jedes Stück mit einem originellen Solo.
Der richtige Schwung kommt erst in der zweiten Hälfte des Konzerts: „Ami kita bay“ ist der Auftakt für eine Strecke von einigen Liedern, in denen das Orchestra Baobab erkennbar macht, womit es seinen hervorragenden Ruf erspielt hat. Die Stücke haben plötzlich mehr als den ureigenen Baobab-Sound mit seiner glasklaren Gitarre, sondern bestechen durch Melodien, die eingängig und dramatisch sind. Obwohl die Gruppe unverändert lässig und beiläufig spielt, steigert sie ihre Präsenz. Doch bald schalten sie wieder einen Gang zurück und lassen es weiter routiniert grooven. Während der Zugabe schaut einer der Sänger zufrieden auf die Uhr: Sie mussten während der knapp zwei Stunden nicht alles geben und haben trotzdem den Eindruck hinterlassen, dass ihr Auftritt mehr als eine Pflichtübung war.

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Sonntag, 8. Februar 2009
Wärmende Italianità in der bayerischen Winterkälte
Gianmaria Testa in Seeshaupt
Der italienische Liedermacher Gianmaria Testa ist ein Mann der leisen Töne. Selbst wenn er seine sonore, eindringliche Stimme kaum erhebt, zieht er von den ersten leisen Tönen an das Auditorium in seinen Bann. Er startet solo und nutzt schon bei den ersten Stücken die Macht der Stille - die Pausen sind ein ebenso wichtiges dramaturgisches Element wie seine eindringliche Modulation und der subtile Wechsel zwischen sanft fließenden und emphatisch entflammten Passagen. Beim dritten Stück - Testa hat durch launige Ansagen die Brücke zu seinem Publikum auch verbal geschlagen - schleichen sich seine Begleiter auf die Bühne: Nicola Negrini zupft, klopft und streicht auf seinem Bass das Fundament der weiteren Lieder und Piero Ponzo umschmeichelt die Lieder mit elegischen Melodien.


Harmonisch: Gianmaria Testa strahlt Piero Ponzo an, Nicola Negrini
freut sich still über das Zusammenspiel


Der auf den ersten Blick für ein Konzert nur mäßig geeignet erscheinende Saal zeigt sich rasch als ideales Ambiente: Wenn Piero Ponzo den Hauch der Meeresbrise imitiert, kommt selbst in den hinteren Reihen ein helles Lüftchen an, der kompakte Klang des Trios ist durchweg transparent. Das gedämpfte Saallicht nimmt zudem die Distanz von Publikum und Künstler, am Rand schimmert das warme Licht der Stehlampen und hinter den hohen Fenstern spürt man die Nacht. Das wirkt, obwohl der Saal mit gut 200 Menschen ausverkauft ist, überaus gemütlich. Und die Wärme, die selbst Testas kritische Lieder ausstrahlen, vereint die Hörenden.

Gianmario Testa, dessen eindringlich-rauchige Stimme mit der von Paolo Conte vergleichbar ist, steht in der Tradition der italienischen Liedermacher. Seine so abwechslungsreichen wie phantasievollen Arrangements sind im Jazz verankert. Durchweg melodiös und eingängig, sind sie gleichzeitig überaus raffiniert und voller Spielwitz. Nicola Negrini spielt nicht nur swingenden Walking-Bass, sondern zupft die hellen Töne auch mal hinter dem Steg, erweckt die vollen mit dem Paukenschlegel und spielt zwischendurch, als ob er den Klang eines fernen Schiffshorns imitieren wollte. Piero Ponzo entpuppt sich als der Spaßmacher: Er spielt neben Klarinette und rauchigem, nicht bluesig-dreckig, aber angenehm patiniert klingendem Saxofon auch Aktenkoffer und Plastiktüte (als Schlagzeugersatz), Indisches Harmonium und Accordina. Das in den 1950er-Jahren erfundene Blasinstrument klingt wie eine Mundharmonika, verfügt aber über eine dem Knopfakkordeon vergleichbare Tastatur. Doch selbst der Einsatz von Aktenkoffer und Plastiktüte ist nicht witziger Selbstzweck, sondern notwendig für Klangfarbe und Charakter der Lieder.

Diese drehen sich um Alltagsgeschichten -- etwa um Fernsehen oder den Cinquecento als unerotischstes Auto der Welt --, um einschneidende Veränderungen, etwa durch die Emigration seiner Landsleute, oder um dramatische Ereignisse wie die Überfahrt der vielen nordafrikanischen Flüchtlinge, für welche die verheißungsvolle Fahrt in den Westen die Reise in den Tod bedeutet. Es sind diese tragischen Lieder wie „Una Barca Scura“, mit denen es Testa nach einer Pause und dem einen oder anderen weniger eindringlichen Stück gelingt, an die Intensität des ersten Teils wieder anzuknüpfen und bis zum frenetischen Schlussapplaus zu halten.

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Samstag, 24. Januar 2009
Herr Gnägiund Frau Gnägi-Haselstudehain
Der Berner Liedermacher Nils Althaus im Fabriggli
Das Rheintal ist kein kulturelles Niemandsland, aber auch alles andere als kulturell verwöhnt. Nur wer kein großes Publikum erwartet, spielt in einem der kleinen Orte. Wenigstens Kleinstädte wie St. Gallen oder Chur sollten es sein, vielleicht auch Bregenz oder Dornbirn. Buchs ist so langweilig wie sein Name (den gleich vier Schweizer Ortschaften tragen), Schlafstatt für viele der in Liechtenstein arbeitenden Ausländer, denen der Wohnsitz im steuergünstigen "Ländle" verwehrt wird.

Nils Althaus, in der Schweiz erfolgreicher Jungschauspieler und Liedermacher, muss gleich zwei Mal in die Region. Es ist nicht, wie man denken könnte, zum Aufwärmen für sein zweites Programm, das er demnächst live einspielen wird.
Das Fabriggli ist voll, die ganzen Menschen sind nicht wegen des neuen Programms gekommen, sondern noch immer wegen der Lieder, die Nils Althaus seit zwei Jahren klampft und zu denen er zwischen den Stücken humorige Geschichten erzählt. Nils Althaus textet nicht nur verschmitzte Lieder, er ist auch ein unaufdringlicher Unterhalter, der spontan und situativ reagiert, Regungen oder Einwürfe aus dem Publikum aufgreift oder ihm ein wenig unangenehme Szenen charmant kommentiert und so entschärft. Anfangs noch zurückhaltend, geht er besonders im zweiten Teil mehr und mehr aus sich heraus und zeigt in einer seiner besten Phase auch komödiantisches Talent. Das passt auch zu vielen seiner Lieder. Oft macht er aus eigentlich belanglosen Nebensächlichkeiten -- dass ihm jemand in den Einkaufswagen schaut, er beim Einpacken am widerspenstigen Klebeband scheitert -- außerordentlich witzige Geschichten, für die er zudem meist amüsante Pointen findet.
Nils Althaus ist kein "politischer Liedermacher". Er zeigt kein Sendungsbewusstsein und reagiert nicht explizit auf aktuelle Ereignisse -- substanzlos sind seine Lieder trotzdem nicht. Und wenn er ein eigentlich abgelutschtes Thema wie das Verhalten der Durchschnittsschweizer aufgreift, macht er das in seinem eigenen witzigen Stil.

Mit seinem Programm "Fuessnote", auch die gleichnamige CD ist ein Konzertmitschnitt, hat sich Nils Althaus als Mundartsänger im Stil der "Berner Troubadours" bestens eingeführt. Die beiden Lieder, der er schon aus seinem nächsten Programm "Ändlech" präsentiert -- darunter eine neue Geschichte von Herrn Gnägi und seiner Gattin Gnägi-Haselstudehain --, wecken die Vorfreude auf auf neue witzig-kluge Lieder.

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Montag, 1. Dezember 2008
Alpen-Orient-Express mit Panoramafenster
Mercan Dede steht die Freude ins Gesicht geschrieben – und sie steigert sich noch, sobald Christian Zehnder zu seinem wortlosen Gesang anhebt: Dede ist von der Virtuosität und den Klängen begeistert, die der Schweizer in den Saal zaubert. Denn dieser ist eine Klasse für sich. Zehnders ureigene Art des Obertongesangs, die auf europäischen Wurzeln beruht und den er mit alpinen Vokalklängen geschickt kombiniert, macht ihn einzigartig. Und sie bringt auch Dedes Weltmusikvariation noch einen Schritt weiter. Denn das Konzept, mit dem der in Montreal und Istanbul lebende Türke erfolgreich ist, ist simpel: Mercan Dede kombiniert Versatzstücke traditioneller türkischer Musik mit elektronischen Klängen. Das macht er durchaus geschickt und – wenn auch das Grundkonzept für jede ethnische Musik problemlos anwendbar und er darin keineswegs Vorreiter ist – originell.


Live überzeugt Mercan Dede, der sich nicht als reiner Musiker, sondern als Künstler sieht, weniger als seine überaus meisterliche Begleitmannschaft. Er lässt die Elektronik für sich arbeiten, dirigiert die Einsätze und spielt gelegentlich Ney, Tamburin und Schellen. Und er freut sich – mit gutem Grund. Denn auch seine Begleitmusiker sind hervorragend, allen voran der Percussionist Onur Il, dessen gleichermaßen virtuoses wie melodiöses Spiel kaum zu übertreffen ist. Dass der absolut souverän wirkende Kanun-Spieler Hasan Sezer Yilmaz noch am Istanbuler Konservatorium studiert, ist kaum zu glauben. Sein Kanun, eine Form der Zither, stellt die Verbindung zu Balthasar Streiffs Instrumenten des Alpenraums, Alphorn und Büchel, her – ein Brückenschlag, auf den Mercan Dede Secret Tribe und
Stimmhorn
jedoch nicht angewiesen sind.

Mercan Dede Secret Tribe zeigen mit ihrem Set, dass sie ebenso mitreißend wie subtil aufspielen können und die unterschiedlichen Elemente zu einem eigenen Klangwerk amalgamieren. Wirklich einzigartig wird der Abend jedoch durch das Zusammenspiel mit
Stimmhorn
– auch Bläser Balthasar Streiff überzeugt durch originäre Spielweise, am Alphorn genauso wie am Kornett –, durch das Aufeinander-Zugehen und das Sich-aufeinander-Einlassen, durch den Respekt und die offensichtliche Befruchtung. Mitunter legt Mercan Dede nur den elektronischen Bordunton, über dem die anderen Musiker das Thema entwickeln. Oft beginnen sie bedächtig und doch eindringlich, um immer intensiver zu werden und schließlich ein furioses Feuerwerk zu entfachen.

Die Zusammenarbeit von Stimmhorn und Mercan Dede entstand im Zusammenhang mit dem Kulturaustauschprogramm Culturescapes, das seit einigen Jahren Künstler aus unterschiedlichen Ländern in die Schweiz bringt, dieses Jahr aus der Türkei. Mercan Dede, der seinen künstlerischen Ausdruck als in der Tradition des Sufismus gewachsen sieht, nimmt damit auf seine Art auf andere Culturescapes-Veranstaltungen Bezug - die Auseinandersetzungen mit der Sufi-Tradition beim „Kulturtag Sufismus“, der musikalischen Begegnung zwischen Orient und Okzident mit einem Konzert von sufischen Gesängen und Bach-Kantaten und der Zeremonie der drehenden Derwische des Mevlevi-Ordens aus Konya. Mercan Dede greift diese in seinem Programm auf. Gekleidet in ein von den Derwischen inspiriertes Gewand, wirbelt die kanadische Tänzerin Mira Burke in einer eigenen Mischung aus Derwisch- und Ausdruckstanz über die Bühne.
Es ist deutlich zu erkennen, dass die sechs Musiker kein routiniertes Programm abspielen. Doch das Risiko lohnt sich, und wird wiederum vom Publikum mit stehenden Ovationen belohnt.

Weitere Aufführungen: 30.11. Bern, 2.12. Zürich, 3.12. Genf, 4.12. Luzern

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