Montag, 21. November 2011
Dschakka dschakka bum
Attwenger: zu eintönig in Dornbirn
Attwenger sind in gewissem Sinn grob, dabei aber ziemlich feinsinnig, die Reime sind oft schlicht, aber durchweg recht hintersinnig. Auf der Bühne sind sie ziemlich eingeschränkt. Zwei Personen, eine davon hinters Schlagzeug gezwungen, und die Abhängigkeit von Samples erlauben nur wenig Bewegungsfreiheit. Markus Binder und Hans-Peter Falkner entsprechen den Erwartungen, indem sie die übliche Erwartungshaltung des Publikums karikieren und gleich zu Beginn mit amüsanter Lustlosigkeit verkünden, wie sehr sie das Publikum schätzten. Und schon legen sie los – bum dschakka dschakka bum. Die Samples kommen satt, Binder drischt mit Verve und Falkner lässt sein Akkordeon immer wieder aufkreischen. Der Mann am Mischpult stoppt nicht nur die Samples programmgemäß, er sprechsingt auch immer wieder mit und sorgt so dafür, dass der Gesang voller wirkt. Attwenger spielen straight, überwiegend schnell und laut, gelegentlich unterbrochen von einer abrupt eingesetzten leisen Passage. Man kennt die Stücke, die nicht nur vom letzten Album stammen, und singt immer wieder gerne mit. Über das gesamte Konzert hinweg – dessen Dauer mit anderthalb Stunden die Länge der Show der einer durchschnittlichen Schlagersängerin entspricht, – wirkt das nicht nur undifferenziert, sondern auch recht langweilig. Es gibt viele Hartgesottene, doch die zweite Zugabe warten noch weniger ab als die erste. Sollte sie doch noch kommen, hat man sie heute Abend schon gehört – bum dschakka dschakka bum.


Nächste Konzerte: 10.12 Eferding (A), 7.12. St. Pölten (A), 8.12. Wien (A)

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Sonntag, 6. November 2011
Afrobeat mit Originalen
Seun Kuti im Kaufleuten
«Ist dir nicht klar, was du da machst», geht Seun Kuti lachend auf den Tänzer zu, der in afrikanischer Manier die Bühne erklommen hat und neben dem Kalebassenspieler tanzend seine Freude an der Musik ausdrückt, «du stiehlst mir die Show!» Es sind wahrlich harte Zeiten für den Verwalter des Afrobeat-Erbes. Ein Journalist habe ihn neulich – frei übersetzt – als Schänder des Afrobeat bezeichnet, ereifert er sich. Grundlos, denn der Journalist ist nicht im Raum und das Publikum hat sich schon längst vom charismatischen Bandleader und seinen eloquenten Egypt 80 mitreißen lassen.



Zum Teil hat die generationenübergreifende Truppe schon Fela Kuti gespielt, der gemeinsam mit dem Schlagzeuger Tony Allen als Erfinder des Afrobeat gilt. Die alten Herren wissen, was sie tun. Und ihre Zöglinge stehen ihnen in nichts nach. Aber sie wissen auch, wer sie bezahlt: Selbst wenn Seun Kuti immer wieder in die zweite Reihe zurücktritt, während einer seiner versierten Bläser ein Solo zaubert, ist er der uneingeschränkte Herrscher.
Mit ungeheurer Energie fegt er über die Bühne, spielt mit einfachen Gesten und ausdruckstarker Mimik den Inhalt seiner Lieder nach, salutiert exaltiert bei «African Soldier» und marschiert im Stechschritt über die Bühne. Die Stücke reihen sich nahtlos aneinander, bilden einen Sog, von dem man sich gerne mitziehen lässt. Auch als Seun Kuti nach einer knappen Stunde ankündigt, etwas Tempo herauszunehmen, ist die Gruppe noch immer flott unterwegs.



So sehr die 14-köpfige Gruppe ihrem Bandleader – der auch mit dem Impetus seiner Vaters für die Belange Afrikas eintritt – die Bühne überlässt, so wichtig sind sie für ihn. Denn selbst wenn sie, weitgehend regungslos auf der Bühne stehen, liefern sie den fetzigen Boden für die rasante Show von Fela Kuti. Und von der können selbst ausdrucksstarke Gasttänzer allenfalls kurz ablenken – zu stehlen ist sie ihm nicht.

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Samstag, 5. November 2011
Steif und schmissig
Langer Anlauf, schönes Ende: Max Lässer und das Überlandorchester
Als Max Lässer im Februar diesen Jahres sein Album «Iigschneit» herausbrachte, war der Winter schon vorbei. Abgesehen davon, dass der diesjährige August noch den guten Grund geliefert hatte, das Album hervorzuholen, sind die überwiegend ruhigen Stücke des Albums über jede saisonale Beschränkung erhaben. Zum Glück: Denn Max Lässer und seine Gruppe wurden nicht mit beissender Kälte in Liechtenstein empfangen, sondern mit der angenehmen Wärme, die der Fön immer wieder in das Rheintal bringt.


Würzt alte Zutaten nach eigenem Gusto: Volksmusikinnovator Max Lässer

Der Auftakt wirkt trotzdem unterkühlt. Es liegt nicht daran, dass die hier versammelten Musiker offenbar Menschen sind, die sich im Stillen freuen. Zu akademisch wirken die ersten Stücke, so steif wie ein Jüngling beim ersten Standardtanz mit der zukünftigen Schwiegermutter. Auch die eloquenten Slides von Max Lässer und die Läufe von Markus Flückiger bringen nicht den notwendigen Schmiss. Nur selten blitzt die Lebendigkeit auf, die diese Truppe bei aller Zurückhaltung an den Tag legen kann. Dann etwa, wenn sie sich der Stille nähern und nur noch Daniel Flückiger und der Cellist Daniel Pezzotti mit leisen Tönen und Saiten schaben für pure Atmosphäre sorgen. Oder wenn Pezzotti mit einem furiosen Solo ein Stück so richtig lüpfig macht.

Im Überlandorchester versammelt Musiker, die zu den versiertesten Volksmusikinnovatoren der Schweiz zählen, etwa den Hackbrettspieler Töbi Tobler, der schon in den 1980er-Jahren mit den Appenzeller Space Schöttl frischen Wind in die Szene brachte, den Akkordeonisten Markus Flückiger, den man auch von den Hujässlern und Hanneli Musig kennt, oder Anton Bruhin, der auch schon mit John Zorn oder Guru-Guru-Schlagzeuger Mani Neumeier gespielt hat, an der Maultrommel. Sie spielen überlieferte Stücke aus dem Notenbuch der Hanni Christen genauso wie von zeitgenössischen Musikern und eigene Stücke. In der Instrumentierung fühlen sie sich genauso frei wie beim Hinzufügen moderner Einflüsse, die vor allem aus dem amerikanischen Folk kommen und gleichzeitig heimelig und doch ein bisschen fremd wirken. Wenn Max Lässer mit seinen Slides ein Volksmusik-Stück akzentuiert, wirkt es durchweg, also ab das schon immer zur Volksmusik gehört hätte.

Im zweiten Set vermisst man kaum mehr den Gesang, für den bei der letzten Tournee die Bündnerin Corin Curschellas sorgte und der so auflockernd hätte wirken können. Nicht nur bei den rasanten «Schottischen», auch die eher getragenen Stücken wie «Luzein» sind jetzt richtig geschmeidig. Bernd Bechtloff setzt mit einer schier unerschöpflichen Vielfalt an Perkussionsinstrumenten – von Shakern und Tamburin über Guiro, Triangel und Slide Whistle bis zu Rahmentrommel und Hang – variantenreiche und zauberhafte Akzente. Und als sie sich dann mit «Voralpenglühen» – einem Evergreen der Gruppe – in die letzte Kurve vor der Schlussgeraden legen, ist das Eis längst gebrochen, freuen sich nicht mehr nur still die Musiker über ihre stimmungsvolle Musik, sondern auch das Publikum über konzertant-mitreissende Interpretation zeitgenössischer Volksmusik.

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Montag, 31. Oktober 2011
Uh, so good?
Charles Bradley beim Jazznojazz im EKZ-Unterwerk Selnau, Zürich
Das Goldene Zeitalter sucht man derzeit nicht in der Zukunft, man blickt zurück. Der Protagonist von Woody Allens neuem Film «Midnight In Paris» flieht vor seinem Alltag in die 1920er-Jahre, im Münchner Rationaltheater tanzt man im Retro-Look zum Swing von Schellack-Platten, und Charles Bradley nimmt seine Fans mit in die funkige Welt des Deep Soul.
Der 63-Jährige - er wurde bei einer Tributveranstaltung seines großen Vorbilds entdeckt - beerbt den Godfather of Soul, James Brown. Der ehemalige Küchenchef ist ein Spätberufener. Viele Jahre lang machte er nebenbei Musik, erst nach einigen Schicksalsschlägen - so die offizielle Geschichte - widmete er sich ihr völlig. Jahrelang tingelte er durch kleine Clubs, dieses Jahr erschien sein Debütalbum. Erst jetzt scheint er den Applaus zu bekommen, den er verdient.


Späte Karriere: Charles Bradley kam erst mit 63 auf die (halb)grossen Bühnen.

Seine Lieder sind stark, Bradley selbst wirkt authentisch, und trotzdem wird im Konzert schon beim viel zu langen Intro klar: Seine Band, die den Boden für eine Punktlandung bereiten soll, wird weder mit Schmelz noch mit Funk für eine flirrend-elektrisierende Atmosphäre sorgen. Und Charles Bradley gibt mit Schmerbauch und vom Leben gezeichneten Gesicht den Liebhaber, der noch immer jugendlich wirken will. Erst im roten Smoking, später im ebenfalls glänzend reich bestickten Overall zitiert er seine Vorgänger, ohne jedoch so extravagant und originell zu wirken wie diese. Seine Musiker - sie absolvieren das Programm zwar druckvoll, aber weitgehend ruhig und unauffällig - überlassen ihm die Show und er verlässt sich auf das Bewährte: Er tänzelt und fällt auf die Knie, er donnert und kreischt, und immer wieder schwenkt er lasziv die Hüften und stöhnt regelmäßig sein «uhh, so goood».


Große Geste: Charleys Bradley hat Grund, die Welt zu umarmen.

Charles Bradley ist nicht der Parodist, als der er mitunter unfreiwillig wirken mag. Seine Musik ist gefühlsbetont und mitreißend, seine Stimme ist mächtig und seine Interpretationen sind intensiv. Man sieht Bradley an, dass er öfters ausgeknockt wurde. Er ist aufgestanden und hat sein Leid in Stärke verwandelt. Das beeindruckt. Vorne tanzen die Zwanzigjährigen und lächeln beglückt, hinten setzt schon früh das muntere Gehen ein. Dachte man beim Debütalbum noch, dass hier ein Geschundener mit den Erfahrungen seines Lebens seiner Lieblingsmusik zu einer neuen Tiefe verhilft, so zeigt er im Konzert, dass er zwar seine Stücke hervorragend verkörpern kann, in der Bühnenshow aber in der Konvention stecken bleibt und auch mit Coverversionen wie Neil Youngs «Heart Of Gold» keine glückliche Hand hat.

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Montag, 4. Juli 2011
Goethe orientalisch
Kudsi Erguner in der Allerheiligen-Hofkirche in München
Sie ist ein erhabener Ort – fein mit ihrem hoch aufragenden, schmalen Schiff, charaktervoll und kräftig die unverputzten Ziegelmauern: Die Allerheiligen-Hofkirche ist der ideale Raum für die festlich-raffinierte Musik von Kudsi Erguner. Der in Paris lebende türkische Komponist und Ney-Virtuose wandelt auf Goethes Spuren. Nicht nur, weil er Verse aus dem «West-östlichen Divan» des Weimarer Dichters vertont. Wie Goethe mit seiner Gedichtsammlung – der umfangreichsten, den er jemals publizierte – überschreitet Kudsi Erguner die Grenzen. Während Goethe sich, von persischen Dichter Hafez inspiriert, mit seinem «Divan» dem Orient zuwandte, öffnet sich Erguner mit der Zusammenarbeit mit Musikern wie Bill Laswell, dem Hilliard Ensemble, Renaud García-Fons oder Nguyên Lê jene zum Okzident. Seine Öffnung wurzelt tief in der intensiven Beschäftigung mit der ottomanischen Musik und zeigt: Man muss das Eigene nicht aufgeben, wenn man sich das Fremde aneignet. Das ist ein schönes Signal und entspricht der Intention des Veranstalters Cultureflow, der das Konzert initiiert hat.



Die Vermischung der Kulturen zeigt sich schon in der Besetzung: E-Bass, Tuba und Serpent sind ebenso selbstverständlich wie Ud, Kemençe oder das Kanun. Die Arrangements stellen die Harmonie in den Vordergrund und lassen doch auch ein überaus modernes, geschmackvoll-dissonantes Zwischenspiel zu. Doch auch dann fließt die Musik noch, die trotz des fremden Tonsystems oft vertraut klingt. Insbesondere der Gesang verdeutlicht die Charakteristika des orientalischen Tonsystems – und er klingt beim Zwiegespräch, das die beiden Sänger bei einem Stück hoch oben auf der Galerie abhalten, bewegend und erhaben.

Die beiden Sänger – beide Imame Istanbuler Moscheen – intonieren den deutschen Originaltext in meditativen Arabesken. Dass er nicht zu verstehen ist, tut dem Hörvergnügen jedoch keinen Abbruch. Die Schauspielerin Brigitte Hobmeier rezitiert jedes der auch im Programmheft abgedruckten Gedichte zu den ersten Takten.

Schon vor mehreren Jahren hat Kudsi Erguner das Programm «Ghazals - Gedichte aus Goethes Divan» erarbeitet – eindrucksvoll und völlig zeitlos wirkend. Auf Tonträger bislang nicht erschienen, ist das Programm nur live zu hören.

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Donnerstag, 9. Juni 2011
Tinariwens Wiedergänger
Tamikrest im Moods (Zürich, CH)
Lange Aufwärmphase und vergleichsweise kurze Phasen von selbstverständlicher Leichtigkeit: Tamikrest wachsen nicht über sich hinaus. Sie stürzen auch nicht ab, könnten aber live mehr aus ihren Liedern machen.

Ousmane Ag Mossa könnte viel erzählen – über sein Land,das Leben in der Wüste oder warum er an seine Landsleute appelliert, sich für die Gemeinschaft und den Erhalt ihrer Identität einzusetzen. Aber der Mann mit dem traurigen Blick wendet sich kaum ans Publikum. sondern sucht den Blickkontakt vor allem zu seinen Mitmusikern. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, den Inhalt der – durchweg in Tamschek, der Sprache der Tuareg gesungenen Lieder, zu erläutern. Erst gegen Ende taut Ag Mossa auf, lächelt und winkt auch mal ins Publikum.


Kaum ans Publikum gewandt: Bandleader Ousmane Ag Mossa

Das Konzept, die Musik sprechen zu lassen, passt durchaus gut zur gleichförmigen Musik. Andererseits würde auch eine Akzentuierung durch Zwischenmoderationen nicht schaden. Das würde die mangelnde Dynamik der Stücke etwas kaschieren. Denn von piano zu forte wechseln Tamikrest nicht innerhalb eines Stückes, sondern nach jeweils einigen Songs. Der Gitarre des Bandleaders Ousmane Ag Mossa fehlt daher öfters der Raum, um wirken zu können. Seine ruhigen Soli – in denen nicht Virtuosität zur Schau gestellt wird, sondern Gefühl – können sich gegen Rhythmusgitarre und eine zumindest im Fortissimo zu schrille Djembé mitunter kaum durchsetzen. Das Gleiche gilt für die Sängerin, die im Chor der Männerstimmen immer wieder untergeht. Dabei fehlt es dem Konzert durchaus nicht an Akzenten, diese werden bloss nicht richtig herausgearbeitet.

Auch wenn sich Tamikrest – vor allem durch den subtilen Einsatz des Wah-Wah – von Tinariwen, den Erfindern des Desert Blues, abheben, wirkt das Septett ein wenig wie deren Wiedergänger: das Aussehen der Bandleader ähnelt sich von der Frisur bis hin zu der Tatsache, dass sie die einzigen sind, die auf der Bühne keinen Turban tragen. Auch folkloristischen Elemente, von der Kleidung bis zum verschleierten Gesicht von Bassist und Djembé-Spieler, fehlen nicht.

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Freitag, 27. Mai 2011
Weltmusikalisches Kammerensemble
Danças Ocultas begeistern in Bregenz
Ungewöhnliche Besetzungen sind schon die halbe Miete. Wenn vier Cellisten Songs von Hardrockern interpretieren, ist die Aufmerksamkeit garantiert. Die Halbwertszeit hingegen ist vergleichsweise kurz. Denn bald schon bleibt - auch wenn es immer jemand gibt, der jahrelang treu bleibt und den Stillstand nicht merkt - nicht viel mehr übrig als der Gag.




Das portugiesische Akkordeon-Quartett hingegen fällt nicht nur deswegen auf, weil sie ihre eigenwillige Nische gefunden haben. Das weltmusikalische Kammerensemble versteht sich zwar durchaus auf den Effekt, Effekthascherei jedoch ist ihnen fremd.
Sie brauchen keine vordergründig auffälligen Ideen, weil ihre Musik aufsehenerregend genug ist. Ihre Kompositionen mit Elementen aus Volksmusik, Klassik und Avantgarde sind ruhig, wirken oft einfach und sind dabei immer wieder recht vertrackt. Sie klopfen rhythmisch auf ihr Akkordeon, lassen den Balg fauchen und pflegen bei allem Wohlklang auch gekonnt die Dissonanz. Meist legt Filipe Ricardo mit seinem eigens entwickelten Bass-Akkordeon die eingängige Grundlage, auf der Artur Fernandes und Franciso Miguel ihre überwiegend schlichten Melodien entwickeln.

Weil das Einfache so schwer ist, sind Gruppen wie Danças Ocultas einzigartig. Sie spielen präzise und beseelt, und überzeugen in den lyrischen Passagen genauso wie mit den kraftvollen. In den Kompositionen von Danças Ocultas schwingt viel Melancholie mit, aber auch eine Art gemütliche Lebensfreude. Ihre Musik steckt zudem voller Humor. Weil er nicht in der Art des schrillen Komödianten daherkommt, sondern wie der des hintergründigen Kabarettisten, wirkt das Quartett wie aus der Zeit gefallen. So ist es nur logisch, dass sie live nicht vor allem das kürzlich erschienene Album «Tarab» präsentieren, was ebenso begeistert aufgenommen worden wäre wie der gebotene Querschnitt aus ihrem rund fünfzehnjährigen Schaffen. Die vier Portugiesen haben eben mehr zu bieten als eine originelle Besetzung.

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Montag, 2. Mai 2011
Der Anti-Entertainer ist der bessere Unterhalter
Helge Schneider in Bregenz
Man muss Helge Schneiders Nonsens-Einlagen nicht immer folgen können und kann durchaus finden, dass er es sich zu einfach macht, wenn er auf nicht mehr als seine Grimassen setzt. Nicht absprechen kann man ihm jedoch, dass er ein hervorragender Musiker und Komödiant ist – und nicht zuletzt auch ein erstklassiger Unterhalter.
Helge Schneider braucht nur leicht trottelig auf die Bühne zu gehen, um sein Publikum zu begeistern – es empfängt ihn mit den sprichwörtlichen offenen Armen. Vereinzelte lachen selbst an Stellen, an denen es gar nichts zu lachen gibt. Der schrullige Komödiant ruht sich darauf nicht aus, obwohl er kein Gag-Feuerwerk liefert und sich auch gerne auf Erprobtes wie eine Udo-Lindenberg-Parodie verlässt.



Charmante Holprigkeit am Abgrund des Versagens ist das Markenzeichen der Bühnenfigur Helge Schneider. Ob er bei seinen überlangen Moderationen tatsächlich immer wieder den Faden verliert oder ob er dies nur spielt, ist nicht herauszufinden. Fest steht, dass es ohne Holpern wesentlich weniger lustig wäre. Schneider wirkt wie eine leibhaftig gewordene Loriot-Figur, nur nicht so knubbelig (wenn auch auf seine schräge Art durchaus vergleichbar knuddelig) und hemmungslos politisch unkorrekt.

Helge Schneider ist das Anti-Programm der zeitgenössischen Unterhaltung – und das nicht nur, weil er auch als Musiker bestens bestehen kann. Dass er seine musikalischen Fertigkeiten bei aller Ernsthaftigkeit auch komödiantisch präsentiert, ist eine zusätzliche Stärke. Als Vibraphonist etwa macht er sich gleichzeitig über die ausgestellte Virtuosität von Instrumentalisten lustig. Später persifliert er die Schlichtheit des Blues und zeigt, dass man auch als Flamenco-Dilettant eine gute Portion Authentizität vortäuschen kann. Zwischendurch gibt er den Nicht-Könner – und natürlich auch den äußerst gekonnt. «Jeder Fehler muss sitzen», fordert er seine versierte Begleitband auf, aus der Sandro Giampetro mit einigen furiosen Gitarren-Soli herausragt, um nach der erfolgreichen Kakophonie beim öffentlichen Debriefing nicht nur die Musiker zu loben: «Auch das Publikum hat an der richtigen Stelle geklatscht.» Und das hat es ausreichend und bis zum langen Schlussapplaus gerechtfertigt.

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Dienstag, 12. April 2011
Artisten, Tiere, Attraktionen
Bonaparte im Palais X-Tra (Zürich, CH)
Ein Gewichtheber und ein Pierrot, ein dirigierendes Pferd, Prinzessin und Stripperin – bei Bonaparte ist auf der Bühne viel los. Das macht zwar grossen Spass, doch auf Dauer verliert das Spektakel seinen Reiz.


Eigenwillige Rock-Show: Schnöne Stimmungen werden mit
viel Nebel und mitunter nur wenigen Farben hervorgerufen.


Die Lieder von Bonaparte sind simpel und drehen überwiegend im oberen Bereich. Dazu liefert ihr Sprechsänger Tobias Jundt witzige Texte. Und als ob das nicht schon reichen würde, bringt die schräge Truppe eine Show auf die Bühne, die ihresgleichen sucht. Streng dem Trash verpflichtet, begleiten Bonaperte ihren punkigen Rock mit einer Mischung aus Zirkusverballhornung, Varieté, Burleske und Stummfilm. Bildungsbürger mögen eine dadaistische Lust am Nonsens ebenso erkennen wie - etwa bei der Figur des Lampenschirm-Mannes - Einflüsse von Oskar Schlemmers Mechanischem Ballett. Der Kanonenkugel-Mann wiederum könnte einem Jacques-Tati-Film entsprungen sein.


Bonapartes Markenzeichen: witzige Kostüme

Das Spektakel ist mit vergleichsweise schlichten Stilmitteln opulent inszeniert - neben der eingängig-hämmernden Musik, die keinen Widerstand duldet, lebt die Show vor allem von skurrilen Kostümen und einer Menge Personal, das auf der Bühne herumspringt. Der mit Pferdemaske gibt nach «My Horse Likes You» den Dirigenten für ein kakophonisches Intermezzo, ein Akrobat bietet keine Kunststücke auf seinem Rad und der Gewichtheber ist ebenso beeindruckend wie seine überdimensionierte Papphantel, deren Scheiben nicht zur Seite, sondern nach vorne ausgerichtet sind.


Schweizer in Berlin: In seiner Heimat hätte Tobias Jundt
wohl kaum das Personal für seine verrückte Show gefunden.


Der grobe Ablauf ist durch die Lieder vorgegeben. Choreographische Anweisungen scheint es über die Aufforderung hinaus, wild herumzuhüpfen, nicht zu geben. Der reine Effekt durch Kostüme und Masken trägt jedoch auf Dauer nicht – spätestens zur Pause beginnen zumindest diejenigen die Abwesenheit einer sichtbaren Choreographie zu vermissen, die der Band nicht mit Haut und Haar verfallen sind. Denn wenn bei unterschiedlichen Liedern eine wie auch immer gekleidete Dame aus einem Körbchen Kleinigkeiten vom Bühnenrand aus ins Publikum wirkt, bleibt eine gewisse Langeweile nicht aus. Und auf einer mitteleuropäischen Bühne nackte Brüste zu zeigen, hat als Provokation wohl selbst in katholischen Zirkeln ausgedient.


Brachiale Ästhtik: wie von Gottfried Helnwein inspiriert

Ungemein origineller ist dagegen die Pause, in der eine Dame im leicht aufreizenden Zimmermädchen-Look die Bühne saugt - weil aus den Lautsprechern minutenlang das überlaute Staubsaugergeräusch dröhnt. Damit spielen Bonaparte mit Erwartungshaltungen und konterkarieren sie geschickt. Die Fortführung der Readymades in den Bereich der Unterhaltung wurde zu Recht heftig beklatscht.
Diese kurze, skurril inszenierte Pause kommt schon nach einer dreiviertel Stunde - und weitere 45 Minuten später stellt man fest, dass sie noch besser als Zäsur für ein tosendes Zugabenset getaugt hätte. Denn Bonaparte liefern ab der zweiten Hälfte des Konzerts nur noch Varianten des bereits Bekannten. Sie ignorieren auch die Gesetze der musikalischen Dramaturgie und weigern sich zurückzuschalten. Ein Konzert ohne Modulation ist so spannend wie eine Komposition ohne Dynamik. Wer die Drehzahl nicht reduziert, kreischt sich in die Monotonie des überdrehten Motors. Kraftvoller wirkt er, wenn man ihn zwischendurch aus dem gutturalen Gluckern im Stand aufheulen lässt.

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Bonaparte in Zürich
Ganz amüsant, aber auf Dauer zu viel des Gleichen.

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