Montag, 26. November 2012
Spielen, tänzeln, sich lösen
Anouar Brahem im Haus der Kunst, München
Dass sich Anouar Brahem nach nur zwei Zugaben verabschiedet, wusste Manfred Eicher persönlich zu verhindern. Der ECM-Chef brachte dem Oud-Virtuosen einfach sein Instrument zur Bühne, als dieser mit seinen Kollegen den dritten Schlussapplaus genoss.

Anouar Brahem machte es sich mit einem kleinen Kniff etwas leichter: Er wiederholte einfach seine als zweites Stück gespielte Komposition «Dance With Waves». Der Grund dafür mag der plötzliche Ausfall seines Bassisten Björn Meyer sein. Unvermittelt zum Trio geschrumpft – neben Anouar Brahem an der Oud blieben Klaus Gesing, Bassklarinette, und Khaled Yassine an Darbuka und Bendir –, fehlten eine wichtige Klangfarbe und die Variationsmöglichkeit im tiefen Register. Dass Klaus Gesing den Ausfall wenigstens teilweise kompensieren konnte, ging ein wenig zu Lasten der Abwechslung. Öfters als wohl geplant spielten sich Brahem und Gesing die Bälle zu, spielten immer wieder Passagen zweistimmig, trennten sich, um ein wenig frei im Raum herumzutänzeln, bevor sie sich wieder zur gemeinsamen Melodie fanden.

Anfangs noch etwas verhalten wirkend, spielte sich das Trio zunehmend frei und agierte gelöst.
Anouar Brahem spielt seine Oud immer wieder mit festem Anschlag, was in den hohen Lagen manchmal metallisch klingt und in den tiefen mitunter zu hart. Ein Merkmal des Albums «The Astounding Eyes Of Rita» (2009), von dem die meisten der gespielten Stücke stammen, ist der warme Hall. Im Haus der Kunst gelingt es der Technik nicht, ihn zu reproduzieren. Kurz und hart wird er zurückgeworfen, was nicht nur den Klang der Oud mitunter durchschnittlich klingen lässt, sondern gelegentlich auch der Bassklarinette den Zauber nimmt.

Davon unbeeinträchtigt begeistert die Virtuosität der Musiker. Der junge Khaled Yassine bringt an Darbouka und Rahmentrommel nicht nur den treibenden Rhythmus, sondern setzt immer wieder mit leichter Hand überaus kunstfertige Akzente. Klaus Gesing und Anouar Brahem überzeugen nicht nur mit ihrem meisterhaften Spiel, sondern durchweg mit melodiösen und akzentuierten Soli. Klaus Gesing verlässt sich dabei nicht nur auf den weichen Klang der tiefen Register, sondern bläst seine Läufe auch in den hohen souverän und zaubert aus seinem Instrument auch mal Perkussions-Effekte. Anouar Brahem, dem bei Erscheinen seines letzten Albums «The Astounding Eyes Of Rita» vorgeworfen wird, sich seit einiger Zeit nicht mehr neu erfunden zu haben, bleibt nicht nur das Verdienst, zeitlos schöne Melodien zu komponieren, die sich mit den Jahren in der Mitte zwischen Orient und Okzident eingependelt haben und als universal betrachtet werden dürfen. In seinen Soli spinnt er diese Melodien weiter wie Geschichten, die erstaunliche Wendungen nehmen. So machte das Anouar Brahem Trio die technischen Unzulänglichkeiten vergessen – und beinahe auch die Klangfarbe, die Bassist Björn Meyer nicht beisteuern konnte. So bedauerlich sein überraschender Ausfall ist: Ihn zu vermissen ist ein Zeichen der Anerkennung – und auch das unerfüllte Begehren hat eine schöne Komponente.

Das Konzert des Anouar Brahem Trios fand im Rahmen der Konzertreihe zur Ausstellung «ECM — Eine kulturelle Archäologie» statt.

... comment