Samstag, 21. Juni 2008
Johnny Hallyday - Le coeur d'un homme
Ich dachte, wenn ich mir dieses Album hole, werden mir so richtige Schnulzen geboten. Nichts da: elektrifizierter Blues. Natürlich nicht aus der Gosse, sondern so konventionell wie bei Patricia Kaas. Das ist nicht immer ermüdungsfrei. Aber ein nettes Solo, ein dreckiger Einwurf oder eine im Hintergrund glimmende Slide stimmen immer wieder versöhnlich. Zwischendurch meint man gar, Johnny Hallyday habe sich seine Anregungen von Noir Desir geholt hat - oder sogar umgekehrt.

Johnny Hallyday bring zwölf Songs, opulent arrangiert und mit Lust und Verve gespielt - und es ist nur einer dabei, der alles wieder zerstören möchte. "I Am The Blues", geschrieben von U2-Sänger Bono und von Johnny Hallyday auf Englisch gesungen, ist ein unnötiger Dämpfer als Abschluss eines doch durchweg netten Albums. Man kann sich gut vorstellen, dass - wie kolportiert wird - die Idee, Bono möge einen Song für den Franzosen schreiben, bei einem alkoholseligen Treffen entstand. Aber normalerweise denkt man ja weiter, wenn man wieder nüchtern ist.

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I am the Blues - Johnny Hallyday
Das ist so eine Sache mit diesem Johnny Hallyday, die Franzosen halten ihn für ihren Elvis! Für mich, von außen betrachtet ist er eher einer wie Peter Maffay, der ordentlich rocken kann und sich aber auch nie für seine alten oder neuen Schlager-Schnulzen entschuldigt, geschweige denn geschämt hat.

Für diese Haltung habe ich was über!
Wenn Gefühl, dann gerne dick aufgetragen!

Damit hat der Mann laut Wikipedia bislang 110 Millionen Scheiben verkauft. Und reichlich NR. 1 Alben gemacht. So auch: "Le coeur d' un homme" von 1997

"I am the Blues" ist für mich allerdings nicht tiefpunkt sondern das absolute Highlight des Albums, noch vor dem fantastischen Jive "T'aimer si mal" mit Gast Taj Mahal!

Die Geschmäcker sind halt verschieden ...

"I am the blues" - Das Lied vom angejahrten Rockstar, der da mit seinem namenlosen jungen Betthupferl in der abgedunkelten Stretched Limo dem Hotel entgegen gleitet, stinkend reich und stinkend einsam, das ist einfach stark.

Der alte Mann und das Meer (von winkenden Händen während eines Konzerts). Der alte Mann ist eigentlich ausgebrannt und leer in seiner Rockstarwelt und das weiß er selber. Zur Ablenkung hat er neben sich ein junges Groupie, "not even as old as my tattoos"!
"Not even as old as my tattoos" - das, liebe Leute, ist definitiv eine der besten Textzeilen aus der Abteilung Musik für Leute, die auch mal erwachsen geworden sind!

Chapau an die Herrn Bono und Simon Carmody für diesen Song und an Johnny Hallyday dafür, wie er dieses Lied rüber bringt.

Übrigens, ob Johnny Halliday wirklich besoffen war und nicht wußte, was er tat, als er das mit Bono gedealt hat?
Johnny Hallyday hat in den Sechzigern schon britische Pophelden wie Peter Frampton: Herd, später Humble Pie und Steve Marriott von den Small Faces, später Humble Pie als Musiker für Sessions nach Paris geholt und auch deren Songs auf Französisch gesungen.
Ziemlich genau dreißig Jahre vor "I am the Blues" ...

Noch eine interessante Hallyday-U2 Fußnote. Johnny Hallyday hat in einem Film mit Jean Rochefort mitgespielt, in Deutschland: "Das zweite Leben des Monsieur Manesquier", im Original: "L'Homme du train", in den USA: "Man on the train" - 2002.
Larry Mullen Jr. hat in einem US-Remake dieses Films 2010 den Hallyday-Part, einen Bankräuber, gespielt. Donald Sutherland die Rochefort-Rolle, einen pensionierten Lehrer.
Nein, Hallyday singt in diesem Film nicht, er spricht auch nicht allzuviel ...
Frauen kommen auch kaum vor ...
Das ist einer der schönsten, traurigsten und bewegendsten Filme, die ich bislang gesehen habe.
Seit "Freunde" ist französisches Kino ja sehr in - vielleicht mag es mal jemand damit versuchen?
Und wenn es gefällt vielleicht noch einen weteren Rochefort-Film: "Der Mann der Friseuse"?! (Der ist mit etwas Musik aber dafür ohne Johnny Hallyday

Johnny Hallyday - I am the blues? Oder eher: Ich war und bin ein Rocker!

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