Montag, 7. Mai 2018
Franui – Ständchen der Dinge
Die einen feiern ihren Abschied, die anderen stoßen auf die nächsten 25 Jahre an. Mit ihrem umfangreichen «Ständchen der Dinge», das die Osttiroler Band auf ein Vierteljahrhundert in nahezu unveränderter Besetzung darbringt, stellt sie gleichzeitig die Frage nach der Zukunft: «Geht es immer so weiter?», fragen Franui im Untertitel ihrer Rückschau. Man darf ein beherztes Ja vermuten, die Neugierde auf Kommendes zurückstellen und in dieser Sammlung nach Vergessenem und Übersehenen stöbern.

Schon das erste Stück ist symptomatisch für die Herangehensweise von Franui: «Creampuffs from Vienna» aus dem Jahr 2009 beginnt als Trauermarsch und endet auf dem Tanzboden. Das macht die Gruppe gerne, wie sie wenig später bei Schuberts «Trockne Blumen» zeigt. Franui lassen sich von Mahler inspirieren, unterlegen ein Gedicht von Ernst Jandl mit einem Gemisch aus Brahms-Duetten, verquirlen Schubert, Bartok und Ligeti zu einem flatterhaft-huschigen Stück und vertonen Lyrik von Hans Magnus Enzensberger und William Shakespeare, bis einem die Bläser fast zu dominant werden.
Aber so ist es eben mit der Blasmusik. Wenn man das Blech weglässt, ist sie ja auch nichts. Und kaum hat man das gedacht, kommt Franz Schuberts behutsam getragenes «Du bist die Ruh» mit Hackbrett und Kunstpfeifer. Nicht nur daran merkt man, dass die zehnköpfige Gruppe über genügend Personal und Ideen für ein abwechslungsreiches Programm verfügt.

Das letzte Stück des Albums, der gemäß Franui immer als Zugabe gespielte «schönste Trauermarsch», ist auch eine indirekte Antwort auf die Frage, wie es weitergeht. Nämlich mit neuen Ideen – wie dem auf diesem Album nicht berücksichtigten Georg-Kreisler-Projekt – und neuer Musik in altbewährter Verballhornungslust. Und das wird wohl so lange andauern, bis sie selbst einen Trauermarsch gespielt bekommen. Lang sollen sie leben – und spielen.

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Sonntag, 29. April 2018
Imarhan - Temet
Sie schießen nicht gerade wie die Pilze aus dem Boden, aber seit zu Beginn des Jahrtausends der Tuareg-Blues durch die medienwirksame Aura von Tinariwen als Freiheitskämpfer geschickt vermarktet wurde, ist die Zahl der Protagonisten stetig gewachsen.

Imarhan beginnen feurig wie ein 60er-Jahre-Rocksong, über den sie nach wenigen Takten eine entspannte, für den Tuareg-Blues typische Melodie legen. Der weibliche Hintergrundchor beim zweiten Stück «Tamudre» ist ein weiteres charakteristisches Element, das seine Wirkung nicht verfehlt. Obwohl das Quintett eher auf forcierte Stücke setzt, versteht es sich auch auf sanft-bluesige Töne und einfühlsame Stimmungen – erwartungsgemäß bevorzugt für Liebeslieder wie «Tarha-Nam» und «Zinizjumegh».

Mit den antreibenden Liedern möchten die fünf Musiker nicht nur zum Tanzen animieren. Sie stellen sich damit auch in die kämpferische Tradition ihres noch immer um Selbstbestimmung ringenden Volkes. "Meine Brüder, hört nie auf zu kämpfen", singen sie in «Azzaman», und Kapitulation gilt ihnen als Schande («Tamudre»). Dabei fordern sie, die Schuld für die oft miserable Situation der Tuareg auch bei sich selbst und nicht nur bei anderen zu suchen und rufen zur Einigkeit auf. Denn: «Eine Hand kann niemals alleine applaudieren» («Imuagh»).
Ihre Texte sind – vertraut man der Übersetzung – in einfachen Worten gehalten, aber keineswegs belanglos und oberflächlich. Und obwohl oft sehr eindeutig formuliert, verfügen auch ihre mehrheitlich appellierenden Texte über poetische Passagen.

Auch mit ihrem zweiten Album bringen Imarhan eine rockigere Interpretation des Tuareg-Blues. Das Quintett bietet lässige Gitarrensoli, eloquente Bassläufe und einnehmende Melodielinien und wirkt insgesamt viel freudestrahlender, als die doch oft ernsthaften Texte vermuten lassen.

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Montag, 23. April 2018
Malia - Ripples
Die Grenze zwischen Jazz und Pop ist schon lange brüchig, und wer erfolgreich sein will, spielt raffiniert mit beidem. Malia hat sich mit ihrem Debüt «Yellow Daffodils» (2003) geschickt als Jazzpop-Chanteuse eingeführt und später immer wieder die populäre Seite stärker betont. Noch ziemlich unbefriedigend mit ihrem Zweitling «Echoes Of Dreams» (2004), aber mehr als zehn Jahre später veröffentlichte sie gemeinsam mit Boris Blank (Yello) ihr zumindest an Charterfolgen gemessen erfolgreichstes Album «Convergence».

Jetzt erfolgt eine Rückbesinnung. Mit «Ripples» bringt sie die Songs, die sie für das Album „Echoes Of Dreams“ verschenkt hat, in ansprechender, reduzierter Form. Die einfühlsame Begleitung von Jazzpianist Alexandre Saada und einem Streicher-Trio ist für die Songs eine würdig-schlichte Gewandung und bringt Malias Stimme angemessen zur Geltung. Mal romantisch schön («My Love»), mitunter schmerzlich («Mary Mary») oder auch mal leicht beschwingt («Men In Your Eyes») – vor allem aber das das ganze Album hindurch empfindsam und seelenvoll.

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Dienstag, 17. April 2018
Hannes Wader - Macht's gut
Er sei die lange Zeit seiner Karriere ein «aufrechter Künstler» gewesen, der «wichtige, hinreißende, herzöffnende Lieder» geschrieben habe, lobt sein Bruder im Geiste, der nur wenige Jahre jüngere Konstantin Wecker, Hannes Wader bei seinem Abschied von der Bühne. Die beiden haben – auch gemeinsam mit der dritten deutschen Liedermacherinstanz dieser Generation, Reinhard Mey – oft zusammen auf der Bühne gestanden. Doch bei seiner letzten Tournee präsentierte sich Hannes Wader wie in seinen Anfängen alleine dem Publikum. Und man kann es sich nicht anders vorstellen, als dass jedes Konzert ein Heimspiel gewesen ist.

«Meine Lieder klingen nicht mehr so wie damals, frei und leicht», singt Wader gleich im zweiten Stück seiner Abschiedstournee («Damals») und mag damit recht haben. Es ist kein Wunder, dass der 75-Jährige nicht mehr über die strahlende Stimme des Mittzwanzigers verfügt. Aber auch heute noch ist sie unverkennbar, klingt immer noch angenehm weich und – ja, überraschend jung. Und auch die Gitarre zupft er immer noch ansprechend.

So treu sich Wader als Person geblieben sein mag und so einheitlich sein musikalisches Schaffen wirkt: Die Bandbreite seiner Lieder ist beträchtlich – von dezidiert sozialkritischen über schräg-humoristische und poetische bis hin zu Volksliedern. Der Liedermacher bringt erwartungsgemäß von allem etwas und kann damit wohl die meisten Fans glücklich machen. Und gleichzeitig wird den meisten mehr als ein Lied fehlen – er hat schlicht zu viele gute geschrieben oder adaptiert, um sie in einem Konzert unterzubringen.

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Mittwoch, 11. April 2018
Jütz – Hin & Über
Sie tummeln sich im abgegrasten Genre der neuen Volksmusik und wollen zudem in die übergroßen Fußstapfen des unkonventionellen «Zappa von Tirol» und «ordentlichen Anarchisten» Werner Pirchner treten. Dieser fiel nicht nur als unerhörter Musiker auf, sondern hielt auch mit seiner von der Mehrheit abweichenden Einstellung nicht hinter dem Berg.

Jütz dagegen machen es sich leichter. Sie beginnen mit dem ins Tirolerische übersetzten «Luegid vo Bärg und Tal», einem Schweizer Kinderlied-Gassenhauer aus dem 19. Jahrhundert. Das kann man als etwas eigenartigen Hinweis auf die Herkunft des Trios aus zwei Tirolern und einem Berner verstehen. Der Autor des Liedes, Josef Anton Henne, versuchte nämlich im berndeutschen Dialekt zu schreiben, obwohl er aus dem Kanton St. Gallen stammte. Vielleicht sind Jütz nur der einfachen Melodie erlegen, vielleicht wollen sie mit dem lauwarmen Aufwärmprogramm auch bloss die lange Tradition der bis heute ungebrochenen Begeisterung für den berndeutschen Dialekt zeigen.
Jütz vertonen gerne überlieferte Texte, die sie bunt durcheinandermischen und basteln daraus auch schon mal leichten Volksmusikpop mit angejazztem Akkordeon («Das kennst du wohl»). Doch sie können auch anders: Der «Postfeldwalzer» und die «Bergaufpolka» sind humorige Instrumentalstücke (das zweite mit Spracheinspielungen von Werner Pirchner), «Schleuniger Tempo Dampfl» ist ein originelles Spoken-Word-Stück und mit dem entschleunigten Jodler «Der Schweinsbeuschler» nähern sie sich sehr vergnüglich der Tradition.

Das Trio beschäftige sich nicht mit der politischen Dimension von Kunst, zitieren etwa die Wiener Stadtzeitung Falter und die Salzburger Nachrichten die Multiinstrumentalistin und Sängerin Isa Kurz. Das Trio wolle mit seiner Klangästhetik dem Publikum den unvoreingenommenen Zugang zur traditionellen Musik ermöglichen. Wenn Jütz dann aber in «Mantua» das Andreas-Hofer-Lied aufgreifen, das einen regionalen Widerstandskämpfer zum gesamtdeutschen Helden stilisiert, wirkt diese Einstellung mehr als naiv – vor allem nach dem ausdrücklichen Bezug zum eher anarchistisch eingestellten Werner Pirchner. Und dies ausgerechnet in einer Zeit enormer, auch mit kriegerischen Mitteln herbeigerufenen Umwälzungen, die auch unsere politische Landschaft enorm verändert hat.

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