Dienstag, 23. April 2013
Rokia Traoré – Beautiful Africa
Man kann es Rokia Traoré nicht verdenken, dass ihr neues Album ein Stück weit eingängiger klingt als frühere. Denn auch wenn sie im Titelstück explizit auf die aktuellen gewaltsamen Auseinandersetzungen in verschiedenen afrikanischen Ländern verweist und ihre Mitmenschen zum verständnisvollen Dialog aufruft, befinden sich ihr Publikum und die Käufer ihrer CD überwiegend in Europa. Als Diplomatentochter ist sie nicht nur mit der heimischen Musik eines Sori Kandia Kouyaté aufgewachsen, sondern hat genauso selbstverständlich die Chansons von Joe Dassin, Janis Joplin und die Dire Straits gehört.

Rockmusik, hat die malische Musikerin gesagt, habe sie dazu bewogen, Gitarre zu lernen. Und jetzt rockt auch sie, wobei die verzerrte Gitarre zwar immer wieder hervorsticht, sich aber gleichermaßen an ihre Songs schmiegt. Doch auch wenn Rokia Traoré rockige Klänge in mehr als homöopathischen Dosen verabreicht, macht das «Beautiful Africa» noch lange nicht zum Rockalbum. Den Auftakt macht ein treibend-simpler Blues («Mala»), der in Mali längst in seiner eigenen Spielart beheimatet ist. Das von einer gefühlvoll gespielten Ngoni begleitet «N’Teri» und das teilweise in Englisch gesungene «Sarama» sind berührende Balladen, und mit den leicht funkigen Up-Tempo-Stücken «Tuit Tuit» und «Beautiful Africa» zeigt Rokia Traoré ihre ausgelassene Seite. Dass sie mit letzteren in die Fußstapfen von Sängerinnen wie Angelique Kidjo tritt, schadet dem Vergnügen keineswegs.

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Samstag, 20. April 2013
Das Leben, die Liebe – ein Lamento
Emel Matlouthi beim Seelax
Die tunesische Liedermacherin Emel Mathlouthi, gerne als «Stimme der tunesischen Revolution» bezeichnet, macht aus Rap und Liedern von Nirvana Chansons. Das Konzert der ausdrucksstarken Sängerin war jedoch wenig mitreißend.


Kaum Dynamik: Das Trio schöpft seine Möglichkeiten bei weitem nicht aus.

Nach der Ankündigung von Nirvanas «Smells Like Teen Spirit» ist das Entsetzen im Publikum förmlich spürbar. Man möchte zwar die «Stimme der tunesischen Revolution» hören, aber die Kritik lieber in der gefälligen Getragenheit erleben, die das Konzert durchweg bestimmt, und nicht im aufsässig-aggressiven Duktus der Grunge-Band. Das explosive Stück passt auf den erst Blick gar nicht zu den durchweg klagenden Liedern der tunesischen Sängerin. Trotzdem ist es weder inhaltlich noch musikalisch ein Fremdkörper in ihrem Programm. Denn schon zuvor hat Emel Mathlouthi den Rap-Song eines Freundes in ein mit Arabesken geschmücktes Chanson transformiert. Mit ihrer enorm reduzierten Version von «Smells Like Teen Spirit», gibt sie auch diesem Stück einen ganz anderen Charakter – es wird zu einer fast resignativen Forderung.


Ausdrucksstarke Interpretin: Emel Mathlouthi agiert verhalten.

Emel Mathlouthi, zu deren Vorbildern westliche Protestsänger wie Joan Baez und Bob Dylan ebenso zählen wie Björk oder der bereits in den 90er-Jahren verstorbene ägyptische politische Liedermacher Cheikh Imam, ist eine zeitgenössische Liedermacherin. Sie vermischt westliche und arabische Einflüsse und verwendet die moderne Technik mit Loops und elektronischen Klängen ebenso wie akustische Instrumente. Ihr Auftritt im Trio mit Gitarre und Violine ist reduziert. Die Möglichkeiten, die auch diese Formation bietet, schöpft sie bei weitem nicht aus. Der Einsatz von Loops bleibt gewöhnlich, der wenig originelle Gitarrist wirkt durchweg uninspiriert. Dem Trio gelingt es nicht, die fehlenden perkussiven Elemente mit ihren Mitteln zu erzeugen. Nur Violinist Zied Zouari setzt gelegentlich Akzente in einem Konzert, das durchweg von Emel Mathlouthi bestimmt bleibt. Diese wirkt zwar bis zum Schluss seltsam gehemmt, lässt aber immer wieder aufblitzen, wie lebendig sie sein kann. Das mag zum einen daran liegen, dass das Set, beim dem selbst Liebeslieder zum Lamento werden und weder Fröhlichkeit noch Zuversicht verbreiten, zu monoton konzipiert ist. Erst beim letzten Stück geht Mathlouthi etwas aus sich heraus und zeigt deutlicher als vorher, dass sie nicht nur eine ausdrucksstarke Interpretin ist, sondern auch mitreißend sein kann.

Offizielle Homepage von Emel Mathlouthi.

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Mittwoch, 17. April 2013
Wenn weniger mehr ist, ...
«Wenn weniger mehr ist, ist nichts dann alles?»
Rem Koolhas

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Sonntag, 14. April 2013
Hannes Wader & Allen Taylor - Old Friends In Concert
Wie sehr die beiden Folk-Musiker harmonieren, zeigt eine Anekdote, die Allan Taylor im Verlauf des Konzerts erzählt. «Du spielst ein Lied von Hannes Wader», habe ihm jemand anerkennend gesagt, nachdem er seinen Song «It’s Good To See You» intoniert hatte. Dabei wurde das Lied in zehn Sprachen übersetzt, und die Coverversion von Hannes Wader ist nur eine von mehr als hundert Interpretationen.

Ihr erstes gemeinsames Live-Programm ist eine Greatest-Hits-Sammlung aus eigenen Liedern und Evergreens des Folk, etwa Pete Seegers «Where Have All The Flowers Gone» und «The Green Field of France». Die beiden Sänger bringen viele Lieder zweisprachig, wechseln sich mit dem Singen ab und setzen immer wieder Akzente, indem sie die zweite Stimme beisteuern. Es ist eine Freude, den beiden subtil spielenden Fingerpickern und ihren harmonischen Stimmen zuzuhören.

Aber auf das eigentlich Spektakuläre, das für uns längst selbstverständlich ist, muss Allan Taylor hinweisen. «Wenn ich dieses Lied spiele, muss ich immer daran denken, dass sich mein Vater und der von Hannes vor siebzig Jahren noch bekriegt haben», kündigt er das Antikriegslied «Es ist an der Zeit/The Green Fields Of France» an, «und wir sind heute Kumpels und spielen gemeinsam auf einer Bühne.» Hannes Wader, der auch als politischer Liedermacher nie die Poesie außen vor gelassen hat, und Allan Taylor stellen ihr Engagement nicht in den Vordergrund. Präsent ist es trotzdem. Und man darf getrost davon ausgehen, dass sie zwar von der politischen Dimension des zusammenwachsenden Europas sprechen, wenn sie ein Lied wie «The Green Fields Of France» intonieren, das Lied aber nicht auf Europa reduziert sehen möchten. Sie zeigen damit implizit, dass es in anderen Teilen der Welt noch zu wenige «gemischte» Konzerte gibt und beispielsweise auch Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra in seinem Land für seine Landsleute spielen dürfen sollte.

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Freitag, 12. April 2013
Anheimelnde Monotonie
Mansour Seck im Spielboden
Obwohl Mansour Seck seit Jahrzehnten auf der Bühne steht und auch einige Solo-Alben herausgebracht hat, ist er immer im Schatten seines Jugendfreunds Baaba Maal geblieben, in dessen Band er schon seit Langem spielt. Dass der senegalesische Gitarrist und Sänger, dessen letztes Album «Yelayo» bereits vor mehr als 15 Jahren erschienen ist, jetzt ohne neues Material tourt, ist überraschend – und erfreulich.


Schöpft die Kraft seiner Lieder aus der Tradition: Mansour Seck

Die repetitive Struktur, der dem Talking Blues ähnliche Sprechgesang und die ausufernde Länge seiner Lieder verweisen deutlicher auf die Ursprünge der afrikanischen Musik als die aktuellen, für das westliche Publikum geglätteten Afropop-Produktionen. Traditionell ist die Musik von Mansour Seck trotzdem nicht, was schon die Besetzung mit zwei Gitarren und E-Bass zeigt. Er verzichtet auf Perkussion und den in der westafrikanischen Musik beliebten Chorgesang. Die Grundlage seiner Lieder bilden das fließend-rhythmische, gezupfte Gitarrenspiel, das er meist dem entspannt spielenden Mama Gaye überlässt, und die flirrende Ngoni von Cire Sall. Für das Fundament sorgt der stets im Hintergrund bleibende, aber immer wieder prägnant spielende Bassist Mbara Cissé.


Veteranen: Mansour Secks angegraute Mitmusiker schütteln die repetitiven
Muster lässig aus dem Handgelenk


Die Musik fließt ruhig und mächtig dahin wie der Senegalstrom – monoton und doch nicht eintönig, äußerlich sanft, aber unterschwellig recht kraftvoll. Mansour Seck ignoriert schon bald die Gitarre; vielleicht auch, weil es mit dem Umstimmen für die wechselnden Tonarten nicht so klappen möchte. Ohne Instrument kann er auch im Stehen singen, was ihm zu gefallen scheint. Seine Blindheit beeinträchtigt ihn sichtlich, trotzdem drängt es ihn mitunter bis knapp an den Bühnenrand. Doch seine besorgten Mitspieler holen ihn, ohne dass es ihr Spiel beeinträchtigen würde, noch rechtzeitig zurück. Die rund zwei Stunden Musik, für die Mansour Seck mit begeistertem Applaus belohnt wird, erinnern an die frühe Zeit der afrikanischen Popmusik, als Westafrika noch nicht von ausgebrannten westlichen Musikern überrannt wurde, die nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Exotik und der vermeintlichen Urtümlichkeit der Musik der Wolof, Bambara und Peul neue Inspiration suchen. Das mag ein bisschen altmodisch sein, doch so, wie Mansour Seck es auf die Bühne bringt, wirkt es durchaus zeitlos.

Weitere Termine: 13.04 Bleiburg (A), 14.04. St. Pölten (A)

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