Samstag, 29. Dezember 2012
Daniel Woodrell – Im Süden. Die Bayou-Trilogie
Daniel Woodrells erster Roman erschien 1986. Auf «Cajun Blues» folgten relativ rasch «Der Boss» und «John X». Die ersten deutschen Übersetzungen dieser nun zur «Bayou-Trilogie zusammengefassten Werke erschienen zu Beginn der 90er-Jahre – und nicht unbedingt in einem Verlag, den man mit erstklassiger Literatur verbindet. Doch spätestens seit der Verfilmung und Oscar-Nominierung von «Winters Knochen» zählt Daniel Woodrell zu den angesagtesten Krimiautoren, die mit ihrer Geschichte auch einen ungeschönten Einblick in soziale Milieus geben, die Lesern normalerweise verborgen bleiben.

Bereits seine ersten Romane kennzeichnet der unerbittliche Verlauf seiner mitleidlos erzählten Geschichten. Sie spielen im fiktiven St. Bruno am Mississippi-Delta und zeigen nicht nur das große erzählerisches Talent Woodrells, sondern auch sein Gespür für Milieubeschreibungen. Im Erstling, «Cajun Blues», steht die Kriminalgeschichte im Mittelpunkt. Detective Rene Shade hat den Mord an einem Lokalpolitiker aufzuklären und stößt dabei auf einen Korruptionsskandal. Auch der zweiten Roman ist noch auf Rene Shade fokussiert, berichtet aber noch mehr von dessen sozialem Hintergrund. Im dritten – der auch vor gewalthaltigen Szenen nur so strotzt – richtet Woodrell sein Augenmerk auf den großen Abwesenden der ersten beiden Teile: auf Rene Shades Vater John X, ein Kleinganove und Lebemann, der sich mit seinem fulminanten Billard-Spiel sowie mit Wetten, Glücksspiel und kleinen Gaunereien über Wasser hält. Als ihn seine viel jüngere Ehefrau übers Ohr haut und mit dem Geld seines Partners verschwindet, muss John X untertauchen – und das führt ihn zurück in seine Heimat, nach St. Bruno und zu seinen drei ungleichen Söhnen.

Auch wenn seinen ersten, effektvoll erzählten Geschichten die Tiefe fehlt, die Woodrells zuletzt erschienene Romane «Winters Knochen» und «Der Tod von Sweet Mister» einzigartig macht, ist die Bayou-Trilogie weit mehr als spannendes Lesefutter. Denn Daniel Woodrell hat ein ausgeprägtes Talent für witzige Dialoge und originelle Beschreibungen. Er treibt nicht nur die Geschichte weiter, sondern zieht die Leser auch mit seinen Rückblenden und Nebengeschichten in den Bann.

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Donnerstag, 27. Dezember 2012
Terakaft - Kel Tamashek
Mit Musik im typisch melancholischen Duktus des Desert-Blues sagen Terakaft "Jahre voller Wut" voraus und beschwören ihre Landsleute eindringlich zur Einigkeit.

Das Album war schon fertig, als islamistische Gruppen den Nordosten Malis in ihre Gewalt brachten und sich damit die unmittelbare Lage wie auch die mittelfristige Perspektive für viele Tuareg verschlechterte. Lieder wie das tranceartige «Idja A Seman», in denen Terakaft-Frontmann Liya Ag Ablil die Schrecken des Krieges anprangert, wirken wie eine zu spät gekommene Mahnung. Das melancholische «Bas Tela Takaraket» wiederum – in dem er davon singt, dass sich die Tuareg nicht unterwerfen und den Weg ihrer Vorfahren unbeirrbar weitergehen werden – klingt wie ein traurig-trotziges Bekenntnis. Denn es gibt keine Einigkeit darüber, welches der richtige Weg ist. Die Einheit, die er in «Tirera» als notwendig für das künftige Glück der Tuareg einfordert, ist in weiter Ferne. In ihren Texten, nur die Hälfte stammt vom Bandleader selbst, singen Terakaft von ihrem Schmerz und ihrer Trauer und sagen voraus, dass die «kommenden Jahre voller Wut» sein werden.

Terakaft behandeln weitgehend die üblichen Themen der Tuareg-Musik – die Erhaltung der traditionellen Lebensweise, aber auch Liebesfreude und -leid – aber ihre Botschaften wirken noch dringlicher. Ebenso stereotyp wie die Themenwahl ist die Spielweise: Unter dem getragenen Gesang liegen treibenden Rhythmen, die hell klingende Gitarre stimmt meist die Melodiestimme mitspielt und wie üblich ist der Chorgesang ausgeprägt. Terakaft überraschen nicht mit neuen Klängen, aber sie zeigen sich als gute Verwalter ihres Erbes.

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Dienstag, 18. Dezember 2012
Heidi Happy - On The Hills
So wie in den 1990er-Jahen plötzlich die Schweizer Britpop-Bands aus dem Boden schossen, verzeichnet die Confoederatio Helvetica seit einigen Jahren ihr Fräuleinwunder. Heidi Happy bestätigt mit „On The Hills“ einmal mehr ihre Klasse.

Nach ihrem Ausflug in die Welt der Pop-Philharmonie ist Heidi Happy wieder zum countrylastigen Folkpop zurückgekehrt. Die Schwermut ist nicht verschwunden, aber manche Lieder sind etwas fröhlicher ausgefallen, wodurch sie mitunter eine Spur banaler wirken. Heidi Happys Lieder sind ohnehin ein wenig gefälliger als beispielsweise die ihrer mehr dem kunstvollen Pop zuzuordnenden Kollegin Sophie Hunger. Aber Heidi Happy ist selbst dann nicht minder raffiniert, wenn sie wie in «Patient Heart» das naive Mädchen gibt – ein Rollenbild, mit dem sie noch immer gerne spielt und für das sich ihre Stimme hervorragend eignet.

«On The Hills» ist ein homogenes, abwechslungsreich arrangiertes Album. Wie immer stechen die Stimme der Luzerner Musikerin und der mehrstimmige Gesang hervor. Er ist eines der Markenzeichen von Heidi Happy und gibt manchen Liedern – etwa «I’m Busy» – einen leicht nostalgischen Touch. Mit ihm sorgt sie aber auch, in «Land Of Horses» für cineastische Dramatik. Die stärksten Stücke des Albums sind die melancholischen, «Canada» und «Not Long Ago», ein traurig-romantisches Duett mit Scott Mathew, dessen warm-weiche, gefühlvolle Stimme hervorragend mit der von Heidi Happy harmoniert.

Trotz gelegentlicher klischeehafter Passagen – etwa die künstliche Dramatik durch die verzerrte E-Gitarre in «Bad Boy» – finden sich auch auf diesem Album wieder jede Menge charmanter Ideen, von originellen Gesangsarrangements und einem schrägen 20-er-Jahre-Cabaret-Piano bis hin zu Elektropop-Anklängen.

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Sonntag, 16. Dezember 2012
Martin Tingvall – En Ny Dag
Martin Tingvall fühlt sich in unterschiedlichen Gefilden wohl. Als Jazzmusiker preisgekrönt und als Pop-Komponist hitparadenerprobt, integriert er ein seine Kompositionen auch Einflüsse aus Klassik und nordischer Volksmusik. Das Ergebnis sind poetische Lieder, die ihre Kraft aus großer Ruhe schöpfen.

Oft sind es Jazzmusiker, die Pop den Pep verleihen, ihn würzig machen und manchmal erst so richtig groß – Quincy Jones als Produzent von Michael Jacksons Hit-Alben, der Altsaxofonist Maceo Parker als regelmäßiger Gast bei Prince, der Jazzpianist Christoph Stiefel als Arrangeur von Schweizer Pop- und Rockmusikern wie Andreas Vollenweider und Max Lässer oder neuerdings auch Martin Tingvall als Hit-Komponist für Udo Lindenberg. Wirklich berührende Musik macht der junge Schwede allerdings mit seinem preisgekrönten Trio – und neuerdings auch solo.

In vierzehn musikalischen Szenen erzählt der Wahl-Hamburger von fallenden Sternen und herumtollenden Hunden, von der Melancholie nach dem letzten Tanz oder welche Gefühle das Hissen der Flagge beim Mittsommerfest in ihm auslöst. Martin Tingvall transponiert Erlebtes in lyrische Miniaturen. Die Kompositionen sind einfach, seine Melodien mitunter so eingängig wie die eines gediegenen Schlagers. Er braucht nicht viel, um sie von diesem abzuheben und in erhabener Schlichtheit erstrahlen zu lassen. Nichts ist pompös an den überwiegend ruhigen Kompositionen mit ihrer oft stimmungsvoll melancholischen Ausstrahlung. Manche Kompositionen sind so ruhig wie die eines Didier Squiban, andere von so viriler Leichtigkeit wie die eines Keith Jarrett (wenngleich Tingvall nicht improvisierend mäandert). Dass er sich stilistisch nicht beschränkt, die Einfachheit der nordischen Volksmusik genauso zulässt wie die Eingängigkeit des Pop, führt zu poetischen, zeitlos wirkenden Liedern, die ihre Kraft aus großer Ruhe schöpfen.

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Samstag, 15. Dezember 2012
Der Schluck
«Der Schluck aus der Nase ist die Auster des kleinen Mannes.»
Arthur Schopenhauer

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