Samstag, 17. November 2012
Gefühlvoll
Heidi Happy mit neuen und ein bisschen älteren Liedern
Sie wirkt wie das brave Mädchen, das sich die pensionierte Sekretärin von nebenan ihrem Enkel zur Frau wünscht. Den Ärger hinausschreien wie ihre rebellische Kollegin Evelinn Trouble? Ist Heidi Happy wahrscheinlich noch nie in den Sinn gekommen. Selbst übermütige Luftsprünge kann man sich bei ihr kaum vorstellen. Heidi Happy ist eher der Typ, der still vor Freude strahlt – viel mehr als gelegentliches Wippen im Takt erlaubt sie sich nicht. Auch das kann mitreißend sein.


Reduzierte Multiinstrumentalistin: Live spielt Heidi Happy «nur» Gitarre,
Glockenspiel – und ein kurzes Keyboard-Intermezzo.


Doch Heidi Happy ist alles andere als eine Langweilerin. Die Intensität ihrer feinsinnig konstruierten Songs kommt von innen. Sie und ihre überaus versierte Band bringen die Lieder gefühlvoll, gelegentlich mit einem überraschenden Bruch und ab und zu auch mit verschmitzt eingesetzten Klängen.
Beginnend mit «Canada», ihrem Lieblingsstück des neuen Albums «On The Hill», bringt die Luzernerin eine üppige Auswahl von Liedern der letzten beiden Alben. Sie kommen so sehr aus einem Guss, dass man meinen könnte, es habe keine Entwicklung stattgefunden. Doch dass sich das mitreißende «Sarah» so nahtlos an die atmosphärisch-ruhige, neue Komposition «Sailor» anfügt, zeigt nur, wie gut Heidi Happy und ihre Band die Stücke des symphonischen Popalbums «Hiding With The Wolves» für die Bühne transponiert haben.

Das neben ihrer Stimme wohl wichtigste Markenzeichen von Heidi Happy sind die Chorusse, deren Einzelstimmen sie im Konzert erst einsingt und dann im Loop ablaufen lässt. Das Prinzip strapaziert sie ein wenig zu sehr. Doch die von Tempo- und Rhythmuswechseln sowie einem großen Dynamikumfang gekennzeichneten Arrangements machen das weitgehend wett. Und den unprätentiös agierenden Musikern bei der Arbeit zuzuhören, ist durchweg ein großes Vergnügen. Gitarrist Charlie Zimmermann wechselt zwischen Dobro und E-Gitarre, er bluesrockt herzhaft beschwingt und bringt zwischendurch ein bisschen Italo-Western- und Country-Flair in die Songs, während Ephrem Lüchinger seine Hammond-Orgel wummen lässt und sich an ein paar dezent-knalligen Synthie-Pop-Einlagen freut. Der melodiös spielende André Pousaz am Bass und der subtil-abwechslungsreiche Schlagzeuger Arno Troxler halten das alles nicht nur zusammen, sondern machen es mit eigenen Akzenten richtig rund.

Die nächsten Konzerte von Heidi Happy

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Sonntag, 11. November 2012
Neil Young - Psychedelic Pill
Back to «Rust Never Sleeps» - die Gitarren überwiegend wuchtig, mitunter durch arg banale Melodien gestört. Aufgewärmt.

Gehört: beim Essen.

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Dienstag, 6. November 2012
Various - Franz Josef Degenhardt: Freunde feiern sein Werk
Vor zwanzig Jahren absolvierte ich einen Workshop in einem alternativen Selbstversorger-Zentrum. Während wir an Hörspielen puzzelten, erholten sich die anderen Gäste, durchweg eingefleischte Antikapitalisten, vom Klassenkampf. Eine sympathische Atmosphäre, deren Würze ein paar Eigenheiten waren, derentwegen wir unsere Eltern als spießig gescholten haben. Der Vorzeige-Kommunist studierte jeden Morgen die Aktienkurse in der NZZ. Seine Welt teilte er trotzdem in unten und oben ein, in Ausbeuter und Ausgebeutete. Welche Musik er hörte, weiß ich nicht. Für Kultur war neben Aktien und Klassenkampf kein Platz.

Dabei war er selbst ein Paradebeispiel dafür, dass die Fronten längst aufgeweicht sind, im Unten immer auch ein bisschen Oben mitschimmert. Dass Franz-Josef Degenhardt in seinen frühen Liedern eine klare Trennlinie zog und vielleicht später nicht mehr ganz aus seiner Haut konnte, ist verständlich. Aber selbst er, der gerne vom «Klassenfeind» sprach, erhob nicht nur plump den Zeigefinger gegen die Ungerechtigkeit. Er umschrieb sie poetisch und zeigte sich in seinen besten Liedern als einfühlsamer Beobachter, der die Geschichten für sich sprechen ließ. Viele seiner Lieder sind – auch wenn sie angesichts der aktuellen Wirtschaftslage etlichen aus der Seele sprechen mögen – durchaus nicht zeitlos. Man muss sie im historischen Kontext betrachten, um die altbackene Begrifflichkeit akzeptieren zu können.

Franz Josef Degenhardt hat tolle Lieder geschrieben: «Väterchen Franz», «P.T. aus Arizona», «Spiel nicht mit den Schmuddelkindern» und viele mehr. Ihn zu feiern und ihm ein Tribute-Album zu widmen, ist gerechtfertigt. Zu sehen, was denn seine Nachfolger wohl mit den Liedern anstellen, ist ein interessanter Ansatz. Neben einiger altgedienter Musiker wie Konstantin Wecker machen bei diesem Album Goetz Steeger (der Degenhardts letzten Alben produziert hat), Degenhardts Söhne Kai und Jan, die «Kleingeldprinzessin» Dota und Daniel Kahn mit. Doch egal wie jung die Interpreten sind: Sie präsentieren keine neue Lesart der Lieder, und sie bringen sie nicht frischer und lebendiger als der Degenhardt selbst. Und was noch schlimmer ist: Die meisten der eigenen Stücke – jeder Interpret liefert neben einem Degenhardt-Cover auch einen eigenen – klingen ebenso wie von gestern. Allenfalls Dota und Daniel Kahn heben sich davon ein wenig ab, und auch das kraftvolle Spiel Konstantin Weckers kann wieder begeistern.

Der klassische Protestsong hat ausgedient. Niemand wartet mehr auf ein neues Album von Wolf Biermann. Und auch Musiker wie der auf diesem Album nicht vertretene Heinz Ratz (Strom & Wasser), der seine Überzeugung wie kaum ein anderer Protestsänger mit tatsächlichem Engagement verbindet, hört man nicht nur wegen der Haltung: Seine Umsetzung in witzige Texte, sein drängender Gesang und die oft forsche Musik sind ebenso essenziell.

So gerne ich kritische Lieder höre und so sehr ich das Engagement für Veränderung schätze: Meist bleibt ein unangenehmer Beigeschmack, weil oft Poesie und Originalität auf der Strecke bleiben und weil die meist undifferenzierte, plakative Beschreibung der Verhältnisse nichts anderes als populistisch ist.

Es ist eben alles nicht mehr so einfach wie früher – obwohl es, objektiv betrachtet, auch damals schon ganz schön kompliziert war.

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Sonntag, 14. Oktober 2012
Wechselbad der Stimmungen
Aldona im Kammgarn in Hardt (A)
Großartige Gedichtvertonungen, eine charakteristische Stimme und originelle Arrangements machen Aldonas Musik einzigartig. Auf einige der Klangfarben ihres neuen Albums, das sich nach seinem Erscheinen mehrere Monate in den Top 10 der Weltmusik-Charts hielt, muss sie auf der Bühne verzichten. Doch ihr Quartett ist nicht nur originell besetzt, sondern auch so variabel, dass man die Klänge von Cello und Akkordeon, Geige, Darbuka und Gimbri keineswegs vermisst.
Ein groovender Bass reicht als Rhythmussektion. Eine virile Mandoline, zwischendurch mit Bottleneck oder Bogen gespielt, sorgt im gelegentlichen Wechsel mit einem Banjo für helle Fröhlichkeit. Dazu der weiche Klang der Bassklarinette, eine überwiegend quicklebendige Gitarre und Aldonas unvergleichliche Stimme – mädchenhaft hell und zart, mitunter bloß gehaucht, aber gleichzeitig fest und bestimmt. Sie mischt Juchzer in ihren Gesang und lässt die Möwen davonfliegen. Mit wenigen einfachen Mitteln, einer Rassel und einem Kinderxylophon etwa, setzt Aldona zusätzliche Akzente. Und in einem Stück sorgen die Luftballons für einen Knall, den kein Paukenschlag übertreffen könnte.
Aldona Nowowiejska beschränkt sich im Konzert nicht auf die Lieder, die sie auf ihrem dritten Album „Sonnet“ präsentiert, sondern interpretiert beispielsweise Mari Boine Persens «Gula Gula» – noch eindringlicher und dichter als Mari Boine selbst.




Das Quartett taucht sein Publikum in ein Wechselbad der Gefühle. Da bricht eine ausgelassene Passage, die in einem Film den Höhepunkt einer Roma-Hochzeit trefflich charakterisieren würde, unvermittelt ab, und die wenigen verbleibenden leisen Töne wirken wie das sanfte Klirren der sprichwörtlichen fallenden Nadel. Die poetische Strahlkraft ihrer Lieder – neben eigenen vertont sie Gedichte von polnischen Autoren wie Teresa Ferenc und Konstanty Gałczyński ebenso wie ein ins polnische übertragene Sonnet von William Shakespeare oder – ins Französische übersetzt – Emily Dickinsons «A Murmur In The Trees» – vermittelt sie in kurzen Textauszügen, die sie in gebrochenem Deutsch vom Blatt liest. Das geht nicht immer gut, bleibt oft genug völlig unverständlich. Vielleicht wollen die poetischen Texte die unter den Worten liegenden Geheimnisse nicht ohne Aldonas Gesang preisgeben. Dafür erlebt man so umso mehr die Persönlichkeit der Musikerin, die hierzulande trotz ihres jüngsten Erfolgs noch als Geheimtipp gilt.

Aldonas Tourplan

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Freitag, 12. Oktober 2012
Rockunterhaltung, wie erwartet
Zwei Stunden mit Hubert von Goisern
Hubert von Goisern steht zwar nicht so oft auf dem Siegerpodest wie der Spitzensurfer Kelly Slater, aber auf der Alpenrock-Welle hält sich der österreichische Musiker wie kein Zweiter. Jetzt befindet er sich wieder einmal auf dem perfekten Ritt: Mit «Brenna tuat's guat» hat er einen Nummer-eins-Hit – und toppt damit seinen bislang größten Erfolg, den er vor fast zwanzig Jahren mit seiner Debütsingle «Koa Hiatamadl» erreichte.



Seinen Auftritt kann er gelassen angehen. Es war sicher nicht das erste so gut wie ausverkaufte Konzert dieser Tour, das Hubert von Goisern routiniert und spielfreudig abspult. Das Alpenrock-Konzept, das er für sich erfolgreich adaptiert hat, funktioniert noch immer klaglos. Das Akkordeon sorgt für eine wohldosierte Prise Exotik im Rockquartett, und die schmissigen Melodien werden von der rockigen
Gitarre wiederholt. Innovativ ist das längst nicht mehr, aber Erneuerung ist ja in den seltensten Fällen der Auslöser für Erfolg.
Hubert von Goisern weiß, was sein Publikum will und bietet zwei gute Stunden lang ausgezeichnete Rock-Unterhaltung. Er wechselt die Instrumente – von der Maultrommel zu Akkordeon, Lap Steel, Gitarre, Klarinette und Keyboard – und damit die Klangfarben und Stimmungen seiner Lieder.

Hubert von Goisern ist nicht gekommen, um seine Zuhörer zu überraschen. Er appelliert durchweg an das Vertraute - sowohl bei den Referenzen an die Volksmusik als auch bei den rockigen Einlagen. Und selbst bei der längst im Mainstream angekommenen Vermischung der beiden Genres bleibt er auf der sicheren Seite.
So bleibt Hubert von Goisern auf den ausgetretenen Pfaden und gibt gerade damit seinem Publikum, was es erwartet - und überaus dankbar entgegennimmt. Seine junge Band spielt gediegen, Gitarrist Severin Trogbacher darf sich mit seinen Soli regelmäßig ins Rampenlicht spielen. Nach dem lyrischen Einstieg glänzt das Quartett mit druckvoll gespieltem Rock und Bluesrock, mal funkig, dann wieder mit wuchtigen Slides. Dass ihm der besinnlich-lyrische Teil zu lang gerät, wird ihm verziehen. Dass er für einen Moment wie Ostbahn-Kurti bei einem Springsteen-Cover wirkt, deutet schon die Steherqualitäten des oberösterreichischen Weltenbummlers an: Nach zwei Stunden - einige Zugaben hat er da bereits absolviert – steht er alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne. Sein Publikum ist immer noch gebannt.

Hubert von Goiserns Tourplan.

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