Samstag, 28. April 2012
Vorwärts, Party
Mama Rosin verbreiten gute Laune mit einfacher Musik
Vor anderthalb Jahren hätten sie diesen Auftritt vereinbart, erzählte Robin Girod. Und ihre Freunde in Genf würden sie darum beneiden. Wahrscheinlich war bis zum Moment, als sie entdeckten, dass Liechtenstein doch noch in Europa liegt und man hier sogar eine Abart des Deutschen spricht, der Auftrittsort für das Trio ebenso exotisch wie Macao, dem chinesischen Las Vegas, wo Mama Rosin vor ihrem Ausflug nach Liechtenstein zuletzt aufgetreten sind. Der kurze, niedlich klingende «chinesische Zydeco», den sie von dort mitgebracht haben, war nicht der Rede wert. Umso griffiger war ihre ureigene Mischung aus Two Step, Zydeco und Blues.


Spielfreudig: Robin Girod und Cyril Yeterian (v.l.)

Die Musik von Mama Rosin ist simpel und direkt und hat ein Ziel: gute Laune. Diese verbreiten sie weniger durch Raffinesse als durch die Begeisterung, mit der sie auf der Bühne stehen – und durch die charmante Interaktion mit dem Publikum, die der überaus sympathischen Band das ganze Konzert durchweg außerordentlich wichtig ist. Die Genfer haben sicher schon größere Bühnen gesehen als das Reservepodest im Theater-Foyer, und dürfen doch froh sein, dass sich die kaum 50 Besucher nicht in die Theaterbestuhlung quetschen müssen. Diese sind es sicher auch. Denn auch wenn sie – was völlig überflüssig ist – den Respektsabstand zur Bühne einhalten: die Spielfreude des Trios überträgt sich unmittelbar und kommt auch bei den wenigen langsameren Stücken nicht zum Erliegen, die Mama Rosin nicht so sehr zu liegen scheinen.

Cajun- und Zydeco-Musik ist simpel, mit einfachen Mitteln gemachte, rustikale Gute-Laune-Feierabendmusik. Auch Mama Rosin heben sich nicht durch Raffinesse ab, sondern dadurch, dass es kaum jemanden gibt, der diese Musik hier pflegt. Ihr Ziel, ihrem Publikum einen fluffigen Abend zu bieten, haben sie mit diesem Konzert locker erreicht.

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Freitag, 27. April 2012
Bayrisch, türkisch, jazzig
Die Unterbiberger Hofmusik bringt alles in einen Bläsersatz
Viel eher als die Unterbiberger Hofmusik – die sich in Dirndl und Lederhosen wesentlich konventioneller gibt als sie tatsächlich ist – zeigt ihr ständiger Partner Matthias Schriefl auf den ersten Blick, was von der Gruppe zu erwarten ist: Die Lederhose des Trompeters darf als Bekenntnis zur Tradition gelesen werden. Aber schon das kleingemusterte Hemd mit seinem modisch großen Kragen, seine geckige Brille und der modebewusste Haarschnitt zeigen, dass er in ihr nicht feststeckt. Das untere Drittel mit seinen auffälligen, orangefarbenen Kniestrümpfen, die in mit Alpenblumen bestickten rot-grünen Mokassins eines mittelalterlichen Gauklers stecken, repräsentiert den Freigeist, den burlesken Hofnarr mit seinen entlarvenden Späßen.


Drei von vier Mitgliedern der Familie Himpsl: Xaver Maria, Franz Josef und
Irene Johanna Magdalena (v.l.).


Tradition, Freigeist und Moderne sind die Ingredienzien der Familie Himpsl vulgo Unterbiberger Hofmusik aus dem gleichnamigen Ort bei München, die gemeinsam mit dem furiosen Trompter Matthias Schriefl, dem geschmeidigen Posaunisten Mathias Götz und dem Tubisten Konrad Sepp auf der Bühne sitzt.

Seit Jahren schon sprengt die Gruppe das Genre der Volksmusik, vornehmlich indem sie diese mit einem gehörigen Schuss Jazz versetzt, aber auch mit zum Beispiel lateinamerikanischen Rhythmen. Schon auf ihrem letzten Album «Made In Germany» hat sich ein neuer Weg abgezeichnet, die Adaption und Integration türkischer Musik, die beim aktuellen Programm im Zentrum steht. Da fügt sich der Klang der Rahmentrommel ganz selbstverständlich in den Ton der Bläser, und unversehens wird aus einer schmelzenden orientalischen Melodie ein urbayerisch wirkendes Lied. Auch Polka, Walzer, der auch mal in Richtung Barjazz abschweifen kann, und Tango fügen sich gut in diese Mischung ein.


Himpsl Nummer fünf bereitet sich schon vor: Franz Josef Ferdinand beim
Intermezzo mit Vater und Matthias Schriefl (l.).


Trotz der Hinwendung zur türkischen Musik, kommt die jazzige Note alles andere als zu kurz. Es sind auch die als Solisten oft im Rampenlicht stehenden Matthias Schriefl, der überwiegend exaltiert, furios und effektbetont spielt, und der zurückhaltender agierende Mathias Götz, die immer wieder begeistern. Schriefl ist es auch, der für den Höhepunkt des Abends sorgt – mit einer ungewöhnlichen Interpretation von Duke Ellingtons «Caravan», das er, den Rhythmus mit um die Fußgelenke gebundenen Schellen selbst dazu stampfend, treibend-nervös und mit dreckigem Ton in den Saal schmettert.

Obwohl oft nach einem ähnlichen Muster arrangiert – zwei Trompeten liefern das Intro, zu dem sich nach und nach die weiteren Instrumente gesellen – kommt keine Langeweile auf. Kleinere Schwächen – dass zu Beginn der Tournee mal ein Intro nicht sitzt oder dass in den lyrischen Passagen der türkischen Lieder der Schmelz in der Stimme fehlt, akzeptiert man gerne. Denn auch wenn die raue Stimme von Franz Himpsl nicht so recht zur schwelgerischen oder gar romantischen Melodieführung passen mag, beim Wechsel in den traditionell-bayerischen Stil wirkt sie durchaus wieder passend.

Konzerte: 11.5.2012, Lindberg (Nationalpark Bayerischer Wald), 12.5. Landsberg, 24.5. München, 7.6. Neugablonz, 17.6. Sonnenhausen, 7.7. München, 28.7. Puchheim

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Sonntag, 22. April 2012
Richard Koechli - Howlin' With The Bad Boys
So weit ist die Schweiz gar nicht von den USA entfernt: Schon Erika Stucky hat festgestellt, dass die traditionelle Musik so tief in die Seele geht wie der Blues. Da überrascht es nicht, dass dieses Land auch hervorragende Blues-Musiker hervorbringt. Obwohl sich der Innerschweizer Gitarrist Richard Koechli als Roots-Musiker versteht und auf den Spuren von Folk, Blues und Country wandelt, hat er sich für «Howlin With The Bad Boys» ganz dem Blues verschrieben. Aus fast praktischem Grund: In seinem jüngsten Buch – Koechli ist auch Autor von Gitarre-Lehrbüchern – vermittelt er die Spieltechniken der großen Meister des frühen akustischen Blues. Sich mit eigenen Songs auf die Spuren der Vorbilder und Inspiratoren zu begeben ist naheliegend.

Koechli, der alle Songs selbst geschrieben hat und mit einschmeichelnd-brüchiger Stimme auch singt, widmet sich zwar den typischen Blues-Themen von Schmerz und Verlust (in «Bruno» etwa über seinen früh und qualvoll verstorbenen Bruder), gleitet aber nicht romantisierend ins Gestern zurück: Im «CEO Worksong» trägt er – zwar eindimensional und stereotyp, aber ist nicht Simplizität ein wichtiges Kennzeichen des Blues? – den veränderten Arbeitsbedingungen Rechnung. Auch wenn Koechlis Texte – er singt in Schweizer Mundart, Englisch und Französisch – einfach sein mögen, sein Spiel ist gleichermaßen entspannt und dringlich. Er beherrscht das subtile Fingerpicking auf der akustischen ebenso wie die Slides auf der E-Gitarre.

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Samstag, 21. April 2012
Vorwiegend sonnig
Die Muotathaler «Wätterschmöcker» wissen wie der Sommer wird
Natürlich geben sie nicht preis, warum sie das Wetter besser vorhersagen können als «die z'Züri» mit all ihren Computern. Damit würden sich die Muotathaler Wetterpropheten gewissermassen ein Eigentor schiessen. Denn jedes Jahr bewertet eine Jury des Meteorologischen Vereins Innerschwyz die Konkurrenten.
Der eine schaut auf die Ameisen, der andere auf die Tannenzapfen und ein anderer beschwert sich vorwiegend, dass seine Prognosen von den Bauern im Tal nicht ernst genommen werden. Alle gemeinsam, aber das ist nicht Thema des Films, hoffen sie mit ihren Prognosen den Wanderpokal mit nach Hause nehmen zu dürfen.


Gruppenbild vor dem Gewitter: Benny Wagner (2.v.l.) gibt seine Prognosen nur
noch den Besuchern seiner Almhütte. © Andreas Roovers


Wie zutreffend die Prognosen der Muotataler Wetterschmöcker sind, verrät der Film von Thomas Horat nicht. Doch darauf kommt es nicht an. Eingebettet in den Jahresverlauf und die traditionellen Feste, präsentiert der Innerschweizer Dokumentarfilmer in überwiegend schönen Bildern Menschen mit Fertigkeiten, die den meisten abgehen. Als Bauern, Holzer und anderen von der Natur bestimmten Berufen sind sie darauf angewiesen, die Naturbeobachtung zu kultivieren. Daraus einen Wettbewerb – und mit der halbjährlichen Verleihung des Wanderpokals einen Event zu kreieren – zeigt, dass die durchaus auch kurios anmutenden Traditionalisten nicht von gestern sind.

Thomas Horat nimmt die Rolle des neutralen Beobachters ein er fragt seine Protagonisten, aber er hinterfragt nicht. Vorlagen dafür hätten ihm die Wetterpropheten durchaus gegeben – etwa mit ihrem Kommentaren zur Klimaerwärmung. So plätschert der Film nett vor sich hin, nicht Konzeption und Umsetzung, sondern alleine das Thema hat dafür – durchaus zu Recht – gesorgt, dass der 2010 veröffentlichte Film gebührend beachtet wurde und auch auf Festivals gezeigt wurde, zuletzt Environmental Film Festival» in Washington DC.

Jetzt ist «Wätterschmöcker» beim Filmemacher auf DVD erhältlich. Wohlweislich mit Untertitel, denn der Muotathaler Dialekt ist selbst für manchen Schweizer nicht ganz einfach zu verstehen. Ebenso erhältlich: die von den Hujässlern, eine der profiliertesten Schweizer Volksmusikgruppen, eingespielte Filmmusik.">

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Mittwoch, 11. April 2012
Red Baraat - Chaal Baby
Bei der Hochzeit denkt man wohl auch dann nicht an die Kosten der Scheidung, wenn man sich durch einen Ehevertrag abgesichert hat. Dass Red Barat melancholische Untertöne fehlen, ist daher nur zu verständlich. Denn mit seiner Gruppe wollte der indischstämmige Jazzschlagzeuger Sunny Jain die Tradition des Umzugs mit Hochzeitskapelle (Baraat) auch in den USA einführen – vorerst für seine eigene Hochzeit. Denn er wollte nicht wie die anderen US-indischen Hochzeitspaare auf einen DJ oder einen einsamen Dhol-Trommler zurückgreifen. Daraus wurde Red Baraat, bei der Jain mit seiner Dhol … der fassartigen, vor dem Bauch hängenden und mit Stöcken gespielte Trommel – den Rhythmus vorgibt. Den Ton geben bei der achtköpfigen Gruppe die Bläser an.

Und wie im Schmelztiegel New York zu erwarten, beschränken sich die Einflüsse nicht auf Indien. Schon die Besetzung erinnert an die Balkan-Brass-Bands, mit denen Red Baraat durchaus vergleichbar sind. Und die Musik ist zwar durchweg treibend und energiegeladen, aber so komplex, dass sie auch nach der Hochzeit noch mit Genuss gehört werden kann – und nicht nur vom Hochzeitspaar. Denn Sunny Jain hat -- wie er selbst in einem Interview feststellte – mit dieser Besetzung die eierlegende Wollmilchsau gefunden: »Diese Band passt zu den unterschiedlichsten Anlässen und Programmen, von Weltmusik über Jazz und einer Jam-Band bis hin zu Ethno-Festivals.»

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