Dienstag, 10. April 2012
Schwarz
Schwarz ist die Farbe, die alle anderen Farben löscht. Schwarz ist Beständigkeit und Dauer.
Ulrike Ottinger, Unter Schnee, Hörspiel

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Dienstag, 13. März 2012
Goetz Steeger - User
Es ist viele Jahre her, als ein Freund – ganz gegen seine Gewohnheit – eine Schallplatte alleine deswegen kaufte, weil ihn das Cover angesprochen hatte. Stephan Sulkes selbst betiteltes Album (1976) hielt, was die Hülle versprach. Auch mich begleiteten diese Lieder viele Jahre lang. Selbst heute noch könnte ich die meisten Lieder seines Debütalbums mitsingen. Heute fällt es mir leichter, Alben bloß auf Verdacht zu ordern. Doch jetzt schmerzt es, auf das Werbegeklingel der Plattenfirmen hereinzufallen und Zeit mit wertloser Musik zu verschwenden. Dafür entschädigen Glücksgriffe wie Goetz Steegers «User» (auf das ich durch den Werbetext und nicht durch das ansprechend gestaltete Cover aufmerksam wurde).

Der Hamburger Musiker zeigt sich als wechselweise witziger und nachdenklicher Poet an der Gitarre, erweist mit stupende Klavierbegleitung der Minimal Music seine Referenz und integriert atonale Passagen genauso wie rockige Santana-Gitarren, Freejazz-Einsprengsel und klassische Elemente. Als ob das nicht beachtlich genug wäre, hat der Multiinstrumentalist das Album im Alleingang eingespielt.

Zudem ist Goetz Steeger ein guter Texter. Lyrisch und humorvoll findet er immer wieder treffende Bilder, für persönliche Empfindungen genauso wie für die treffend beschreibende Kommentierung gesellschaftlicher Phänomene. Exzellent auch seine vertonten Texterzählungen, etwa die so flotte wie amüsante Geschichte «Nordseeinternat Almost Revisited», in der er in klassischer Manier über falsche Vorbilder schreibt und die Kunst, rechtzeitig die Biege zu machen, um sich nicht wie der von der Schule geflogene Klassenkamerad – einst das coole Vorbild – in die Sackgasse zu manövrieren.

Goetz Steeger – der bislang in unbedeutenden Gruppen gespielt, aber auch zwei Alben des kürzlich verstorbenen Liedermachers Franz Josef Degenhardt produziert – knüpft mit seinem ersten, musikalisch äußerst vielschichtig aufbereiteten Solo-Werk an die Tradition der großen deutschsprachigen Chansonniers an. Wird ihn in dreißig Jahren noch jemand erinnern, einschätzen oder gar würdigen wollen?

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Mittwoch, 7. März 2012
Jodel, Spinnrad, Oud
Opas Diandl bringen neue Südtiroler Volksmusik nach Feldkirch (A)
Das Beste gegen Krankheiten, sagte der offenbar leicht angeschlagene Sänger Markus Prieth vor der letzten Zugabe, das Beste gegen Krankheiten, und eigentlich auch gegen alles sonstige Übel, sei zu musizieren. Nach der anschließenden Aufforderung, auf das noch folgende, nun aber wirklich allerletzte Stück, doch bitte nach Hause zu gehen und dort weiterzusingen, setzten drei der fünf Musiker zu einem stimmungsvollen Jodler an. Singend mischten sie sich ins Publikum, aus dem sich ohne weitere Aufforderung rasch mehr und mehr Stimmen dazugesellten.

Volksmusik ist nicht mehr reine Unterhaltungsmusik. Ursprünglich bei Festen oder zum privaten Vergnügen in der Stube dargeboten, ist sie längst in die Konzertsäle eingezogen. Dort ist auch der Platz für Opas Diandl. Denn so schmissig viele ihrer Lieder sind – das Quintett baut mit Tempowechseln und abrupter Lautstärkeänderung verschmitzte Brüche ein. Das taugt nicht für den Tanzboden. Denn dann folgen etwa auf die Passage im Stil eines mittelalterlichen Bänkelliedes eine brüchig-sanft gezupfte Raffele (ein Vorläufer der Zither) oder ein kontemplativer Dreiklang. Auch beim umgekehrten Weg – dem schlagartigen Wechsel von absolut zurückgenommen Passagen zu schon beinahe lärmig-intensiven – verfehlen Opas Diandl die wohlkalkulierte Wirkung nicht.

Ob Markus Prieth meist etwas fahrige Ansagen kalkuliert sind oder eher unfreiwillig dadaistischen Charakter haben, ist nicht auszumachen. Doch augenscheinlich hat er seine Ansagen nicht vorbereitet, mit seinen erzählerischen Volten überrascht er gelegentlich sogar seine Mitspieler. Prieths fast schon kabarettistisch wirkenden Einlagen sind genauso amüsant wie die Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen für die Musik. So setzen Opas Diandl zur Löffelperkussion eine Kuchenform ein, und schaffen bei einem anderen Stück mit einem Spinnrad die perkussive Grundlage. Dagegen nimmt sich die Kombination von Viola da Gamba und dem noch recht jungen Hang (ein vor gut zehn Jahren in der Schweiz entwickeltes Perkussionsinstrument) schon beinahe konventionell aus. Derlei Kombinationen bringen Opas Diandl nicht nur als Gag, sondern mit dem Willen zum originellen Ausdruck, mit dem sie auch Oud und Rahmentrommel – beide keineswegs so virtuos gespielt wie im Orient – integrieren. Trotz subtiler Töne und ergreifend-sanfter Melodien überzeugen die Südtiroler nicht mit feinsinnigem Spiel, sondern vielmehr mit ihrem beherzten Einsatz.

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Sonntag, 12. Februar 2012
Haben Sie ...
... es schon mit der Verzweiflung versucht? Mit der metaphorischen Verzweiflung?
Jean Tardieu

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Sonntag, 5. Februar 2012
Titi Robin - Les Rives
«Les Rives» sei mehr als ein musikalisches Projekt: Es sei eine Danksagung, ein Hilfsprojekt für lokale Musiker und Labels und, wenn auch nicht explizit, auch ein politisches Projekt. Der musikalische Weltenbummler Titi Robin ist nicht nur offen für unterschiedliche Musiken, er bereist viele Länder, um mit lokalen Musikern zu spielen und die Grundlagen ihrer traditionellen Musiken kennenzulernen. Solche Begegnungen, schreibt er in seinem Blog, seien für die westlichen Musiker äußerst fruchtbar, die den ganzen Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen würden. Denn für die Hörer in den Ländern, deren musikalischer Fundus genutzt würde, seien die Ergebnisse der Zusammenarbeit in der Regel nicht zugänglich. Daher hat er sich eine besondere Form des Danks ausgedacht und in drei Ländern – Indien, Marokko und Türkei – mit lokalen Musikern ein Album einspielt, das jeweils über ein nationales Label vertrieben wird. Zusätzlich sind die drei Alben als Set auf Titi Robins Stammlabel Naïve erschienen. Das eröffnet seinen Mitmusikern die Chance, sich seinem westlichen Publikum vorzustellen.

Titi Robin sieht die Herangehensweise vieler westlicher Musiker kritisch, die sich auf der Suche nach der schnellen Inspiration bei indigener Musik bedienen. Für die schnelle Weltmusikproduktion, bei der nicht Tiefe, sondern vor allem Exotik gefragt ist, mag das gut gehen. Der französische Gitarrist bekundet, tiefer gehen zu wollen. Dabei legt er jedoch großen Wert auf die Feststellung, dass es vor allem seine Kompositionen sind, die präsentiert werden. Seine Texte hat er in die Landessprache übersetzen lassen, einige traditionelle Lieder ergänzen Robins Kompositionen.

In der Regel steht die Gitarre von Titi Robin im Vordergrund der elegisch redundanten Stücke, er lässt aber auch seinen Gastmusikern viel Raum, die auch für Gesang und Chorus sorgen. Das Ergebnis ist eine angenehm harmonische westlich-fremdländische Mischung, bei der man sich über Robins Gitarren-Einwürfe genauso freuen darf wie über die schmissig gespielten traditionellen Instrumente und den immer wieder lebensfrohen, inbrünstigen und oft auch suggestiven (Sprech-)Gesang der Gäste.

So ehrenwert das Anliegen von Titi Robin ist, so befremdlich ist der Umgang mit den Gastmusikern. In den Presseexemplaren wird kein einziger der Musiker erwähnt. Das wirkt unfair und nicht wie eine ehrliche, partnerschaftliche Zusammenarbeit. In der Fußnote findet sich der Hinweis, dass die nationalen Labels das Album im jeweiligen Land als Lizenzausgabe von Robins Hauslabel vertreiben dürfen. Wird einer der -- angeblich noch jungen -- nationalen Musiker in einem Land wie Indien berühmt, locken womöglich satte Tantiemen, welche einmal diejenigen in den Schatten stellen könnten, die im Westen mit Weltmusik zu verdienen sind. Nutznießer werden dann nicht die nationalen Musiker sein.

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