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Freitag, 30. Dezember 2011
Romka #6
thenoise, 21:19h
Bilder werden gemacht, um Emotionen anzusprechen. Das gelingt offenbar selbst der oberflächliche Bildsprache der Werbung, die oft übertrieben perfektioniert und mitunter auf unecht ästhetisierende Art roh ist. Auch viele andere Arten der Fotografie wie etwa Akt-, Landschafts- oder Architekturfotografie geben sich mit nicht weniger als mit dem perfekten Bild zufrieden. Dem gegenüber stehen viele private Fotos, welche die Betrachter auch dann oft begeistern, wenn sie absolut unperfekt und oder durch hanebüchene Bildausschnitte entstellt sind. Dafür haben sie einen größeren Wert: Sie sind emotional aufgeladen.
Romka sucht solch aufgeladene Fotos und präsentiert dazu in meist wenigen Worten die Geschichten dahinter. Da gibt es stimmungsvolle Porträts, witzige Schnappschüsse, hintergründige Dokumentarfotos und Bilder von emotionalen Begegnungen. Es gibt poetische Landschaftsfotos ebenso wie originelle Stilleben und Aufnahmen von Details, sei es eine Tätowierung oder einer Liste von Personen, die von einem Freizeit-Boot über Bord gegangen sind.
Weil insbesondere im Bereich der künstlerischen Fotografie die Grenze zwischen professioneller und Amateur-Fotografie sehr verschwommen ist, bringt Romka beiden die gleiche Wertschätzung entgegen. Und man sieht: Auch professionelle Fotografen lieben das Unperfekte, wenn es um Erinnerung geht. Stimmung und Aussage richten sich eben nicht nach dem goldenen Schnitt und auch die Schärfe trägt nicht zwangsläufig dazu bei.
Natürlich gibt es auch in Romka das eine oder andere eher mässige Bild. Aber es ist erstaunlich wie viele originelle Bilder Romka-Herausgeber Joscha Bruckert auch in der sechsten Ausgabe seines Magazins versammelt. Angereichert wird das Magazin mit einigen Foto-Features, unter denen besonders Steven Chandlers Collage aus zum Teil schon sehr zerkratzten, auf der Straße gefundenen Fotos hervorsticht. Die rätselhaft wirkenden Bilder laden dazu ein, Geschichten zu erfinden. Das zeichnet auch andere Bilder aus, insbesondere solche, die geheimnisvoll wirken. Die Aussage des spanischen Gestalters Pedro Florentini zu seinem Bild – «Meine Lieblingsbilder sind solche, die uns nicht alles verraten» – scheint einigen der hier präsentierten Fotografen zu entsprechen.
Die aktuelle Ausgabe von Romka bringt Bilder von rund 70 Fotografen aus 33 Ländern. Das mit mehr als hundert Seiten beachtlich umfangreiche Magazin ist auf einfachem Papier gedruckt, was den einfachen und unprätentiösen Bildern entspricht. Opulent und mit Klebebindung versehen, pendelt es zwischen Fanzine und Fotojournal.
Romka sucht solch aufgeladene Fotos und präsentiert dazu in meist wenigen Worten die Geschichten dahinter. Da gibt es stimmungsvolle Porträts, witzige Schnappschüsse, hintergründige Dokumentarfotos und Bilder von emotionalen Begegnungen. Es gibt poetische Landschaftsfotos ebenso wie originelle Stilleben und Aufnahmen von Details, sei es eine Tätowierung oder einer Liste von Personen, die von einem Freizeit-Boot über Bord gegangen sind.
Weil insbesondere im Bereich der künstlerischen Fotografie die Grenze zwischen professioneller und Amateur-Fotografie sehr verschwommen ist, bringt Romka beiden die gleiche Wertschätzung entgegen. Und man sieht: Auch professionelle Fotografen lieben das Unperfekte, wenn es um Erinnerung geht. Stimmung und Aussage richten sich eben nicht nach dem goldenen Schnitt und auch die Schärfe trägt nicht zwangsläufig dazu bei.
Natürlich gibt es auch in Romka das eine oder andere eher mässige Bild. Aber es ist erstaunlich wie viele originelle Bilder Romka-Herausgeber Joscha Bruckert auch in der sechsten Ausgabe seines Magazins versammelt. Angereichert wird das Magazin mit einigen Foto-Features, unter denen besonders Steven Chandlers Collage aus zum Teil schon sehr zerkratzten, auf der Straße gefundenen Fotos hervorsticht. Die rätselhaft wirkenden Bilder laden dazu ein, Geschichten zu erfinden. Das zeichnet auch andere Bilder aus, insbesondere solche, die geheimnisvoll wirken. Die Aussage des spanischen Gestalters Pedro Florentini zu seinem Bild – «Meine Lieblingsbilder sind solche, die uns nicht alles verraten» – scheint einigen der hier präsentierten Fotografen zu entsprechen.
Die aktuelle Ausgabe von Romka bringt Bilder von rund 70 Fotografen aus 33 Ländern. Das mit mehr als hundert Seiten beachtlich umfangreiche Magazin ist auf einfachem Papier gedruckt, was den einfachen und unprätentiösen Bildern entspricht. Opulent und mit Klebebindung versehen, pendelt es zwischen Fanzine und Fotojournal.
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Freitag, 23. Dezember 2011
Gurkenmusik
thenoise, 09:50h
Hubert von Goisern, habe ich vor kurzem gelesen, spielt auch Nasenflöte. Das mag auf Reisen praktisch sein, origineller ist dann doch das Musizieren auf Gemüse – auch wenn die Gurke nicht ganz so eloquente Läufe erläubt wie die Violine.
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Sonntag, 18. Dezember 2011
Auch ein Kinderbuch: Sebastian Cremers «Auto»
thenoise, 18:29h
Wir kennen es aus Afrika, wo Not erfinderisch macht: Eine PET-Flasche als Korpus, zwei Stifte durchgesteckt und vier Holzscheiben als Räder dran – fertig ist das Spielzeugauto. Und mit einer Schur zum Hinterherziehen kann man auch richtig Tempo machen.
Solch pfiffige Lösungen, denen wir in armen Ländern immer wieder begegnen, führen uns immer wieder unseren eigenen Mangel vor Augen: Wegen der fehlenden Kreativität müssen wir auf Massenprodukte zurückgreifen. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenners eines großen Publikums hin entwickelt und rigiden Normen ebenso unterworfen wie der effizienten und kostengünstigen Produktion – von Teams, deren Kreativität bereits erschöpft war, nachdem sie den Kreativitätsprozess optimert haben. Kein Wunder, dass die Retortenautos der mit uniformen Spielzeugautos groß gewordenen Entwickler keine Traumautos mehr sind.
Nicht Alu, nicht Plaste: Bast-Auto von Sebastian Cremers.
Der Designer Sebastian Cremers möchte wohl verhindern, dass sein autobegeisterter Dreijähriger dereinst in die Riege des automobilen Durchschnitts untergeht. Er hat für ihn aus Alltagsgegenständen eine Reihe von Küchentisch-Rennern gebaut. Da wird das Streichholzbriefchen zur Renn-Flunder (besser als jeder Lotus Elise), der Sparschäler zum Transportfahrzeug (sparsamer geht es nicht, und was rauskommt wird Biogas), und drei alte Stifte werden zum Raketenfahrzeug. Ob Löffel, Döschen, Wattestäbchen oder Lupe, ob Schlossblende, Küchenwecker oder Knöpfe: Die von Cremers verwendeten Zutaten sind so überraschend wie die Fahrzeuge, die er daraus macht.
«Auto» ist kein Kinderbuch. Es ist für Liebhaber origineller Fahrzeuge und für Erwachsene mit Spieltrieb. Es inspiriert dazu, Dinge neu zu sehen und diese einer neuen Bestimmung zuzuführen. Wenn sie das mit ihrem Nachwuchs machen, ist «Auto» auch ein Buch für Kinder.
Sebastian Cremers: Auto. 65 Seiten, Hermann-Schmidt-Verlag, Mainz 2011, ISBN 978-387439-823-7
Solch pfiffige Lösungen, denen wir in armen Ländern immer wieder begegnen, führen uns immer wieder unseren eigenen Mangel vor Augen: Wegen der fehlenden Kreativität müssen wir auf Massenprodukte zurückgreifen. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenners eines großen Publikums hin entwickelt und rigiden Normen ebenso unterworfen wie der effizienten und kostengünstigen Produktion – von Teams, deren Kreativität bereits erschöpft war, nachdem sie den Kreativitätsprozess optimert haben. Kein Wunder, dass die Retortenautos der mit uniformen Spielzeugautos groß gewordenen Entwickler keine Traumautos mehr sind.
Nicht Alu, nicht Plaste: Bast-Auto von Sebastian Cremers.
Der Designer Sebastian Cremers möchte wohl verhindern, dass sein autobegeisterter Dreijähriger dereinst in die Riege des automobilen Durchschnitts untergeht. Er hat für ihn aus Alltagsgegenständen eine Reihe von Küchentisch-Rennern gebaut. Da wird das Streichholzbriefchen zur Renn-Flunder (besser als jeder Lotus Elise), der Sparschäler zum Transportfahrzeug (sparsamer geht es nicht, und was rauskommt wird Biogas), und drei alte Stifte werden zum Raketenfahrzeug. Ob Löffel, Döschen, Wattestäbchen oder Lupe, ob Schlossblende, Küchenwecker oder Knöpfe: Die von Cremers verwendeten Zutaten sind so überraschend wie die Fahrzeuge, die er daraus macht.
«Auto» ist kein Kinderbuch. Es ist für Liebhaber origineller Fahrzeuge und für Erwachsene mit Spieltrieb. Es inspiriert dazu, Dinge neu zu sehen und diese einer neuen Bestimmung zuzuführen. Wenn sie das mit ihrem Nachwuchs machen, ist «Auto» auch ein Buch für Kinder.
Sebastian Cremers: Auto. 65 Seiten, Hermann-Schmidt-Verlag, Mainz 2011, ISBN 978-387439-823-7
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Samstag, 17. Dezember 2011
Various - Golden Beirut, new sounds from Lebanon
thenoise, 19:46h
Sie nennen sich Scramled Eggs, The New Government oder The Incompetents und machen heftigen Rock, Hip-Hop oder Pop. Die Globalisierung hat nicht nur ethnische Musik in die westliche Welt gebracht, sondern beeinflusst auch das Musikschaffen anderer Kontinente durch den Import westlicher, vornehmlich amerikanischer Musik. Verständlich, dass man sich im deutschsprachigen Raum die heimische Variante des Hip-Hop anhört. Fremde Musik wird aufgenommen und zur eigenen gemacht. Indie-Rock von Philipp Boa? Hervorragend. Hip-Hop von den Fantastischen Vier? Durchaus spaßig.
Warum aber soll man sich in Beirut produzierte westliche Musik anhören? Weil sie gut ist und dabei noch den Horizont erweitert. Sie rückt das Leben einer Region in das Blickfeld, von der wir nur das medial vermittelte Zerrbild kennen. «Die Israelis haben uns bombardiert, weil Beirut plötzlich cooler und trendiger war als Tel Aviv», wird ein Musiker im Begleitheft zitiert. Die ironische Aussage bringt uns einerseits die ständige Angst vor der Gewalt nahe, die auch das Stück «Russian Roulette» der Scrambled Eggs kennzeichnet. Mit Textzeilen wie «I shoot you in the head, you shoot me in the leg/ Russian roulette no safety yet», greifen sie die permanente Unsicherheit auf. Bei einer britischen Punkband wäre das nicht mehr als zu belächelnder Nihilismus.
Doch auch musikalisch haben die gewählten Vertreter der Beiruter Szene einiges zu bieten – unabhängig vom Genre, das sie verkörpern. Rayess Bek verbindet Hip-Hop mit traditionellen Instrumenten wie Oud und Nay und arabischen Melodielinien, der Liedermacher Ziyad Sahhab verbindet den Stil eines Chansonsängers mit arabischer Orchester-Tradition und die junge Sängerin Hiba El Mansouri intoniert die Vierteltöne nur angedeutet zum schwermütigen Rock von ShiftZ.
«Golden Beirut» lenkt den Blick auf die (Pop)Kultur einer Region, von der wir vor allem das medial vermittelte Bild ihrer politischen Schwierigkeiten kennen. Diese sparen die Künstler natürlich nicht aus. Doch wenn die Scramled Eggs ihr «Russian Roulette» spielen, vermitteln sie die Ausweglosigkeit, die sie fühlen, viel besser als die meisten Reportagen.
Warum aber soll man sich in Beirut produzierte westliche Musik anhören? Weil sie gut ist und dabei noch den Horizont erweitert. Sie rückt das Leben einer Region in das Blickfeld, von der wir nur das medial vermittelte Zerrbild kennen. «Die Israelis haben uns bombardiert, weil Beirut plötzlich cooler und trendiger war als Tel Aviv», wird ein Musiker im Begleitheft zitiert. Die ironische Aussage bringt uns einerseits die ständige Angst vor der Gewalt nahe, die auch das Stück «Russian Roulette» der Scrambled Eggs kennzeichnet. Mit Textzeilen wie «I shoot you in the head, you shoot me in the leg/ Russian roulette no safety yet», greifen sie die permanente Unsicherheit auf. Bei einer britischen Punkband wäre das nicht mehr als zu belächelnder Nihilismus.
Doch auch musikalisch haben die gewählten Vertreter der Beiruter Szene einiges zu bieten – unabhängig vom Genre, das sie verkörpern. Rayess Bek verbindet Hip-Hop mit traditionellen Instrumenten wie Oud und Nay und arabischen Melodielinien, der Liedermacher Ziyad Sahhab verbindet den Stil eines Chansonsängers mit arabischer Orchester-Tradition und die junge Sängerin Hiba El Mansouri intoniert die Vierteltöne nur angedeutet zum schwermütigen Rock von ShiftZ.
«Golden Beirut» lenkt den Blick auf die (Pop)Kultur einer Region, von der wir vor allem das medial vermittelte Bild ihrer politischen Schwierigkeiten kennen. Diese sparen die Künstler natürlich nicht aus. Doch wenn die Scramled Eggs ihr «Russian Roulette» spielen, vermitteln sie die Ausweglosigkeit, die sie fühlen, viel besser als die meisten Reportagen.
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Mittwoch, 7. Dezember 2011
Walkabouts - Travels In The Dustland
thenoise, 22:14h
Nach dem Vorgänger «Acetylene» meinten die Walkabouts, neue Wege gehen zu müssen, schreibt Chris Eckman. Das 2005 erschienene Album stellt einen Bruch dar. Offensichtlich hatte sich die Band auf der Verwerfungslinie so wohl gefühlt, dass sie nicht mehr zurück wollte zu den gefühlvollen Liedern. Doch einsichtig haben sie festgestellt, so Eckman, dass sich die Vorstellung eines neuen Weges als trügerische Idee herausgestellt habe.
Als er auf der Rückbank eines rostigen Jeeps durch die Sahara geschüttelt wurde, sei ihm plötzlich der Albumtitel eingefallen. So hat das Indie-Quintett - Ende der 1980er-Jahre die einzige Folkrockband beim Grunge-Label SubPop - seine Pause beendet und gemacht, was sie immer schon gemacht haben: träge, besinnliche Songs mit kleinen, angenehm pieksenden Widerhaken. Hier eine melancholische Orgel, dort eine angezerrte Gitarre, mal die betörende Stimme von Carla Torgerson, dann wieder die leicht gepresste von Chris Eckman, der wieder alle Lieder geschrieben hat. Angereichert um das wohldosierte Instrumentarium einiger Gäste - etwa Streicher, Lap und Pedal Steel, Perkussion und Trompete - spielen die Walkabouts dort weiter, wo so schon vor dem ruppigen «Acetylene» waren. Es ist eine Rückkehr, die manchem langweilig erscheinen mag, als Eingeständnis, sich verlaufen zu haben oder gar als Zeichen einer Niederlage. Dabei haben sich die Walkabouts nur ihrer Stärken besonnen. Sie irrlichtern wieder einmal durch die Steppe und freuen sich daran, wie der Staub das Strahlen der Sonne bricht.
Als er auf der Rückbank eines rostigen Jeeps durch die Sahara geschüttelt wurde, sei ihm plötzlich der Albumtitel eingefallen. So hat das Indie-Quintett - Ende der 1980er-Jahre die einzige Folkrockband beim Grunge-Label SubPop - seine Pause beendet und gemacht, was sie immer schon gemacht haben: träge, besinnliche Songs mit kleinen, angenehm pieksenden Widerhaken. Hier eine melancholische Orgel, dort eine angezerrte Gitarre, mal die betörende Stimme von Carla Torgerson, dann wieder die leicht gepresste von Chris Eckman, der wieder alle Lieder geschrieben hat. Angereichert um das wohldosierte Instrumentarium einiger Gäste - etwa Streicher, Lap und Pedal Steel, Perkussion und Trompete - spielen die Walkabouts dort weiter, wo so schon vor dem ruppigen «Acetylene» waren. Es ist eine Rückkehr, die manchem langweilig erscheinen mag, als Eingeständnis, sich verlaufen zu haben oder gar als Zeichen einer Niederlage. Dabei haben sich die Walkabouts nur ihrer Stärken besonnen. Sie irrlichtern wieder einmal durch die Steppe und freuen sich daran, wie der Staub das Strahlen der Sonne bricht.
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