Samstag, 27. März 2010
Uzak Ihtimal - Der falsche Rosenkranz
Türkisches Filmfstival: Konzentrierte Einblicke in eine fremde Welt
Die größte türkische Gemeinde in Deutschland ist nicht in Berlin, sondern in München. Anders als ihre Landsleute in Berlin-Kreuzberg sind die in München lebenden Türken integriert -- wie fast überall in Deutschland. Vermutlich ist auch ihr Bildungsniveau höher. Ein Beleg ist das zum 21. Mal stattfindende Türkische Filmfestival.

Auch in Istanbul sieht man die hier gezeigten Filme selten: Denn hier laufen nicht die Soaps und es gibt keine Schmonzetten für den Massengeschack. Das ist gut, aber nicht alles ist dabei geglückt. Der Auftaktfilm etwa, «Üç Maymun – Drei Affen», beschreibt mit immer wieder starken Momenten das Auseinanderbrechen einer Familie. Aber er ist zu langatmig und mit zweifelhaften Stilmitteln gemacht. Denn dass ein Film, der in der Gegenwart spielt, Farben verpasst bekommt, die auf die 1950er- oder 60er-Jahre verweisen, ist eigenartig.

Ein ebenso stiller, aber wesentlich spannenderer Film ist «Uzak İhtimal - Der falsche Rosenkranz». Der junge Muezzin Musa verliebt sich in die katholische Clara. Sie leben Tür an Tür und entdecken langsam ihre Zuneigung. Dem Regisseur Mahmut Fazıl Coşkun geht es nicht um die Gegenüberstellung der Religion - diese bietet ihm allenfalls die Grundlage für amüsante Begebenheiten. Er offenbart viel lieber eine eigenwillige Lebensgeschichte und die Dramatik des Alltäglichen. Sie gipfelt darin, dass weder der eigentlich selbstsichere Antiquar Yakup Clara sagen kann, was ihm am Herzen liegt - nämlich dass er ihr Vater ist -, noch dass Musa seine Schüchternheit überwinden kann. Am Ende verabschiedet der Muezzin Clara am prächtigen Bahnsteig des Sirkeci-Bahnhofs - für immer, weil sie in einem italienischen Kloster ihr restliches Leben als Nonne verbringen wird.

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Samstag, 20. März 2010
Fast schon ein Rockkabarett
Georg Ringsgwandl arbeitet im Schaaner TAK an seiner internationalen Reputation
«Mir habn in Augsburg gspuit und in Bitterfeld/I war ein Bauerndepp, doch jetzt bin ich ein Mann von Welt», singt Georg Ringsgwandl und darf feststellen, dass er nicht nur in der näheren Heimat oder in den Osten eingeladen wird, sondern auch im südlichen Ausland bekannt ist: das Theater am Kirchplatz in Schaan (Liechtenstein) ist beinahe ausverkauft. Sprachprobleme gibt es - die Bayern sind ja fast Nachbarn - keine, und für die rockig-funkige Musik gilt ohnehin generationen- wie grenzüberschreitend «common sense», dass sie gleichermaßen aufmüpfig und gediegen ist.


Sparsame Utensilien, amüsante Geschichten und im
Hintergrund eine kompakte Band: Georg Ringsgwandl ist
nicht mehr durchgeknallt, aber noch immer amüsant.


Mit «Untersendling», «Analog» und «Lebn ois wiara Kuah» startet er zwar durchaus amüsant, aber auch konventionell und ein bisschen langweilig. Auch ein Ringsgwandl kommt in die Jahre. Doch er muss nicht in Müllsäcken gekleidet oder mit einer Unterhose auf dem Kopf auftreten, um lustig zu sein. Sein Sprachwitz reicht völlig und man kann sich zwischen den kurzen Blöcken mit zwei, drei Liedern an seinen so amüsanten wie weitschweifigen Geschichten freuen, die er mit markigen Sprüchen und saftigen Personenbeschreibungen spickt - zwischendurch auch mal mit Schenkelklopfer-Charakter.


Weitschweifig und markig: Der burschikose Witz von Georg
Ringsgwandl kommt auch in Liechtenstein an


Natürlich spielt er Zither, und ebenso selbstverständlich verzichtet er nicht völlig auf die Verkleidung: Ein Mütze und eine übergroße Sonnenbrille reichen, um aus dem scharfzüngigen Bayern einen Szene-Gigolo mit Migrationshintergrund zu machen. Das ist gesetzt, aber auch amüsant - und steht als Charakterisierung für das ganze Konzert, das er natürlich nicht alleine bestritten hat. Seine kompakte, spielfreudige Band ist eine hervorragende Kulisse.

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Sonntag, 14. März 2010
Toni Mahoni - Irgendwat is ja immer
Toni Mahoni ist ein Original. Das klingt nicht hip, denn Originale gelten als ausgestorben. Als es sie noch gab, wurden verschrobene Menschen so bezeichnet - solche, die auch dann unverrückbar ihren Weg gehen, wenn ihre Meinung nicht mehrheitsfähig ist. Originale sind immer kauzig, oft Einzelgänger und manchmal werden sie sogar berühmt: Karl Valentin in München, der Berner 'Dällebach Kari' oder der Wiener Ludwig Weinberger, besser bekannt als Waluliso.

Toni Mahoni ist ein Künstlername und es ist nicht auszumachen, wie viel Autobiographisches in der Figur steckt, die in einem Videoblog regelmäßig ihre Ansichten zur Lage der Welt kundtut, gleichermassen gewitzt und banal. Mit seinem kräftigen Berliner Dialekt wirkt Toni Mahoni authentisch. Er präsentiert sich durchweg verschmitzt und selbstironisch - und jetzt bereits seine zweite Platte.

Als Musiker ist er viel konventioneller als seine Videoblogs vermuten lassen - und das ist durchaus gut so. Seine verschmitzten und ausgelassenen Texte - über die Liebe und Freundschaft, den Frühling und Alltägliches -- sind nicht ausnahmslos albern, es gibt auch ernsthafte. Mit rauer Raspelstimme und von seiner veritablen Band begleitet, spielt er sich durch Tango und Country, er swingt und gibt sich getragen, düster-melancholisch oder spielt Lieder an der Grenze zum Schlager.

Der Berliner Musiker bleibt seiner Blog-Kunstfigur Toni Mahoni treu, indem er albern und unkonventionell die gleiche Lebenseinstellung vermittelt. Wahrscheinlich sind seine persönlichen Ansichten mit denen seiner Kunstfigur recht deckungsgleich. Wesentlicher ist jedoch, dass er und seine Band die Lieder mit einem größeren Anspruch umsetzen als er es in seinen charmant-unperfekten Videoblogs tut.

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Sonntag, 7. März 2010
Ali Farka Touré & Toumani Diabaté - Ali & Toumani
Die letzten Stücke, die Ali Farka Touré eingespielt hat, sind traditionelle Lieder aus Mali; nicht nur solche aus seiner Heimatregion, sondern auch welche von südlichen Ethnien. Die Aufnahmen angeregt hat der Kora-Spieler Toumani Diabaté. Gemeinsam haben sie schon das mit einem Grammy ausgezeichnete Album «In The Heart Of The Moon» (2005) aufgenommen. Mit dabei war dieses Mal der sehr zurückhaltend agierende kubanische Bassist Orlando Cachaíto López (Buena Vista Social Club), bei manchen Stücken wurde im Nachgang Percussion oder Chorgesang hinzugefügt, eingespielt unter anderem von Vieux Farka Touré.

Die weitgehend redundanten Stücke plätschern, wie man es von den beiden kennt, ruhig und entspannt vor sich hin. Immer wieder vermag Toumani Diabaté mit seinen sanften Läufen zu begeistern. Von den Schmerzattacken, die Ali Farka Touré regelmässig befallen haben sollen, ist nichts zu merken. Die durchweg sanften Stücke evozieren Beschaulichkeit, träge Gelassenheit, mit der man die westafrikanische Nachmittagshitze im schattig-begrünten Innenhof genauso assoziieren darf wie - das Album wurde in London eingespielt - britische Regenfäden.

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Montag, 1. März 2010
Fehlfarben - Glücksmaschinen
Nicht nur bei «Stadt der 1000 Tränen» haben die Fehlfarben den treibend-melodiösen Bass nach vorne gemischt. Immer wieder klingen die Deutschrocker wie von Peter Hook inspiriert, der in den 1980er-Jahren den Klang von Joy Division maßgeblich mitgeprägt hat. «Neues Leben» wiederum klingt wie eine Reminiszenz an DAF, und Singen hat der mittlerweile in Wien lebende Düsseldorfer Peter Hein immer noch nicht gelernt. Es ist also fast alles wie früher. Der nostalgische, an Post-Punk und New Wave erinnernde Klang und Heins ungestümer Gesang ergänzen sich nach wie vor stimmig. Dazu gibt Peter Hein noch immer den bissig formulierenden Beobachter («Was hat man sich gefürchtet/ Ob der Blockwart etwas weiß/ Doch in jedem Forum/ gibt man die Penislänge preis») – ohne jedoch mit ausdrucksstarken Bildern die Stimmung der Zeit einzufangen, wie ihm das beim noch immer stärksten Fehlfarben-Album gelungen ist, dem Debüt «Monarchie und Alltag» (1980).

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