Mittwoch, 4. Februar 2009
Der Jazz in Deutschland
Teil eins bringt die Vorgeschichte bis zu den ersten Gehversuchen 1899-1932
Die Musik kam aus den Vereinigten Staaten, dass die Einspielungen mitunter aus Deutschland stammen, ist trotzdem oft unverkennbar. Weil das Banjo hierzulande eine Rarität war, pfiff man mit Begeisterung. Denn das Pfeifen eignete sich wie das Banjo hervorragend für die Aufnahmetechnik Anfang des letzten Jahrhunderts.
Doch auch wenn in Deutschland eher Jazz-Aufnahmen erschienen als beispielsweise in Großbritannien, stammten die wenigsten frühen Einspielungen von deutschen Gruppen. Aber die Deutschen tanzten den Cakewalk so gerne wie sie Ragtime hörten – das brachte viele afro-amerikanische Künstler nicht nur für einzelne Gastspiele nach Europa. Von den rund 60 Mitgliedern des ersten afro-amerikanischen Musicals, das in Europa gastierte, schreiben die Herausgeber dieser opulenten Zusammenstellung, kehrten viele nicht in die USA zurück und versuchten, in Europa ihren Lebensunterhalt weitgehend frei von rassistischen Repressalien zu verdienen.

Der Erste Weltkrieg koppelte Deutschland jedoch von der künstlerischen Entwicklung ab – die Orchester zogen mit ihren schmissigen Foxtrots und Charlestons weiter nach Frankreich und Großbritannien. Erst Mitte der 1920er-Jahre fand die einheimische Musikszene den Anschluss. Doch bald nachdem am Frankfurter Konservatorium die erste Jazzklasse der Welt eingerichtet wurde, erhoben sich die Stimmen der Nationalsozialisten Wider die Negerkultur für deutsches Volkstum.

Der erste Teil der Reihe Der Jazz in Deutschland präsentiert Einspielungen von 1899 bis 1932. Er bietet Kompositionen, die auf Walzen und Klavierrollen erschienen sowie Aufnahmen vom Beginn der Schallplattengeschichte – als man die Etiketten noch von Hand beschriftete. Neben den überwiegend vergessenen Songs und Interpreten finden sich auch Evergreens wie das von den Beatles zu Beginn ihrer Karriere eingespielte Ain't She Sweet?, Makin' Whopee! (2006 von Rod Stewart und Elton John im Duett gesungen) oder der auch heute noch bekannte, zum Schlager gewordene Foxtrot, Am Sonntag will mein Süßer mit mir Segeln geh'n, der 30 Jahre nach seiner Entstehung als Titelsong des gleichnamigen Films in die deutsche Hitparade kam.

Fast 90 Stücke sind auf dem 3-CD-Set versammelt, ein 200-seitiges Booklet bietet neben einer allgemeinen Einführung ausführliche Hinweise zu Kompositionen, Komponisten und Interpreten. Viele Kompositionen wirken auch heute noch frisch. Einen wichtigen Anteil daran hat die technische Bearbeitung, die dafür sorgt, dass die Instrumente zur Geltung kommen und nicht das Knacken und Rauschen der Schellacks.

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Dienstag, 3. Februar 2009
Lovebugs - The Highest Heights
Nach Vico Torriani gab es in den 1990er-Jahren wieder Hoffnungen auf einen Schweizer Musikexport: Während Mundartbands wie Züri West oder Patent Ochsner an der Sprachbarriere scheitern, hatte die Lovebugs das grassierende Britpop-Fieber erfasst. Sie trafen den Zeitgeist, den sie schließlich selbst verkörperten, legten einen fulminanten Start hin – und stellten nach einigen Jahren fest, dass für den Welterfolg noch lange nicht reicht, was in der Schweizer Hitparade ganz vorne landet. Der kleine Trost: Der Heimmarkt trägt sie, von den letzten beiden Alben verkauften sie mehr als 40.000 Stück.

Nachdem die Basler für ihre letzten Alben nationale Produzentengrößen verpflichtet hatten, holten sie für "The Highest Heigths" Hilfe aus Irland. Doch auch Richard Rainey, der u.a. für U2 mischt und koproduziert, hat ihnen keinen weltläufigen Sound verpasst. Was vollmundig als Schnittstelle von Pop, Indie, Disco und Rock gepriesen wird, entpuppt sich als überwiegend lärmige Langeweile. Den Bass im Vordergrund der meist treibenden Songs kennt man aus den 1980er-Jahren, aus denen auch die Gitarren-Synthesizer-Kombination und die gelegentlichen Gitarrenklänge à la The Cure oder U2 stammen. Das alles begeistert ebenso wenig wie die zwar mit großer Geste präsentierten, letztlich aber durchschnittlichen Melodien.

Dass das zehnte Album der seit fünfzehn Jahren existierenden Band nicht der große Wurf ist, haben Lovebugs offensichtlich selbst gemerkt und sich für den Eurovision Song Contest beworben. Dass sie den dafür erforderlichen massenkompatibel-frischen Song auf die Bühne bringen, ist nicht zu erwarten. Aber die passend zur Veröffentlichung des Albums lancierte Nachricht, dass sich die Schweizer Jury für sie entschieden habe, und der mit dem Wettbewerb einhergehende Medienrummel werden auch dem Absatz von The Highest Heights gut tun. Für die Band bleibt zu hoffen, dass die künstlerische Niederlage wenigstens zu einem finanziellen Erfolg wird.

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Montag, 2. Februar 2009
Naiv, ...
... aber eigentlich vernünftig, oder?

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Klaus Theweleit/Rainer Höltschl - Jimi Hendrix. Eine Biographie
Jimi Hendrix feiert keinen runden Geburtstag und auch sein Todestag im Jahr 1970 gibt keinen Anlass zu den obligatorischen Erinnerungen. Wenn also sozusagen 'außer der Reihe' eine Biografie erscheint, muss sie entweder mit neuen Entdeckungen aufwarten oder das Leben des Musikers unter einem völlig neuen Blickwinkel betrachten.

Biographische Neuigkeiten haben der Freiburger Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit und sein Kollege Rainer Höltschl keine zu berichten. Aber ihre psychoanalytische Deutung von Hendrix' Werdegang, die sich überaus leicht und unterhaltsam liest, bietet einen neuen Ansatz. Zwar finden es auch diese Autoren notwendig aufzuzählen, mit welcher Gitarre Jimi Hendrix im Kindesalter zu spielen begann und wie es ihm in Woodstock erging. Aber sie verlieren sich nicht in zu vielen Einzelheiten, sondern breiten sein Leben in einem überschaubaren Detaillierungsgrad aus.

Neben den bekannten Fakten sind es vor allem zwei Punkte, die das Buch besonders und auch besonders lesenswert machen: Es ist dies einerseits die – natürlich rein spekulative – psychoanalytische Deutung der Kindheits- und Jugenderlebnisse, die den Gitarristen zu einem außerordentlich schillernden Innovator machten. Außerdem bringen die Autoren die Theorien des Gehirnforschers und Musiktheoretikers Robert Jourdain und des Psychoanalytikers Thomas Ogden ins Spiel. Jourdain hält es für bewiesen, dass die Schallwellen nicht nur im Gehirn abgespeichert werden, sondern auch die menschlichen Körperzellen verändern. Ogden wiederum spricht von einem so genannten 'analytischen Dritten', der sich als Subjekt der Analyse ergibt. Das gleiche Phänomen machen Theweleit und Höltschl auch beim Musikhören aus: Die Musik trifft auf den Körper, und die dadurch entstehende Resonanz wird zu einem eigenen Körper, zu etwas Neuem, Dritten.

Wie offen Jimi Hendrix war, zeigt nicht nur sein exzessiver Einsatz von Effektgeräten – elektronische Hilfsmittel, die für die Entwicklung seines eigenen Klangs genauso essenziell waren wie seine Spieltechnik. Der Einsatz von Jazz-Akkorden zeigt, dass Jimi Hendrix schon früh die Genre-Grenzen überwunden hatte, er hatte Kontakt zum Art Ensemble of Chicago und plante die Zusammenarbeit mit Miles Davis. Seine eigene Einschätzung, dass man ihn aus dem Weltraum abgesetzt habe, nutzen die Autoren, um Hendrix als Geistesverwandten von Sun Ra zu präsentieren. Der umstrittene Avantgarde-Jazzer behauptete, nicht von der Erde, sondern vom Planeten Saturn abzustammen. Mit Hendrix verbindet ihn, dass beider Musik so neuartig und befremdlich wirkt(e), als ob sie von einem anderen Stern kommen würde.

Die Musik von Jimi Hendrix ist längst angekommen, auch wenn – wie Brian Eno schon 1989 forderte – ihm nicht der Rang eines John Cage zugesprochen wird. Für ihre Biographie haben Klaus Theweleit und Rainer Höltschl zwar keinen radikal neuen Ansatz, aber einen erfrischenden und interessanten Blickwinkel gefunden.

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Sonntag, 1. Februar 2009
Lovebugs - The Highest Heights
Eine künstlerische Niederlage, die ein finanzieller Erfolg werden kann - die seit fünfzehn Jahren bestehende Basler Band wird die Schweiz beim "Eurovision Song Contest" vertreten. Gewinnen werden sie nicht, aber man hat dort sicher schon Schlimmeres gesehen.

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Various - Obacht! Musik aus Bayern
"Wenn nicht gerade die Biermösl Blosn aufmüpfig-witzige Texte mit Ländlern und Schottischen präsentieren oder Ringsgwandl die Zither auspackt, um die traditionelle Musik zu verballhornen, gilt den meisten Menschen heimische Volksmusik nicht viel.
Volksmusik fristet ein Nischendasein, diskreditiert durch die Blut-und-Boden-Assoziation im Dritten Reich, durch konservative Heimattümelei und wahrscheinlich auch durch die falsche Gleichsetzung von traditioneller Musik mit den in verschiedenen Fernsehsendungen präsentierten volkstümlichen Schlagern.

Wahrscheinlich interessieren sich mehr Menschen für die ethnische Musik anderer Völker (allerdings auch vornehmlich in der für westliche Ohren aufbereiteten Form) als für die traditionelle Musik des Alpenraums. Dass diese trotzdem quicklebendig und vielfältig ist, zeigt die Zusammenstellung "Obacht!": Blasmusik und Jodel, Stubenmusik und Wirtshausdreher geben sich ein fröhliches Stelldichein in Form von Walzer, Zwiefachen, Polkas, Jodel und noch einigen anderen musikalischen Ausdrucksweisen.
Aufgespielt wird nicht konzertant, wie etwa bei den Schweizer Formationen Ils Fränzlis da Tschlin oder Hanneli Musig, sondern kraftvoll, schmissig und mit rauen, aber hörbar geübten Stimmen.

Kurze Texte stellen die Musikerinnen und Musiker vor und sorgen für eine grobe Einordnung in die bayerische Musiklandschaft, weisen auf Besonderheiten etwa der Allgäuer Tradition, der Musik aus der nördlich von München gelegenen Hallertau oder den Egerländer Einflüssen.

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Samstag, 24. Januar 2009
Herr Gnägiund Frau Gnägi-Haselstudehain
Der Berner Liedermacher Nils Althaus im Fabriggli
Das Rheintal ist kein kulturelles Niemandsland, aber auch alles andere als kulturell verwöhnt. Nur wer kein großes Publikum erwartet, spielt in einem der kleinen Orte. Wenigstens Kleinstädte wie St. Gallen oder Chur sollten es sein, vielleicht auch Bregenz oder Dornbirn. Buchs ist so langweilig wie sein Name (den gleich vier Schweizer Ortschaften tragen), Schlafstatt für viele der in Liechtenstein arbeitenden Ausländer, denen der Wohnsitz im steuergünstigen "Ländle" verwehrt wird.

Nils Althaus, in der Schweiz erfolgreicher Jungschauspieler und Liedermacher, muss gleich zwei Mal in die Region. Es ist nicht, wie man denken könnte, zum Aufwärmen für sein zweites Programm, das er demnächst live einspielen wird.
Das Fabriggli ist voll, die ganzen Menschen sind nicht wegen des neuen Programms gekommen, sondern noch immer wegen der Lieder, die Nils Althaus seit zwei Jahren klampft und zu denen er zwischen den Stücken humorige Geschichten erzählt. Nils Althaus textet nicht nur verschmitzte Lieder, er ist auch ein unaufdringlicher Unterhalter, der spontan und situativ reagiert, Regungen oder Einwürfe aus dem Publikum aufgreift oder ihm ein wenig unangenehme Szenen charmant kommentiert und so entschärft. Anfangs noch zurückhaltend, geht er besonders im zweiten Teil mehr und mehr aus sich heraus und zeigt in einer seiner besten Phase auch komödiantisches Talent. Das passt auch zu vielen seiner Lieder. Oft macht er aus eigentlich belanglosen Nebensächlichkeiten -- dass ihm jemand in den Einkaufswagen schaut, er beim Einpacken am widerspenstigen Klebeband scheitert -- außerordentlich witzige Geschichten, für die er zudem meist amüsante Pointen findet.
Nils Althaus ist kein "politischer Liedermacher". Er zeigt kein Sendungsbewusstsein und reagiert nicht explizit auf aktuelle Ereignisse -- substanzlos sind seine Lieder trotzdem nicht. Und wenn er ein eigentlich abgelutschtes Thema wie das Verhalten der Durchschnittsschweizer aufgreift, macht er das in seinem eigenen witzigen Stil.

Mit seinem Programm "Fuessnote", auch die gleichnamige CD ist ein Konzertmitschnitt, hat sich Nils Althaus als Mundartsänger im Stil der "Berner Troubadours" bestens eingeführt. Die beiden Lieder, der er schon aus seinem nächsten Programm "Ändlech" präsentiert -- darunter eine neue Geschichte von Herrn Gnägi und seiner Gattin Gnägi-Haselstudehain --, wecken die Vorfreude auf auf neue witzig-kluge Lieder.

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