Montag, 10. Dezember 2007
Musik ohne Zukunft
Caufield - I Love The Future!
Globalisierung ist eine feine Sache, man bekommt immer mehr aus der Welt zu spüren. Die Kehrseite ist die Tendenz zur Vereinheitlichung. Ob eine Band aus Deutschland, Dänemark oder Norwegen kommt, ist völlig unbedeutend, wenn ich in ihrer Musik vornehmlich Einflüsse von englischen Gruppen der Post-Punk-Zeit höre. Das ferne Echo von Wave-Bands ist gewiss nicht unangenehm und die Dänen lehnen sich nicht allzu offensichtlich an die Vorbilder an. Aber sie machen auch keine Songs, die sich von der großen Masse abheben. Da nützt es auch nichts, wenn sie eine schöne Geschichte erfinden, die sie als romantisch-kaputte Band präsentiert. Denn die Musik von Caufield ist weder kaputt noch unberechenbar. Ihre Songs könnten durch ein paar gezielte Deformationen und Ausbrüche nur gewinnen. Aber Dänemark ist ein Wohlfahrtsstaat, der die Arbeitslosigkeit halbwegs im Griff hat, mit einer 'von Natur aus' freundlichen Bevölkerung – da sind wohl selbst die Rocker brav.

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Donnerstag, 6. Dezember 2007
Timna Brauer - Reise durch die Weltmusik
Es wirkt überaus anmutig, wie das Mädchen den Kopf zum Bogen neigt, ihre wohlfrisierten Haare wie die Saiten einer Lyra hinunterfallen und sie mit ihrer reich verzierten Hand darüber streicht. Die Harfe sei aus dem Bogen entstanden, erzählt Timna Brauer, schließlich entstehe beim Zupfen an der Jagdwaffe ein Ton. Und da dachte der Mensch: "Ich werde eine zweite Schnur an diesem Bogen befestigen, und dann habe ich zwei verschiedene Töne." Das machte der Mensch so lange, erzählt Timna Brauer weiter, bis auf dem Bogen kein Platz mehr war. Aus der Waffe wurde ein Musikinstrument. Die Flöte wiederum entdeckte der Mensch, weil er sich gemäß Brauer alles, was er in der Natur fand, ansah, es aufhob, daran roch und leckte. So war es auch beim Bambusrohr - und wie durch einen Zufall blies er in dieses unbekannte Ding hinein, und es entstand ein Ton. Wie gut, dass Timna Brauer dabei war, denn dadurch wissen wir: Zuerst erschrak der Mensch, so etwas hatte er noch nie zuvor gehört!

Timna Brauer ist zweifellos eine respektable Musikerin und ihr Programm, mit dem sie Kindern die Entstehung der Musik nahe bringt, ist zu begrüßen. Doch abgesehen von zweifelhaften Aussagen gelingt die Transformation ins Buch nicht. Ihre Illustrationen sind zwar ansprechend, aber für ein Sachbuch zu illustrativ. Die Fotos von ihr und ihren Musikern - es gibt kaum eine Doppelseite ohne ihr Konterfei - könnten eine sinnvolle Ergänzung sein. Doch auch sie sind nur illustrativ und damit schlichtweg unnötig.
Die beiliegende CD wiederum ist nichts anderes als der schlecht aufgenommene Mitschnitt einer Live-Veranstaltung. Immerhin gibt es hier wenigstens ansatzweise die im Titel angekündigte weltmusikalische Reise, die im Buch praktisch nicht vorkommt. Timna Brauers Vorhaben mag als Kinder-Animationsprogramm funktionieren. Als eigenständige CD ist es nicht spannend genug aufbereitet und die Mitmach-Passagen wirken langweilig. Als Ergänzung zum Buch ist die CD mit diesem nicht genügend verzahnt.

Eine konventionelle, aber durchdacht konzipierte Sach-CD mit kindgerechten, informativen Texten wäre für Kinder vermutlich nicht nur der passendere Einstieg, sondern würde auch ihren Wissensdurst besser stillen helfen.

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Sonntag, 2. Dezember 2007
Nachklang
Ich bin Afrikaner, wenn auch einer mit weißer Haut. Als ich nach meiner Ankunft nachts um drei in Bamako durch finstere Seitenstrassen geschaukelt wurde (schon die von der Hauptstrasse abgehende Strasse glich einer Offroad-Piste) fühlte ich mich Zuhause. Die Gesänge der ägyptischen Muezzins wecken noch heute eine tiefe Sehnsucht in mir. Die Muezzin-Kakaphonie aus Siwa weckt mich gelegentlich noch heute. Die Sehnsucht nach ihr (und meinen Freunden, den Kamelen) hat mich unmittelbar nach der Reise krank gemacht.

Aus allen Ländern, die ich bereise, nehme ich mir Musik mit. Doch so lange wie mit den afrikanischen Ländern mag mich asiatische Musik nicht zu verbinden. Dafür haben die Asiaten das vielfältigere Essen.

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Samstag, 17. November 2007
Auf den Hund gekommen
Zufällig entdeckt: Das Haus für Kunst Uri
Es ist schon eine Weile her, aber ich habe es noch gut vor Augen, dass ich bei der Fahrt über den Oberalppass nichts vor Augen hatte – ausser Wassertröpfchen, die sich ans Visier klemmten und ab und zu einen nassen Handschuh, der sie weg schob. Der Nebel war so dicht, dass man unter dem Verkehrsschild stehen bleiben musste, um es lesen zu können. Der Klausenpass, soviel war danach schon vom Tal aus zu sehen, würde ausfallen. Dafür stand neben der Bäckerei das Haus für Kunst Uri. Alt. Mit Neubau. Trotzdem eher Häuschen, verglichen mit den Kunsthäusern in richtigen Städten, wie München etwa.


Grotesk niedlich: anklagend gehäutete Plastikente.

Aber hier war (und ist genau genommen auch heute, wo ich nicht mehr da bin) Altdorf. Kanton Uri. Innerschweiz. Traditionell bis zum Geht-nicht-mehr. Bauernland. Stelle ich mir zumindest so vor. Hier spielen Tiere noch eine Rolle. Auch der Hund ist noch Nutzvieh. Bellt die Rinder zurück und sortiert die Schafe am Straßenrand.
Hier ist man also „Auf den Hund gekommen“, wenn man Tiere anders sieht denn als Nutzvieh. Vermutlich würde auch niemand zur Vernissage kommen – und hinterher sowieso schon nicht –, wenn der Ausstellungstitel nicht bodenständig wäre.

Drinnen ist nicht viel, aber genügend zu holen. Das überdimensionale Igelfell aus Vinamold (was immer das auch sein mag), Glasfasergewebe und Nägeln von Franziska Furrer. Sieht stachelig aus, ist aber gleichzeitig auch weich. Oder die Büste aus Katzenfutter, die Luzia Hürzeler von sich gemacht hat und die sie langsam von einer Katze wegschlecken lässt. Auch als Idee nicht für die Ewigkeit – aber man muss überhaupt erst einmal darauf kommen. Oder Wiedemann/Mettler, die Plastiktieren das Kunststofffell über die Ohren gezogen haben und gänzlich nackt als riesengroßes Mobile zusammengebeutelt. Sehen lustig aus, die Viecher, und sind anklägerisch versammelt. So macht Kunst Spaß. Da braucht es keine großen Namen.
Und hinterher holt man sich ein Stückchen Kuchen von nebenan und setzt sich unter die Plastikgeweihe von Lisa Achermann. Auch das ist ein Sonntag auf dem Dorf – sogar mit Tieren.


Tierisch: Wenn der Mensch auf „den Hund“ kommt, Haus für Kunst, Altdorf, 22.9. bis 25.11.2007

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Donnerstag, 15. November 2007
Ursuppe
Daouda Dembele spielt ein Lied ohne Titel
Wenn man durch die Straßen von - zum Beispiel - Bamako spaziert, hört man immer wieder ziemlich roh klingende Musik aus repetitiven Rhythmen, einfachen Melodiefloskeln und beständig fliessendem Sprechgesang. Die im Westen erhältliche Musik afrikanischer Künstler ist weit entfernt von dieser Urtümlichkeit. Das scheint Yala Yala Records zu ändern - und nicht nur die Musik, sondern auch mit dem Erscheinungsbild afrikanische Gewohnheiten zu transportieren: Das Album von Daouda Dembele trägt keinen Titel und hat nur ein namenloses Stück - das dauert 42 Minuten und ist keinesfalls zu lang.


Ngoni, Kalebassen, Händeklatschen und Autobatterie:
Band bei der Fête de Tabaski in Koruakrou, Mali.


Ich verstehe nicht, was Daouda Dembele erzählt, ich kann die musikalischen Floskeln nicht interpretieren und ich weiss auch nicht, welche Einflüsse der Ngoni-Spieler und Erzählsänger aufgenommen hat. Hat er Blues gehört? Hat er Enkel, die ihn mit Rap beschallen? Oder hat er nur dem träge vorbeiziehenden Niger gelauscht?

Die Musik und der Sprechgesang von Douda Dembele wirken gleichzeitig roh und artifiziell. Ich kenne sie nur aus den Strassen von Bamako, Mopti oder Ségou, von Festen - dann klingen die Ngoni-Spieler wegen der schlechten PA eher nach Jimi Hendrix -, oder aus den dröhnenden Kassettenrekordern der Strassenhändler, die in der Regel Raubkopien verkaufen.

Die rudimentäre Beilage möchte vermitteln, dass man die Musik von Daouda Dembele schon vor 1300 Jahren hören konnte. Aber wer kann tatsächlich behaupten zu wissen, wie die nur mündlich überlieferte afrikanische Musik vor mehr als tausend Jahren klang? Die Entwicklung traditioneller Gesellschaften vollzieht sich zwar nicht rasant, aber stetig. Da möchte ich auch westliche Einflüsse - vielleicht auch nur indirekt durch die Musik von Ali Farka Touré, dem wie Daouda Dembele in Ségou beheimateten Mama Sissoko oder Boubakar Traoré - nicht ausschliessen. Egal, solange der Sand der Steppe die vordergründigen Prägungen wieder verwischt.

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