Samstag, 17. Oktober 2009
China hält nicht, was es verspricht
Carsick Cars und Joyside im Haus der Kunst, München
Vor wenigen Jahren zeichnete der Film Beijing Bubbles ein – wie könnte es auch anders sein – rebellisches und unkonventionelles Bild der chinesischen Underground-Musikszene. Seine Macher trafen auf eine Marktlücke und organisierten Tourneen mit den Protagonisten des Films. Im Fahrwasser der Frankfurter Buchmesse mit China als Gastland brachten sie wiederum zwei der bekanntesten Vertreter der aktuellen chinesischen Underground-Szene (so der Werbetext) für einige Konzerte nach Deutschland. Nimmt man sie als Qualitätsmaßstab, scheint es um den chinesischen Musiknachwuchs schlecht bestellt.

Das Trio Carsick Cars präsentiert sich als hölzern agierende Schülerband, deren Gitarrist Zhang Shouwang sich nicht nur von einer Saite durcheinanderbringen ließ (vom Organisator zur defekten Gitarre stilisiert), die bereits beim ersten Intro riss, sondern auch erkleckliche Mühe hatte, seine Gitarre richtig zu stimmen. Immerhin zeigte der Zwischenfall, dass die chinesische Rollenverteilung der bei uns üblichen entspricht: Während der Bassist seinen Kollegen gelangweilt der Verzweiflung überließ, sprang ihm die Schlagzeugerin Li Qing helfend zur Seite.


Nach dem Kampf mit dem Material:
Zhang Shouwang von Carsick Cars


Dass der erste Teil des Sets überaus langweilig war, lag kaum an diesem frühen Zwischenfall. Eintönigkeit ist ein Grundelement der Carsick Cars. Li Qing (die Multiinstrumentalistin gilt als Vorzeigefrau der chinesischen Musikszene und ist Gitarre bei Snapline) mühte sich am Schlagzeug redlich ab, ohne jedoch wirkliche Akzente zu setzen, der Bassist zupft die vom Gitarristen vorgegebenen Melodielinien nach. Carsick Cars, bekannt für ihre wilden Live-Auftritte (so der PR-Text) entpuppen sich als weitgehend öde Gruppe, die erst durch die – durchaus nicht unkonventionellen – lärmigen Elemente des Gitarristen etwas Farbe bekommt.


Bohèmien-Schal und Lederhöschen:
Joyside-Sänger Bian Yuan als Jim-Morrison-Verschnitt.


Bei Joyside richtet sich zwar die Aufmerksamkeit auf Sänger Bian Yuan, der sich auf die solide Basis seiner Kollegen verlassen konnte. Der Kopf der wildesten und begehrtesten Punkband Chinas (aus der Ankündigung) hat sich offenbar gewandelt, ohne seine PR-Verantwortlichen zu informieren: Er tritt als Jim-Morrison-Klon auf die Bühne und bringt mit seinen Mannen eine biedere Show zu konventionellem Rock. Neben Bin Yuan fällt allenfalls der Gitarrist auf, der sich sein Posing wohl von Uriah Heep abgeschaut hat und offensichtlich meint, alleine durch unnötige Ansagen und seine Versuche, das Wort Scheisse auszusprechen, cool und unkonventionell zu sein. Musikalisch bringen Joyside nichts, was man nicht schon unzählige Male in mindestens der gleichen Qualität gehört hat.

So bleiben es Exotenbonus und versiertes Marketing, die das Interesse an den beiden Gruppen wecken. Kämen sie aus Deutschland, würden sie vermutlich noch immer in der Aula der Hauptschule Spatzenhausen spielen.
Ob die beiden Bands nur schale Konzerte spielen, dafür aber im Studio mehr aus ihren Songs herausholen, wird man bald anhand aktueller Produktionen feststellen können. Ihre neuen Alben Maybe tonight (Joyside) und You can listen, you can talk (Carsick Cars) sollen noch im Oktober erscheinen.

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