Samstag, 24. November 2018
Georges Gachot – Wo bist du, João Gilberto?
João Gilberto, als Erfinder des Bossa Nova eine musikalische Legende, ist als Musiker wie auch als Mensch kompliziert. Er ist vom optimalen Klang besessen und lebt extrem zurückgezogen – als Phantom in einem Hotelappartement in Buenos Aires, wie es heißt. Der deutsche Journalist Marc Fischer hat sich auf die Suche nach seinem Idol gemacht. Mit dessen 2011 erschienenen Buch «Hobalala – Auf der Suche nach João Gilberto» in der Hand, tappt nun auch der Schweizer Regisseur Georges Gachot auf Fischers Spuren durch Brasilien. Er trifft Leute, die auch Fischer getroffen hat, und erfährt von ihnen alte Geschichten, weil João Gilberto auch für seine Gesprächspartner ein Rätsel ist und sie ihn seit fünfzehn oder noch mehr Jahren nicht gesehen haben. Am Ende scheint Gachot zu gelingen, was Fischer offenbar verwehrt geblieben ist: Er darf sich in einem Hotelkorridor anhören, wie – angeblich – der wahrhaftige João Gilberto hinter der Tür das Stück «Ho-ba-la-la» für ihn spielt.
Georges Gachot gelingt es weder, Fischers obsessive Spurensuche mitreißend zu vermitteln, noch ergründet er Wesen und Musik des brasilianischen Komponisten, Gitarristen und Sängers. Zum Glück kann er wenigstens dann und wann einen von Gilbertos Hits einspielen und den einen oder anderen Ausblick von einem Hotelzimmer auf den Strand von Ipanema zeigen, den allerdings Antônio Carlos Jobim berühmt gemacht hat. João Gilbertos Musik ist gleichzeitig zurückhaltend-ruhig und ergreifend, Gachots Film ist unaufdringlich und langweilig. Es ist eben nicht jeder imstande, der Stille Kraft zu verleihen.

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Mittwoch, 1. August 2018
Susanna Nicchiarelli – Nico, 1988
Sie müsse mit einer Band aus Amateuren touren, sagt Nico (Tryne Dyrholm) sichtlich frustriert und vermittelt ihrem Gegenüber gleichzeitig, dass sie das keineswegs ungerecht findet. Der längst in den Drogensumpf gefallenen Ikone ist offenbar bewusst, dass es kein Entrinnen gibt aus dem Kreislauf von Sucht, Versagensängsten und Erinnerungen an eine erfolgreiche Vergangenheit.

Das Leben von Nico, geboren als Christa Päffgen, Supermodel, Schauspielerin und Musikerin, lässt sich kaum in einen Film packen. Susanna Nicchiarelli (Regie und Drehbuch) gelingt es trotzdem – indem sie es als Roadmovie erzählt, das in den traurigen letzten Jahren spielt. Die Gruppe tourt im Kleinbus durch Europa, Nico zerfressen von Sucht und Sehnsucht nach ihrem Sohn, der nicht nur ebenso drogenabhängig, sondern auch suizidgefährdet ist. Ihr Manager Richard (John Gordon Sinclair) ist in sie verliebt. Doch der landet allenfalls bei seiner Assistentin Laura (Karina Fernandez) – beim „Trostpreis“, wie diese selbst sarkastisch feststellt. Nicos Zuneigung gilt durchweg anderen.

Susanna Nicchiarelli zeigt Nico und ihre Entourage überwiegend auf Tour – Paris, Prag, Nürnberg, Krakau – und in kurzen Episoden in ihrem Zuhause Manchester. Neue Bekanntschaften und Gespräche mit Nicos Manager nutzt sie für Rückblenden, mitunter werden auch kurze Originalaufnahmen mit Nico eingeblendet.
Die Regisseurin zeigt eine Protagonistin, die mit unbändiger Stärke schwach ist. Ihre Nico ist egozentrisch und kompromisslos bis zur Tyrannei. Gleichzeitig ist sie sich ihrer Schwächen und Versäumnisse bewusst, unter denen sie zwar leidet, die sie aber unbeeindruckt akzeptiert und mitunter mit bissigem Sarkasmus kommentiert. Nicht nur die Besetzung der Hauptfigur – Tryne Dyrholm stellt Nico sowohl als Person wie auch in ihrem eigenwilligen Gesangsstil differenziert und überzeugend dar – ist ein Glücksgriff. Susanne Nicchiarelli zeigt bis hin zu vergleichsweise unwichtigen Nebenrollen eine sichere Hand bei der Wahl der Schauspieler. Ebenso gelungen sind viele Szenen und Dialoge. So macht sie aus einem schlichten Konzept einen Film, der sich der geschundenen Ikone respektvoll, aber nicht beschönigend nähert und der selbst dann ausgesprochen sehenswert wäre, wenn Susanne Nicchiarelli die ganze Geschichte nur erfunden hätte.

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Sonntag, 24. Juni 2018
Shirin Neshat – Auf der Suche nach Oum Kulthum
Verrannt: das Drehbuch als Prophezeiung
Den Einstieg kann man noch spannend finden: Die erwachsene Oum Kulthum (Naijia Skalli), auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit, steigt die Treppe hoch, gefolgt von der iranischen Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian), die einen Film über sie drehen möchte. In einem der oberen Räume trifft Oum Kulthum auf sich selbst als Kind (Nour Kamar). Als die Kleine durch das zwischen den Gardinen hindurchstrahlende gleißende Licht steigt, folgt ihr Mitra in die Zeit von Oum Kulthums Kindheit – sinnfällig umgesetzt in romantisierenden Szenen und Schwarzweißaufnahmen, vielleicht als Erinnerung, dass es den Farbfilm zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht gab.

Mitra – die als Alter Ego der iranischstämmigen Shirin Neshat gesehen werden darf – vergaloppiert sich, weil sie ihre eigenen Probleme in ihre Protagonistin projiziert. Die Hinweise ihrer beiden Hauptdarsteller Ghada (Yasmin Raeis, die Oum Kulthum im Film des Films verkörpert) und Ahmad (Kais Nashif), der deswegen den Job hinschmeißt und das Set verlässt, ignoriert Mitra. Als sie endlich merkt, wie sehr sie sich verrannt hat, steuert sie mit Wucht in die Gegenrichtung – die plötzlichen Änderungen erbosen ihren Produzenten und am Ende ist alles noch schlimmer.

Das Drehbuch wirkt wie eine Prophezeiung: Shirin Neshat scheitert genauso wie die Regisseurin in ihrem Film. Außer ein paar spärlich gesäten eindrucksvollen Bildern und Szenen begeistern in „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ nur die Passagen, in denen die Kunst der „ägyptischen Callas“ zelebriert wird. Für diese Momente ungeteilter Freude muss man jedoch lange Durststrecken in Kauf nehmen.

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Freitag, 6. April 2018
Mathieu Almaric – Barbara
Mathieu Almarics Film «Barbara» ist keine der üblichen Lebensgeschichten. Seine Biographie der französischen Sängerin – die erst mit «Göttingen» und später mit den deutschen Übersetzungen ihrer Chansons auch deutsche Hörer begeisterte – erzählt gleichzeitig eine Geschichte der bis zur Besessenheit reichenden Annäherung an ein Idol. Jeanne Balibar spielt die Doppelrolle als Barbara und als Schauspielerin Brigitte, die in einem biographischen Film die Sängerin spielt, meisterhaft. Und weil Mathieu Almaric, der auch im Film den Regisseur verkörpert, aparte Spiele um Imagination und Wirklichkeit einbaut, ist der Film nicht nur für Verehrer der Chansonsängerin interessant, sondern auch für Cineasten mit einer Neigung zur Poesie.

Was ist wichtig, wenn man ein Leben erzählt? Was müssen wir wissen, über Herkunft oder Bildungsweg, welche Lebensdaten kennen, um eine Person zu erfassen, ihre Gedanken, Einstellungen und Sehnsüchte? Mathieu Amalric stellt das alles nicht in den Vordergrund. Er nähert sich «der schönsten Stimme Frankreichs» atmosphärisch und skizziert die Lebensgeschichte von Barbara indirekt. Er erzählt, wie seine Protagonisten, der Regisseur Yves und die Schauspielerin Brigitte, der Ikone bei der Suche nach ihrem Wesen immer mehr verfallen.

Yves Zand, gespielt von Almaric selbst, dreht als obsessiver Verehrer einen Film über die französische Sängerin Barbara. Seine Darstellerin folgt ihm in die Obsession und findet aus ihrer Rolle nicht mehr heraus. Die Ebenen überlagern sich. Wann Barbara für den Dreh gespielt wird und wann Brigitte im Leben zu Barbara wird, ist oft nur schwer auseinanderzuhalten. Und das, obwohl der Regisseur durch Einstellungen und unterschiedliches Filmmaterial – die Szenen mit Barbara wirken historisch, alle anderen sind zeitgemäß brillant – durchaus Hilfestellungen gibt. Zudem werden auch Originalaufnahmen mit der ausdrucksstarken Sängerin geschickt eingebaut.

Almarics Herangehen kann man als verkopft abtun oder als besondere Referenz an die ausdrucksstarken poetischen Texte Barbaras interpretieren. Und die Obsession von Yves und Brigitte entspricht der Besessenheit Barbaras für ihre Lyrik und Musik.
Barbara war – glaubt man dem Film – eine Diva, schwierig und eigensinnig. Welche Lebenserfahrungen dem zugrunde liegt, eröffnet der Film nicht. Führt man sich die im Film rezitierten Texte von Barbara vor Augen, ist es jedoch gut und richtig, dass Mathieu Almaric ganz auf Poesie und Charisma setzt. Denn die unmittelbare psychologische Deutung ist in einer konventionellen Biographie besser aufgehoben. Das passende Schlusswort sagt Jeanne Balibar als Brigitte als Barbara: «Das ist fantastisch! Wie violetter Regen auf finsteren Bergen.»

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Donnerstag, 15. Februar 2018
Excellentes Roadmovie
«Vor dem Ende das Sommers/Avant la fin de l’été»
Drei iranische Studenten – der fette, phlegmatische Arash, der poetische Hossein und Ashkan, der gerne ein Frauenheld wäre, klemmen sich in einen Kleinwagen, um eine Woche ans Meer zu fahren. Fünf Jahre studiert Arash schon in Paris, doch die Stadt hat er noch nie verlassen. Das soll er nachholen, bevor er wieder zurück in den Iran fliegt, finden seine Freunde – und bald geht es los.

Ihre Reise ist unspektakulär. Sie fahren durch den Regen, der auf dem Land viel schöner ist als in Paris. Genauso wie im Norden Irans, wo er auch warm ist und angenehm und nicht grau, wie Arash feststellt. Sie hängen auf verlassenen Campingplätzen ab, und nehmen auch mal zwei trampende Musikerinnen mit, die sie noch ein wenig begleiten. Sie reden miteinander, lernen sich auf andere Art kennen als in der Stadt, teilen Erinnerungen und sinnieren über das Leben und ihre Hoffnungen.



Die Bilder sind unaufgeregt und doch immer wieder voller Poesie, die Dialoge wirken wie beiläufige Gespräche, die nach und nach ein wenig mehr von den Personen freigeben und die immer wieder nachdenklich machen. "Avant la fin de l’été" ist ein langsamer Film. Ein kontemplatives Roadmovie im Stil von Wim Wenders "Im Lauf der Zeit", das genügend Raum bietet, um die versonnenen Gedanken seiner Protagonisten nachhallen zu lassen.

«Vor dem Ende des Sommers» ist ein exzellentes Roadmovie, das ganz unaufgeregt die Frage nach Heimat und Herkunft, Prägungen und Dasein stellt.

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Montag, 4. März 2013
Basketballer auf der Stör
«The Iran Job» – ein Dokumentarfilm über einen außergewöhnlichen Arbeitseinsatz
Der Basketballspieler Kevin Shepperd hat es nicht in die Profi-Liga geschafft und verdingt sich überwiegend im Ausland. Sein letztes Engagement führt ihn zu einem der Erzfeinde der USA: in den Iran. Gemeinsam mit dem zweiten, teuer eingekauften ausländischen Spieler des Teams, soll er den A.S. Shiraz in die Play-offs bringen. Der Club ist eben erst in die zweite Liga aufgestiegen. Shepperd stellt nach dem ersten Spiel ernüchtert fest, dass sein Team auf Amateur-Niveau spielt. Dass ausgerechnet diese Mannschaft als erster Aufsteiger gleich die Play-offs erreichen soll, erscheint alles andere als wahrscheinlich.





Der deutsch-amerikanische Filmemacher Till Schauder verwebt in «The Iran Job» die spannende sportliche Entwicklung des A.S. Shiraz mit dem aufeinanderprallen der unterschiedlichen Kulturen, der persönlichen Entwicklung seines Protagonisten und dem Einblick in den iranischen Alltag. Schauder hatte Glück, weil sich der A.S. Shiraz nach einer äusserst wechselhaften Saison buchstäblich in den letzten Spielsekunden für die Play-offs qualifiziert. Und er hatte noch viel mehr Glück, weil sich Kevin Shepperd mit den drei Physiotherapeutinnen der Mannschaft anfreundet und er so Einblicke in den iranischen Alltag erhält, die anders kaum möglich wären.
Während der iranische Präsident vermeintlichen und tatsächlichen Feinden über die Staatsmedien martialische Botschaften übermittelt und die iranische Führung den zersetzenden Einfluss der westlichen Kultur fürchtet, werden die Iraner im Film so weltoffen und interessiert dargestellt, wie man sie auch bei Reisen durch das Land erlebt.

«The Iran Job» ist in jeder Hinsicht gelungen. Er ist ein spannender Sportfilm, ein gelungenes Porträt des Basketballers Kevin Shepperd und eine Dokumentation über da Leben in Iran – mit seinen lustigen und seinen schlechten Seiten.

Website zum Film

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Freitag, 24. Juni 2011
Fuck the midtones
Personality-Doku über einen besessenen Büchermacher
Anfangs läuft einer herum, im weissen Kittel und ein wenig ratlos wirkend, Andrucke kontrolliert, und man möchte meinen, der verlorene Drucker sei ein Angestellter. Es ist Gerhard Steidl, der grossartige Bücher mit Künstlern macht, die zu den wichtigsten der Gegenwart zählen –Fotografen wie Robert Frank, Joel Sternfeld, und Ed Ruscha, Autoren wie Günter Grass und Haldór Laxness.
Der Dokumentarfilm «How To Make A Book With Steidl» ist seine Show. Von den 45 Angestellten ist kaum einer zu sehen. Und wenn, wird er angeschnauzt, weil er dem Künstler gegenüber eine Meinung geäussert hat, ohne sie mit seinem Boss vorher abzusprechen.
«How To Make A Book With Steidl» ist also kein Film über einen Bücher machenden Verlag, sondern über einen besessenen Verleger. Das ist einerseits ein wenig schade, andererseits durchaus gerechtfertigt. Denn Gerhard Steidl legt bei vielen seiner Bücher tatsächlich Hand an, entwickelt sie mit den Künstlern und begleitet sie auch an der Druckmaschine. Nicht nur an die optische und haptische Anmutung seiner Bücher, denkt der Verleger, sondern auch an deren Geruch – ein selten ganzheitlicher Ansatz.

Hier kocht der Chef
Im Verlauf von mehr als einem Jahr lang haben die Filmemacher Gereon Wetzel und Jörg Adolph den Büchermacher immer wieder begleitet. Sie sind mit Gerhard Steidl zu den Künstlern gereist und haben das – angeblich organisierte – Chaos im Verlag gefilmt. Die Filmemacher sind ihm im raschen Wechsel zwischen den Polen Glamour und Künstlerklause gefolgt – wenn er erst den schweizer-amerikanischen Fotografen Robert Frank in seiner Künstlerklause im kanadischen Nova Scotia besucht, wo ihn Franks Frau June Leafe porträtiert, und wenig später gleichzeitig souverän und verloren an einem Chanel-Event teilnimmt.
Im Zentrum steht die Entwicklung des Buches «iDubai», dessen Bilder Joel Sternfeld mit seinem Mobiltelefon aufgenommen hat. Es ist interessant und gleichzeitig amüsant zu sehen, wie sich Steidl und Sternfeld ihre Ideen und Vorstellungen zuspielen und das Buch Schritt für Schritt Gestalt annimmt. Auch in anderen Projekten erlebt man, wie Gerhard Steidl kompromisslos – und scheinbar unkaufmännisch – auf Qualität setzt und auf seine Künstler eingeht. In der Diskussion mit Sternfeld erlebt man ihn aber auch, wie er bestimmt Grenzen setzt. «Fuck the midtones», fertigt er einen seiner Einwände so amüsant wie wirkungsvoll ab.
Der am DOK Leipzig 2010, dem 53. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, ausgezeichnete Film kommt ganz ohne Interviews mit dem Verleger oder anderer Protagonisten aus. Die Person des Büchermachers und seine Leidenschaft erklären sich aus den Gesprächen mit den Künstlern und aus den Bildern. Ein schöner Film.

How To Make A Book With Steidl
Audio DVD
Sprache: Englisch
ISBN: 978-3-86930-119-8

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Sonntag, 28. März 2010
Im Zentrum: Istanbul
Türkisches Filmfstival II: Konzentrierte Einblicke in eine fremde Welt
Die diesjährigen Filmtage sind der Stadt Istanbul gewidmet - sie ist dieses Jahr eine der europäischen Kulturhauptstädte. Das Thema erlaubt die ganze Bandbreite - von der in «Uzak Ihtimal - Der falsche Rosenkranz» behandelten verhinderten Beziehung über die missglückten Beziehung wie sie in «Üç Maymun – Drei Affen» vorgeführt wird über den Film über die Istanbuler Musikszene «Crossing The Bridge» von Fatih Akin bis hin zum politischen Film «5 Nolu Cezaevi – Prison No. 5» (der allerdings nicht ganz themengerecht die Zustände im berüchtigten Gefängnis von Diyarbakir zeigt).


Dass Politik auch im Krimi eine Rolle spielen kann zeigt Emre Şahin, Regisseur und Drehbuchautor von «40». Er ist ganz einer zeitgemäßen Ästhetik verpflichtet. Beginnt mit schnellen Schnitten und variiert geschickt die Geschwindigkeit des Erzählflusses. Der in den USA ausgebildete Regisseur verknüpft in seiner Geschichte die Schicksale eines türkischen Ganoven, eines illegal in Istanbul lebenden Afrikaners und einer Krankenschwester. Es geht um Hoffnung und Enttäuschung, Glück und Verzweiflung und natürlich um Geld.
Mit seiner rasanten Ganovengeschichte gibt Emre Şahin ganz nebenbei einen Einblick in das heruntergekommene, von Armen, Gaunern, Drogenabhängigen und Transvestiten dominierte Tarlabaşı-Viertel und zeigt viele stimmungsvolle Bilder von Istanbul.

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Samstag, 27. März 2010
Uzak Ihtimal - Der falsche Rosenkranz
Türkisches Filmfstival: Konzentrierte Einblicke in eine fremde Welt
Die größte türkische Gemeinde in Deutschland ist nicht in Berlin, sondern in München. Anders als ihre Landsleute in Berlin-Kreuzberg sind die in München lebenden Türken integriert -- wie fast überall in Deutschland. Vermutlich ist auch ihr Bildungsniveau höher. Ein Beleg ist das zum 21. Mal stattfindende Türkische Filmfestival.

Auch in Istanbul sieht man die hier gezeigten Filme selten: Denn hier laufen nicht die Soaps und es gibt keine Schmonzetten für den Massengeschack. Das ist gut, aber nicht alles ist dabei geglückt. Der Auftaktfilm etwa, «Üç Maymun – Drei Affen», beschreibt mit immer wieder starken Momenten das Auseinanderbrechen einer Familie. Aber er ist zu langatmig und mit zweifelhaften Stilmitteln gemacht. Denn dass ein Film, der in der Gegenwart spielt, Farben verpasst bekommt, die auf die 1950er- oder 60er-Jahre verweisen, ist eigenartig.

Ein ebenso stiller, aber wesentlich spannenderer Film ist «Uzak İhtimal - Der falsche Rosenkranz». Der junge Muezzin Musa verliebt sich in die katholische Clara. Sie leben Tür an Tür und entdecken langsam ihre Zuneigung. Dem Regisseur Mahmut Fazıl Coşkun geht es nicht um die Gegenüberstellung der Religion - diese bietet ihm allenfalls die Grundlage für amüsante Begebenheiten. Er offenbart viel lieber eine eigenwillige Lebensgeschichte und die Dramatik des Alltäglichen. Sie gipfelt darin, dass weder der eigentlich selbstsichere Antiquar Yakup Clara sagen kann, was ihm am Herzen liegt - nämlich dass er ihr Vater ist -, noch dass Musa seine Schüchternheit überwinden kann. Am Ende verabschiedet der Muezzin Clara am prächtigen Bahnsteig des Sirkeci-Bahnhofs - für immer, weil sie in einem italienischen Kloster ihr restliches Leben als Nonne verbringen wird.

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