Donnerstag, 12. Juli 2018
Such dir einen sonnigen Schattenplatz, ...
... alles was du weißt, passt in einen Satz.
Aber den hast du vergessen und dein Kopf ist leer,
du bist alt und weise und du weißt nichts mehr.

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Montag, 9. Juli 2018
Reverend Beat-Man – Blues Trash
Es ist eine kuriose Mischung: Reverend Beat-Man ist ausgewiesener Meister des Trash, seine Mitstreiter dagegen höheren künstlerischen Ansprüchen verpflichtet/mit akademischen Weihen ausgestattet: Julian Sartorius spielte als einer der angesagtesten Jungtrommler von Pop bis Jazz mit Sophie Hunger, Co Streiff und Bruno Spoerri. Der hier Gitarre spielende Akkordeonist Mario Batkovic hat schon vor seinem Musikstudium Hörbücher für Kinder vertont, mit Geoff Barrow von Portishead gespielt und auch Filmmusik geschrieben, von eigenen Projekten ganz abgesehen. Auch Resli Burri, knapp zehn Jahre älter als Reverend Beat-Man, hat als ehemaliges Mitglied von Patent Ochsner und Aufträgen für Film und Theater seine Meriten in der anerkannten, anspruchsvollen Pop-Unterhaltung und im Kunstbereich.

Wie passt das zusammen? Schielt Reverend Beat-Man auf einen Scheck aus der Kunstwelt? Wollten die anderen einfach einmal die Sau rauslassen? Oder hatten sie bloß Zeit und haben das auf der Straße liegende Kleingeld mitgenommen?
Um wenigstens die erste Frage zu beantworten: Es passt ausgezeichnet zusammen. Die Kollegen spielen den Bildungsvorsprung nicht wirklich aus, daher bleibt musikalisch letztlich alles beim Alten. Reverend Beat-Man knurrt wie immer zu Liedern mit Schauerroman-Stimmung, etwa bei «Lass uns Liebe machen», das einem Dead-Brothers-Stück zum Verwechseln ähnlich ist. «Love is Simply A Dream» und «Then We All Gonna Die» wiederum würden gut zu einem Western-Noir-Roman im Stil eines Bruce Holbert passen, dessen Sheriff Russel Strawl in «Einsame Tiere» genauso Outcast ist wie die von ihm Gejagten. Und zwischendurch freut man sich, die angenehme Stimme von Nicole Izobel Garcia zu hören, seiner Partnerin bei Live-Auftritten – eine seltene und daher umso angenehmere Abwechslung von Düsternis und Missbehagen, die Reverend Beat-Man gekonnt verbreitet.

Reverend Beat-Man bleibt also Reverend Beat-Man und liefert wie gewohnt Shabby-Schick. Auch wenn seine Mitstreiter diesen Stil zumindest an den noch nicht ganz verrosteten Stellen etwas blankpoliert haben, ändert das nicht wirklich viel. Wobei das Ergebnis immer noch besser ist als die gleichnamigen Schrottmöbel – mit beidem möchte man sich nicht dauerhaft ausstatten.

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Freitag, 29. Juni 2018
Wolfgang Herrndorf/Sandra Hüller – Bilder deiner großen Liebe
In seinem Coming-of-Age-Roman «Tschick» hat Wolfgang Herrndorf der 14-jährigen Streunerin Isa, verwahrlost und obdachlos, eine – wenn auch wichtige – Nebenrolle zugedacht. Anders als ursprünglich geplant, hat der früh verstorbene Autor dem so selbstsicheren wie flegelhaften Mädchen später einen eigenen Roman gewidmet. «Bilder deiner großen Liebe» blieb unvollendet und ist posthum als Fragment erschienen.

Isa nutzt die Gunst des offenen Tores und verschwindet hinter einem Lieferwagen aus der psychiatrischen Anstalt. Sie schläft tagsüber und wandert nachts durch Wiesen und Wälder, sie hungert, durchsucht unter den angewiderten Blicken der Hausbesitzer Mülltonnen nach Essbarem, sie erzählt von Begegnungen und Erinnerungen, sie sinniert über das Leben, tagträumt und erfindet phantastische Geschichten. Und natürlich – es ist die einzige schwache Passage, weil die beiden Musiker als Sprecher mit der Performance von Sandra Hüller nicht im geringsten mithalten können – trifft sie Tschick und Maik.

Die für die Bühne gemachte Interpretation des Werks (die nebenbei bemerkt, nicht überall gut ankam), ist von derart enormer Wucht und Intensität, dass sie auch ohne visuelle Eindrücke ein Ereignis ist. 71 Minuten lang flüstert, singt und wütet eine fulminante Sandra Hüller Isas Erfahrungen, Gedanken, Selbstzweifel und Einsichten in die Welt.
Die Schauspielerin gibt dabei auch eine veritable Sängerin ab. Ihre Mitstreiter, die Multi-Instrumentalisten Sandro Tajouri und Moritz Bossmann, sorgen für die Filmmusik. Dabei beschränken sie sich nicht darauf, den Text zu untermalen, sondern illustrieren und verstärken ihn von subtil bis ungemein packend.

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Sonntag, 24. Juni 2018
Shirin Neshat – Auf der Suche nach Oum Kulthum
Verrannt: das Drehbuch als Prophezeiung
Den Einstieg kann man noch spannend finden: Die erwachsene Oum Kulthum (Naijia Skalli), auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit, steigt die Treppe hoch, gefolgt von der iranischen Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian), die einen Film über sie drehen möchte. In einem der oberen Räume trifft Oum Kulthum auf sich selbst als Kind (Nour Kamar). Als die Kleine durch das zwischen den Gardinen hindurchstrahlende gleißende Licht steigt, folgt ihr Mitra in die Zeit von Oum Kulthums Kindheit – sinnfällig umgesetzt in romantisierenden Szenen und Schwarzweißaufnahmen, vielleicht als Erinnerung, dass es den Farbfilm zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht gab.

Mitra – die als Alter Ego der iranischstämmigen Shirin Neshat gesehen werden darf – vergaloppiert sich, weil sie ihre eigenen Probleme in ihre Protagonistin projiziert. Die Hinweise ihrer beiden Hauptdarsteller Ghada (Yasmin Raeis, die Oum Kulthum im Film des Films verkörpert) und Ahmad (Kais Nashif), der deswegen den Job hinschmeißt und das Set verlässt, ignoriert Mitra. Als sie endlich merkt, wie sehr sie sich verrannt hat, steuert sie mit Wucht in die Gegenrichtung – die plötzlichen Änderungen erbosen ihren Produzenten und am Ende ist alles noch schlimmer.

Das Drehbuch wirkt wie eine Prophezeiung: Shirin Neshat scheitert genauso wie die Regisseurin in ihrem Film. Außer ein paar spärlich gesäten eindrucksvollen Bildern und Szenen begeistern in „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ nur die Passagen, in denen die Kunst der „ägyptischen Callas“ zelebriert wird. Für diese Momente ungeteilter Freude muss man jedoch lange Durststrecken in Kauf nehmen.

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Samstag, 16. Juni 2018
Nigel Kennedy – Kennedy Meets Gershwin

George Gershwin war ein vielseitiger Komponist. Er schrieb Unterhaltungsmusik, klassische Konzerte und mixte afroamerikanische Einflüsse mit zeitgenössischer Klassik. Das Great American Songbook hat er mit unvergesslichen Melodien bereichert, die von Ella Fitzgerald und Frank Sinatra bis zu Janis Joplin und Miles Davis interpretiert wurden. Lieder wie die Arie «Summertime» aus der Oper «Porgy and Bess» zählen wohl zu den bekanntesten der Musikgeschichte.

George Gershwin war ein Grenzüberschreiter, dessen Werke schon früh andere Künstler (Thelonious Monk, Lester Young) dazu animierten, recht frei mit ihnen umzugehen.
Jetzt hat Nigel Kennedy ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ehrfurcht ist von ihm nicht zu erwarten. Das zeigt er schon beim Auftakt «Rhapsody in Blue», dem er einfach ein kräftiges Weinrot zusetzt und das er in «Rhapsody in Claret & Blue» umbenennt. Und nicht nur das: Er reduziert die 16-minütige Rhapsodie auf knapp drei spannende Minuten. Aus dem Wiegenlied «Summertime» wiederum entfernt er alles Liebliche und stellt die harsche Lebenswelt in den Vordergrund, in der es angesiedelt ist.
Das alles ist nicht despektierlich, Kennedys Vorlage ist deutlich erkennbar – er lässt nur so manchen ablenkenden Flitter weg und verpasst Gershwins Kompositionen eine andere Frisur. Diese erinnert immer noch an den Irokesen, den Kennedy früher trug, auch wenn der Geiger inzwischen bereits in seinen Sechzigern ist.

Nigel Kennedy malt nicht nur düstere Bilder, sondern sieht auch die lockeren Seiten des Lebens. Wenn er die Geige gipsy-jazzig swingen lässt, erinnert das auf äußerst angenehme Weise an seinen einstigen Lehrer Stéphane Grapelli. Immer wieder spielt Kennedy so lässig beschwingt auf, als ob er seinen eigenen 'Relaxed Club de France' gegründet hätte.
Auch wenn er wie bei «Fantasy» und «They Can’t Take That Away From Me» die Geige weglegt und als Solo-Pianist in die Tasten greift, kehrt er den Jazzer hervor – und macht auch im Sitzen eine recht gute Figur.
Und nicht zuletzt sind die beiden eigenen Stücke «Time» und «Fantasy», die er den Klassikern zur Seite stellt, erhabene Referenzen an George Gershwin.

Nigel Kennedy tummelt sich seit vielen Jahren mit wechselndem Erfolg in den unterschiedlichsten Genres. Mit «Kennedy Meets Gershwin» beweist er wieder einmal, dass er seinen Platz im Musik-Olymp noch immer verdient.

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