Mittwoch, 1. August 2018
Susanna Nicchiarelli – Nico, 1988
Sie müsse mit einer Band aus Amateuren touren, sagt Nico (Tryne Dyrholm) sichtlich frustriert und vermittelt ihrem Gegenüber gleichzeitig, dass sie das keineswegs ungerecht findet. Der längst in den Drogensumpf gefallenen Ikone ist offenbar bewusst, dass es kein Entrinnen gibt aus dem Kreislauf von Sucht, Versagensängsten und Erinnerungen an eine erfolgreiche Vergangenheit.

Das Leben von Nico, geboren als Christa Päffgen, Supermodel, Schauspielerin und Musikerin, lässt sich kaum in einen Film packen. Susanna Nicchiarelli (Regie und Drehbuch) gelingt es trotzdem – indem sie es als Roadmovie erzählt, das in den traurigen letzten Jahren spielt. Die Gruppe tourt im Kleinbus durch Europa, Nico zerfressen von Sucht und Sehnsucht nach ihrem Sohn, der nicht nur ebenso drogenabhängig, sondern auch suizidgefährdet ist. Ihr Manager Richard (John Gordon Sinclair) ist in sie verliebt. Doch der landet allenfalls bei seiner Assistentin Laura (Karina Fernandez) – beim „Trostpreis“, wie diese selbst sarkastisch feststellt. Nicos Zuneigung gilt durchweg anderen.

Susanna Nicchiarelli zeigt Nico und ihre Entourage überwiegend auf Tour – Paris, Prag, Nürnberg, Krakau – und in kurzen Episoden in ihrem Zuhause Manchester. Neue Bekanntschaften und Gespräche mit Nicos Manager nutzt sie für Rückblenden, mitunter werden auch kurze Originalaufnahmen mit Nico eingeblendet.
Die Regisseurin zeigt eine Protagonistin, die mit unbändiger Stärke schwach ist. Ihre Nico ist egozentrisch und kompromisslos bis zur Tyrannei. Gleichzeitig ist sie sich ihrer Schwächen und Versäumnisse bewusst, unter denen sie zwar leidet, die sie aber unbeeindruckt akzeptiert und mitunter mit bissigem Sarkasmus kommentiert. Nicht nur die Besetzung der Hauptfigur – Tryne Dyrholm stellt Nico sowohl als Person wie auch in ihrem eigenwilligen Gesangsstil differenziert und überzeugend dar – ist ein Glücksgriff. Susanne Nicchiarelli zeigt bis hin zu vergleichsweise unwichtigen Nebenrollen eine sichere Hand bei der Wahl der Schauspieler. Ebenso gelungen sind viele Szenen und Dialoge. So macht sie aus einem schlichten Konzept einen Film, der sich der geschundenen Ikone respektvoll, aber nicht beschönigend nähert und der selbst dann ausgesprochen sehenswert wäre, wenn Susanne Nicchiarelli die ganze Geschichte nur erfunden hätte.

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